Über lohnendes Investment in die Eclipse-Community

Das Lünener Softwarehaus itemis setzt bei seiner Geschäftsstrategie auf die Eclipse-Plattform und hier insbesondere auf Modeling-Techniken. heise Developer wollte von Wolfgang Neuhaus, Geschäftsführer der Firma, wissen, warum es sich lohnt, in die Eclipse-Community zu investieren.

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Von
  • Alexander Neumann

Wolfgang Neuhaus ist Vorstand und einer der Gründer der itemis AG. Als Mitglied im Board of Directors der Eclipse Foundation gestaltet er die strategische Ausrichtung der Entwicklungsplattform mit.

Das Lünener Softwarehaus itemis setzt seit einiger Zeit bei seiner Geschäftsstrategie auf die Eclipse Plattform und hat in letzter Zeit vor allem durch die Entwicklung des Textual-Modeling-Frameworks Xtext für Aufsehen gesorgt. Es wurde beispielsweise auf der letzten EclipseCon als innovativste neue Technik der Eclipse-Welt prämiert. heise Developer wollte von Wolfgang Neuhaus, Geschäftsführer der Firma, wissen, warum es sich lohnt, in die Eclipse-Community zu investieren.

heise Developer: Wolfgang, itemis ist eines von 14 strategischen Mitgliedern der Eclipse Foundation. Was bedeutet das für euch und wie seid ihr in die Community eingebunden?

Wolfgang Neuhaus: itemis unterstützt die Weiterentwicklung der Eclipse-Plattform mit elf Committern. Unsere Aktivitäten liegen im Bereich "Eclipse Modeling". Hier finden sich Basiswerkzeuge und Lösungen für die modellgetriebene Softwareentwicklung, die es erlaubt, Software aus Modellen automatisch zu generieren. Die Techniken umfassen unter anderem grafische und textuelle Editoren, Validierungsframeworks und Generatorframeworks.

heise Developer: Wie kam es dazu, bei Eclipse einzusteigen?

Neuhaus: Die Mitgliedschaft bei Eclipse rührt erst mal daher, dass wir schon immer "Open-Source Überzeugungstäter" waren. Die genannten Frameworks haben wir vor der Eclipse-Mitgliedschaft gemeinsam mit anderen in einer eigenen Community entwickelt (openarchitectureware.org). Als wir gesehen haben, dass sich Eclipse immer mehr zum Marktstandard entwickelt, entschieden wir uns, mit der openArchitectureWare-Community unter das Dach von Eclipse zu gehen. Rückblickend betrachtet war der Einstieg bei Eclipse eine hervorragende Entscheidung.

Zunächst sind wir als sogenannter Solution Member eingestiegen. Da unsere Kunden im Anschluss die Eclipse-Modeling-Plattform immer unternehmenskritischer eingesetzt haben, war es für uns wichtig, unser langfristiges Commitment über die strategische Mitgliedschaft zum Ausdruck zu bringen. Außerdem ist es für unsere Kunden von Bedeutung, dass wir in der Lage sind, auch die Basistechniken beeinflussen und verändern zu können.

heise Developer: Worin liegt für euch der Mehrwert einer Mitgliedschaft?

Neuhaus: Für unser Unternehmen ganz klar in der weltweiten Sichtbarkeit über Eclipse.org. Mit 1,5 Millionen Downloads pro Monat ein unschätzbarer Kanal. Danach folgen die sehr guten Netzwerkmöglichkeiten insbesondere in den letzten zwei Jahren über die Industry Working Groups (IWG). Nicht zuletzt ist zu erwähnen, dass wir über unsere Aktivitäten im Board of Directors die strategische Ausrichtung der Eclipse Foundation mitgestalten können.

heise Developer: Die Eclipse Foundation verzeichnete insbesondere in den Jahren 2005 bis 2007 einen großen Mitgliederanstieg. Zwischenzeitlich zählte die Foundation fast 200 Mitglieder. Mittlerweile hat sich die Zahl bei rund 160 Mitgliedern eingependelt. Deswegen stellt sich die Frage, für welche Unternehmen kann eine Mitgliedschaft heute noch attraktiv sein?

Neuhaus: Aus meiner Sicht profitiert jeder, der Eclipse intensiv nutzt oder Services oder Produkte rund um Eclipse anbietet. Wenn man von den Vorteilen profitieren will, erfordert das allerdings auch eigene Initiative – speziell in der Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern der Eclipse Foundation und den Vertretern der anderen Mitglieder.

heise Developer: Wodurch zeichnet sich denn die Eclipse-Community aus, beziehungsweise wo siehst du ihr Alleinstellungsmerkmal?

Neuhaus: Das Eclipse-Ökosystem besitzt mehrere Alleinstellungsmerkmale. Zunächst ist da die Größe zu nennen: 163 Mitgliedsfirmen, das ist die aktuelle Zahl, mehrere hundert individuelle Mitglieder und in Summe fast 1000 Committer weltweit. Als Zweites sehe ich die große Bandbreite. Es gibt Produktanbieter, Branchenspezialisten, Service-Anbieter, Enduser und Forschungseinrichtungen. Als Letztes ist die starke Durchdringung in Forschung und Lehre speziell in Europa und besonders in Deutschland und Frankreich zu sehen. In der Lehre im Bereich Softwaretechnik ist Eclipse nicht mehr wegzudenken. Bei den Forschungsvorhaben, die einen Werkzeuganteil haben, hat Eclipse eine große Dominanz erreicht. Das wird insbesondere für die nächsten Jahre zum einen für genügend qualifizierten Nachwuchs, zum anderen für weitere Innovationen auf Basis von Eclipse sorgen.

heise Developer: Haben kleine Firmen die Mittel, sich innerhalb der Eclipse Foundation mit ihren Ideen gegen Schwergewichte wie IBM oder Oracle durchzusetzen?

Neuhaus: Es geht nicht um "gegen" oder "durchsetzen", sondern vielmehr um ein fruchtbares Miteinander. Die Mitgliederstruktur hat sich im Laufe der letzten fünf Jahre verändert. Kleine und mittlere Unternehmen spielen mittlerweile eine viel größere Rolle. Auch das Verständnis, wie man in der Konstellation gut miteinander kooperieren kann, hat sich Schritt für Schritt etabliert. Kleine und mittelgroße Firmen können sich sehr gut einbringen.

heise Developer: Diesen Sommer erscheint ein erstes Release von Eclipse 4, der nächsten Generation der Entwicklungsumgebung. Mit ihr versuchen die Entwickler, die teilweise in die Jahre gekommene IDE auf innovative Weise zu erneuern. Wo liegen die Hoffnungen für itemis beziehungsweise für die Eclipse-Community?

Neuhaus: Wir sehen die Hoffnungen im Bereich der Modellierungsplattform. Sie findet insbesondere im Bereich von Embedded-Systemen und Systems Engineering immer mehr Beachtung. Ende 2008 hatte Eclipse nach einer Bitkom-Studie (Seite 22) in Deutschland in dem Markt eine Durchdringung von 58 Prozent erreicht. Das heißt, Eclipse war bereits irgendwo in der Tool Chain enthalten. Eclipse ist meines Erachtens die einzige Werkzeugplattform weltweit, die integrierte Werkzeugketten für den gesamten Prozess ermöglicht – vom Requirements Engineering bis zum Deployment und Debugging auf der Zielplattform.

Für die Eclipse-Community stellt Eclipse 4 eine Chance dar. Daneben sehe ich aber noch große Potenziale im Bereich der Runtime-Techniken. Hier muss sich Eclipse allerdings verglichen mit der Werkzeug-Seite sicherlich noch etablieren. Auch Tools für das Web und den mobilen Sektor stellen Chancen dar, wenn es Eclipse gelingt, dort Innovationen anzubieten.

heise Developer: Wie schaut es bei den Prozessen innerhalb der Eclipse-Community aus?

Neuhaus: Mit den Prozessen bin ich weitgehend zufrieden, der IP-Prozess lässt sich allerdings an manchen Stellen noch vereinfachen. Er stellt überaus genau sicher, dass keine Sourcen über eclipse.org distributiert werden, an denen Dritte irgendwelche Rechte besitzen, die der Verbreitung unter der Eclipse Public License entgegenstehen.

heise Developer: Du sprachst die IWGs an. Die Eclipse Foundation hat seit einiger Zeit das Bestreben, solche Industry Working Groups zu starten, die Eclipse-Techniken in die Industrien bringen sollen. Ihr seid ja im Automotive-Bereich aktiv. Wie siehst du die Chancen, eine Automotive IWG zu etablieren, und was erhoffst du dir für itemis davon?

Neuhaus: Die IWGs sind ein wirklich spannendes Konzept. Sie erlauben eine zielgerichtete Kooperation zwischen Endanwender-Firmen und Anbietern mit dem Ziel, Standards über Referenzimplementierungen unter dem Dach von Eclipse zu definieren. Aus meiner Sicht ein Ansatz, der dem wasserfallartigen Vorgehen bei rein auf Papier spezifizierten Standards klar überlegen ist. Da das Interesse an der Automotive WG weiter zunimmt, sehe ich sehr gute Chancen, diese Gruppe zu etablieren. Ein erster, wichtiger Schritt ist sicherlich, dass mit Sphinx ein Teil der ARTOP-Plattform (AUTOSAR Tools Plattform) zum Eclipse-Projekt wird.

Daneben sind wir im Aufbau der Modeling Platform Working Group (MPWG) aktiv. Sie bündelt Endanwender, die Ergänzungen der Modeling-Plattform kollaborativ entwickeln wollen. Die ersten Arbeiten dazu starten im nächsten Monat.

Für uns bieten diese Gruppen einen sehr guten Zugang zu unseren Endanwendern und Kunden und ein gutes Verständnis für die kommenden Anforderungen. Das erlaubt es uns, die Unternehmensstrategie exakt darauf auszurichten.

heise Developer: Wolfgang, vielen Dank für die Beantwortung der Fragen.

Die Fragen stellte "heise Developer"-Redakteur Alexander Neumann.

Siehe dazu auch:

(ane)