Verkehrssteuerung im WLAN

Selbst mit dem netto 100 MBit/s schnellen Draft-N-WLAN kann es bei parallelen Downloads zu Videorucklern oder Sprachaussetzern beim Telefonieren kommen. Die QoS-Erweiterung IEEE 802.11e soll damit aufräumen.

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Lesezeit: 20 Min.
Von
  • Spiro Trikaliotis
  • Dr. Guido R. Hiertz
Inhaltsverzeichnis

WLAN-Adapter bekommt man heute für kleines Geld: Ein USB-Stöpsel für den noch aktuellen, brutto 54 MBit/s schnellen Standard 802.11g kostet im Frühjahr 2008 nicht mal 15 Euro. Deutlich schnellere Adapter nach der neuen WLAN-Technik 802.11n (bis zu 300 MBit/s brutto) sind auch schon für rund 40 Euro zu haben. Zwar reicht auch das langsamere 802.11g zum Sofa-Surfen mit DSL-Geschwindigkeit locker aus, aber Ernüchterung macht sich breit, wenn man das WLAN als Ersatz für ein Fast-Ethernet-LAN betreiben will und beispielsweise Backups darüber laufen lässt. HDTV geht, wenn überhaupt, nur mit hoher Ruckelgefahr.

Beim WLAN fällt der Netto-Durchsatz, also das, was man auf Anwendungsebene bekommt, deutlich niedriger aus als die in der Werbung herausgestellten Brutto-Datenraten. 11g und 11a (54 MBit/s brutto im 5-GHz-Band) schaffen bei guter Funkverbindung 25 bis 30 MBit/s, also grob die Hälfte. Natürlich sind sich die Hersteller dieses Nachteils bewusst. Deshalb nahm das Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE) nach den Standards 802.11a und 11g mit 802.11n gleich die nächste Stufe in Angriff. Dabei steigt die Datenrate auf mindestens 100 MBit/s, wobei das IEEE die Geschwindigkeitsangabe erstmals auf die IP-Ebene bezieht, also das, was der Anwender letztlich spürt. Doch die IEEE-Empfehlung, die ehrlichere Nettodatenrate zu nennen, ignorieren die WLAN-Hersteller geflissentlich und geben auch für ihre 802.11n-Produkte lieber die werbewirksamere Brutto-Geschwindigkeit auf dem Funkkanal an.

Die WLAN-Verbesserungen enden aber nicht bei mehr Bandbreite. Vielmehr benötigen immer mehr Anwendungen eine hohe Dienstgüte (Quality of Service, QoS). Beispiele für solche Anwendungen sind Voice over IP (VoIP, bei Funknetzen auch VoWLAN), also das Telefonieren über Datennetzwerke, oder Audio- und Videostreaming. Hierbei soll das Netz von selbst dafür sorgen, dass der Datenfluss nicht stockt. Denn ein Telefonat über ein Funknetzwerk stellt ganz andere Anforderungen als ein FTP-Download. Für den wünscht man sich eine möglichst große Bandbreite, damit der Download schnell erledigt ist.

Bei einem Telefonat ist der Bandbreitenbedarf dagegen von Natur aus begrenzt: ISDN-Geschwindigkeit (64 kBit/s) reicht für eine klare Sprachübertragung aus. Allerdings muss man dafür sorgen, dass die Daten rechtzeitig ankommen, da sonst die Übertragung abbricht oder zumindest hörbar ins Stocken gerät.

Diesem Problem widmete sich die IEEE-Arbeitsgruppe TGe ("Enhancement") seit 1999. Was ursprünglich als schlichtes Aufpolieren des Standards gedacht war, zog sich auf Grund von Querelen und Grabenkämpfen bis 2005 dahin. Neben Verbesserungen aller Art sollte der entstehende Standard 802.11e auch stärkere Verschlüsselung einführen. Das wurde in die Gruppe 802.11i ausgelagert, nachdem sich ein Desaster des ursprünglichen Verschlüsselungsverfahren WEP abzeichnete und 802.11e auf der Stelle zu treten drohte. Was 802.11e letztlich blieb, war die Dienstgüteunterstützung.

Mit den unterschiedlichen Vorstellungen der Unterhaltungselektronik- und den klassischen IT-Hersteller trafen jedoch Welten aufeinander: Während die einen unter allen Umständen ein minimales Maß an Dienstgüte garantieren wollten, waren die anderen schon zufrieden, Daten unterschiedlich zu priorisieren. Wie beim Kabelbruder 802.3 (Ethernet) setzten die Computerfirmen auf Bandbreite satt (Overprovisioning). Damit sollen kaum Engpässe zu erwarten sein, in denen wichtige Pakete stecken bleiben könnten. Die Unterhaltungselektroniker hatten hingegen die Erfahrungen ihrer Kunden mit verkabelten Geräten im Hinterkopf. Um Beschwerden und geringe Marktakzeptanz zu verhindern, sollten sich normale Daten keinesfalls vor Video- und Audioströme mogeln können. Im Herbst 2005 wurden die 802.11e-Entwürfe erst nach dreizehn Abstimmungsrunden – eine für die IEEE-Normungsgremien überdurchschnittlich hohe Zahl – als Standard akzeptiert.

Eine WLAN-Basisstation leitet eine PCF-Phase durch ein Beacon-Frame mit Priorität ein. Dann fragt er die Clients per Polling ab. Das würde schon QoS ermöglichen – wenn es WLAN-Produkte mit dem optionalen PCF gäbe.

Damit Telefongespräche, Musik- und Videoübertragungen nicht unter Knacksern, langer Verzögerung und Bildstörungen leiden, ist es wichtig, dass die Daten rechtzeitig gesendet werden. Da sich alle Stationen den Funkkanal teilen, kommt es darauf an, wer wann senden darf. Um zu verstehen, wie 802.11e das Problem angeht, ist ein kurzer Exkurs nötig, der aufdeckt, wie WLANs funken: Zu übertragende Daten fließen häppchenweise in unteilbaren Frames, damit überhaupt ein gesteuerter Medienzugriff durch mehrere Stationen möglich ist. Jede sendewillige Station muss sich in einem zweistufigen Mechanismus um den Zugriff aufs Medium bewerben. Nach einer Übertragung wartet sie stets eine feste Mindestzeit (Inter Frame Space, IFS). Danach ist ein weiteres, zufällig langes Päuschen nötig (Backoff). Nur wenn bis hierhin kein anderer Client zu senden begonnen hat, darf die Station den nächsten Frame absetzen.

Wenn ein Paket erfolgreich beim Empfänger angekommen ist, schickt er eine Empfangsquittung (ACK). Nur an deren Ausbleiben bemerkt der Absender einen Übertragungsfehler. Damit es nicht zu unnötigen Wiederholungen kommt, darf dem ACK kein anderes Paket in die Quere kommen und den Funkkanal belegen. Die Wartezeit, die der Empfänger fürs Verifizieren des Pakets und Umschalten in den Sendemodus benötigt, nennt 802.11 SIFS (Short IFS). Stationen dürfen nur dann nach der kurzen SIFS senden, wenn sie den Empfang eines Paketes bestätigen.

Alle anderen Wartezeiten sind um mindestens eine sogenannte Slot-Zeit länger. Für die ersten beiden Fristen gibt es eigene Namen: PIFS (PCF IFS) ist die Zeit, die ein Access Point wartet, bevor er ein Beacon sendet. Der Name der Summe aus SIFS plus einem Slot leitet sich vom Point Coordinator (PC) ab, der in periodischen Intervallen (Contention Free Period, CFP) als einziger eine Datenübertragung beginnen darf oder Stationen reihum abfragt, ob sie Daten zu senden haben. Diese zentrale Steuerung des Kanalzugriffs heißt Point Coordination Function (PCF); allerdings gibt es bis heute keinen Hersteller, der sie implementiert.

Die Autoren kennen lediglich die iPCF-Lösung von Siemens. Sie bildet die PCF-Funktion im Gerätetreiber des WLAN-Adapters weitgehend nach. Allerdings kann iPCF nur eine geringere Zuverlässigkeit bieten als PCF, zudem funktioniert die Technik nur mit speziellen Netzwerkkarten.

SIFS plus zwei Slots heißt DIFS (Distributed Interframe Space). Diese Frist wird immer dann verwendet, wenn mehrere Stationen die Distributed Coordination Function (DCF) nutzen, um den Funkkanal konkurrieren. DCF ist das Standardverfahren zum Aushandeln des Zugriffs, wenn kein QoS nötig ist. Dabei erfolgt der Wettbewerb dezentral: Jede Station muss das Geschehen auf dem Funkkanal selbst beobachten und entscheiden, ob sie sendet.

Die konkreten Zeiten für die IFS hängen von der Übertragungsart im WLAN ab: Beim alten 802.11b (maximal 11 MBit/s brutto) liegen typische Werte zwischen 10 µs für SIFS über 30 µs für PIFS bis 50 µs für DIFS. Beim aktuellen 802.11n dauert SIFS 16 µs, während DIFS 34 µs lang ist.

IFS und Backoff bei 802.11e
Zugriffskategorie AIFSN CWmin CWmax maximale TXOP
Background 7 CWmin CWmax
Best Effort 3 CWmin CWmax
Video 2 1/2 CWmin CWmin 6,016 ms (11b) bzw. 3,008 ms (11a/g)
Voice 2 1/4 CWmin 1/2 CWmin 3,264 ms (11b) bzw. 1,504 ms (11a/g)
AIFS = SIFS + AIFSN × aSlot

Um die Vorteile der Kanalzugriffsverfahren DCF und PCF zu vereinen, führt 802.11e die Hybrid Coordination Function ein. Abhängig davon, ob alle Stationen autonom um den Medienzugriff konkurrieren oder eine Zentralstation (HC, Hybrid Coordinator, meist der Access Point) vorhanden ist, die den Zugriff regelt, schaltet HCF in den Enhanced Distributed Channel Access (EDCA) oder HCF Controlled Channel Access (HCCA).

Priorisierung beim Medienzugriff geschieht bei WLAN mit unterschiedlich langen Wartezeiten. Dazu kommt ein zufälliger Backoff, den die Stationen selbst ausknobeln.

Als Weiterentwicklung der DCF ersetzt EDCA die DIFS-Frist durch AIFS (Arbitration Interframe Space). Ihre Dauer hängt von der Wichtigkeit des zu übertragenden Pakets ab: AIFS ist um eine bestimmte Anzahl von Slotzeiten länger als SIFS; bei wichtigeren Daten werden weniger Slots aufgeschlagen. Für 802.11a ergeben sich in der Video-Kategorie beispielsweise 34 µs, während ein Background-Frame mindestens 79 µs wartet. Im Diagramm schickt Station F ein Voice-Frame und hat dank ihres kürzeren AIFS Vorrang vor Station G (Background).

Während der IFS dazu dient, weniger wichtige Frames länger warten zu lassen, verringert der Backoff die Gefahr, dass sich Stationen mit gleicher Priorität ins Gehege kommen. Zu welcher Kategorie die Daten gehören, legen WLAN-Treiber und Anwendung auf der Station fest. Damit 11e und ältere Geräte im gleichen Funkkanal koexistieren, 11e-fähige Geräte Daten aber trotzdem priorisieren können, bedarf es eines Kniffs: Bisher hatten die Parameter CWmin und CWmax, aus denen sich die Backoff-Zeit errechnet, statische Grenzen. 802.11e setzt die oberen Grenzen nun dynamisch, abhängig von der Prioritätseinstufung. Wichtigere Daten kommen so mit höherer Wahrscheinlichkeit schnell durch. Dabei kennt 11e acht Stufen (User Priority, UP), wobei die niedrigste Stufe 0 die Kompatibilität zu älteren Clients sicherstellt.

Prioritäten im LAN und WLAN
802.1D-Priorität Abkürzung 802.11e Access Category 802.1D-Verkehrsklasse
1 BK AC_BK Background
2 AC_BK Spare
BE AC_BE Best Effort
3 EE AC_BE Excellent Effort
4 CL AC_VI Controlled Load
5 VI AC_VI Video, < 100 ms latency and jitter
6 VO AC_VO Voice, < 10 ms latency and jitter
7 NC AC_VO Network Control

Die Prioritäten 1 und 2 haben eine Sonderrolle, sie sind niedriger priorisiert als Stufe 0. Darin kann ein Client Informationen verpacken, die für den Netzbetrieb nicht essenziell sind, beispielsweise optionale Organisation. EDCA bricht die acht Benutzerprioritäten auf vier Zugriffsprioritäten (Background, Best Effort, Video, Voice) herunter.

Mit EDCA kann es immer wieder zu Kollisionen kommen. Die sind vertane Zeit, weil keine Daten fließen. Mit HCCA unterbleiben Kollisionen und der Medienzugriff wird effizienter, aber der zentrale HC kann nicht zaubern: Auch HCCA funktioniert nur so lange, wie keine Überlast eintritt, etwa weil zu viele Stationen hohe Priorität nutzen. Um das zu vermeiden, müssen die Stationen Verkehrsströme mit dem HC vereinbaren. Dazu teilen sie dem HC die nötige Datenrate, die maximal tolerierbare Nachrichtenverzögerung und Framegrößen mit. Lehnt der Access Point ab, kann die Station nur mittels EDCA senden.

Anders als bei EDCA konkurrieren die Stationen bei HCCA also nicht um das Senderecht, sondern der HC teilt es einer Station zu. Sowohl bei EDCA als auch HCCA darf eine Station nun nicht nur ein einziges Frame senden, sondern erhält eine Sendeberechtigung für eine bestimmte Zeit (TXOP, Transmission Opportunity). Das vermindert den Verwaltungsaufwand, weil Polling-Wiederholungen wegfallen. Ein wesentlicher Vorteil von HCCA gegenüber PCF ist, dass 802.11e die Implementierung vorschreibt. Will ein Hersteller standardkonforme Produkte anbieten, kommt er um HCCA nicht herum.

Bei HCCA erteilt der Access Point via Poll die Sendeberechtigung TXOP. Während dieser darf eine Station Übertragungen starten, die innerhalb der Frist inklusive Bestätigungen erledigt sein müssen.

Dank der aufwärtskompatiblen Methoden EDCA und HCCA gewinnen 11e-Clients häufiger bei priorisierten Daten auch in WLAN-Zellen, wo herkömmliche Stationen mitfunken. Die alten Geräte erscheinen für 11e-fähige Clients in der Best-Effort-Kategorie. Deshalb muss man beim Aufrüsten lediglich die Stationen mit 11e ertüchtigen, über die tatsächlich Daten mit Vorrang laufen werden. In einem Heim-WLAN könnte das beispielsweise nur den Access Point am Videoserver sowie den Client im Wohnzimmer betreffen. Bei modernen Basisstationen ist das mit einem simplen Firmware-Update erledigt – wenn der Hersteller sein Produkt pflegt. Die Adapter müssen für die Verwaltung der verschiedenen Warteschlangen mehr RAM verwenden; bei manchen Chipsätzen mag der vorhandene Speicher genügen, bei anderen nicht.

Da sich die Verabschiedung des 802.11e-Standards extrem hinzog, machte die Wi-Fi Alliance (WFA) kurzen Prozess und erklärte kurzerhand Teile des 802.11e-Entwurfs zur eigenen Norm Wi-Fi Multimedia (WMM). Als Zertifizierungsinstanz und Industrieverband kümmert sich die WFA um die Vermarktung und das Stopfen von Kompatibilitätslöchern in Fällen, wo der IEEE-Standard Raum für Optionen lässt. Der Bedarf nach Dienstgüteunterstützung schien so groß und dringend am Markt gebraucht, dass man seine Mitglieder davon abhalten wollte, mit eigenen, letztlich wieder proprietären Lösungen vorzupreschen. WMM selbst nutzt nur einen kleinen Teil der 802.11e-HCF: Die komplette HCCA wurde in die Scheduled-Access-Zertifizierung ausgelagert (WMM-SA). Nachdem die Arbeit daran eingestellt wurde, gilt WMM nur noch als Zwillingsbruder der EDCA.

Dennoch hat die WFA mit WMM einen De-facto-Standard etabliert. Während jeder bessere WLAN-Router WMM beherrscht, sind Full-802.11e-Geräte noch Mangelware. Der WMM/11e-Dualismus hat jedoch zu erheblicher Verwirrung geführt. Deshalb haben einige Firmen im vergangenen Jahr den umgekehrten Weg versucht: Der IEEE-Standard sollte an die WMM-Spezifikation angepasst werden. Die damit beschäftigte QoS Enhancement Study Group (QSE SG) hat jedoch im November 2007 ihre Arbeit eingestellt, nachdem deutlich wurde, dass die IEEE-802.11-Mitglieder das Vorgehen so empfanden, als würde der Schwanz mit dem Hund wedeln ...

802.11e sieht neben QoS weitere Detailverbesserungen vor, die dem Durchsatz und damit indirekt auch der Dienstgüte zugute kommen. Bei Übertragungen im WLAN sah der ursprüngliche Standard vor, dass eine Station für beinahe jedes Frame um das Medium konkurriert, also die DIFS-Zeit zuzüglich der zufälligen Wartezeit abwarten muss und erst dann senden darf.

Ist das Netzwerk stark belastet, vergeuden die häufigen Wartefristen jedoch viel Sendezeit, die mit Übertragungen besser zu nutzen wäre. Deshalb darf eine Station während der TXOP mehr als ein Paket senden, wenn sie das Senderecht ergattert hat (Packet Bursting). Die TXOP-Dauer hängt von der Access Category, also der Priorität eines Paketes ab, ist aber für alle Geräte gleich. Nutzt man Packet Bursting, dann dominieren nicht mehr die langsamen Stationen den Gesamtdurchsatz in der Funkzelle, und dieser steigt. Übrigens gilt dabei langsam versus schnell nicht nur für 11b versus 11g, sondern wegen der automatischen Senderatenumschaltung (vier Stufen zwischen 1 und 11 MBit/s bei 11b, acht Stufen zwischen 6 und 54 MBit/s bei 11g) auch zwischen nahen und fernen Stationen.

Die wegen des unsicheren Mediums Funk eingeführte Bestätigung jedes einzelnen Frames mit einem ACK kostet ebenfalls viel Zeit. Darum erlaubt 802.11e nun auch Block-Bestätigungen (Block ACK): Der Sender darf mehrere Frames ohne Bestätigung abschicken und dann mittels eines speziellen Frames die Bestätigung anfordern. Allerdings sieht WMM dieses Feature nicht vor.

Eine weitere Bremse bei WLANs ist, dass an einem AP angemeldete Stationen nur über diesen kommunizieren dürfen. Selbst wenn zwei Laptops direkt nebeneinander liegen, müssen ihre Daten den Umweg über den AP nehmen. Dabei geht jedes Frame zweimal durch die Luft, zunächst von der ersten Station zum AP und dann vom AP zur zweiten, was den Durchsatz mindestens halbiert.

Ist der AP dann auch noch weiter entfernt, müssen die Laptops auf niedrigere Bruttoraten herunterschalten, um die Verbindung zu halten. Dabei würde ein noch viel niedrigerer Durchsatz herauskommen, als wenn die beiden Mobilstationen direkt miteinander funken würden. Übliche Benchmarks blenden diesen Effekt aus, weil sie eine Client/Server-Situation nachstellen, wobei eine Station über den AP mit einem Rechner im LAN kommuniziert.

Diese Repeater-Bremse kann 802.11e lösen: Eine Station darf beim AP das direkte Kommunizieren mit der Gegenstelle anfordern, um anschließend eine gewisse Zeit lang direkt Daten auszutauschen (DLS, Direct Link Setup). Weil die WFA DLS bei WMM ausgespart hat, gibt es keine DLS-Zertifizierung. Folglich warten die WLAN-Hersteller ab. Weiterhin werden APs viel seltener als Stationen ersetzt. Das könnte sich beispielsweise beim neuen Blu-Ray-Player bemerkbar machen, der direkt an den daneben stehenden HDTV-Fernseher senden will, aber kein OK vom alten AP im Wohnungsflur bekommt, weil der die DLS-Anforderung nicht versteht. Diese Lücke will die IEEE-Arbeitsgruppe 802.11z mit einem Verfahren lösen, das DLS unabhängig vom AP macht. Dank guter Fortschritte ist Anfang 2009 mit einem stabilen Entwurf zu rechnen.

Die in den älteren WLAN-Standards 802.11b/a/g nicht definierte Technik Packet Aggregation, gelegentlich auch als Concatenation bezeichnet, nutzt den Umstand, dass ein WLAN-Frame bis zu 2304 Byte enthalten darf, aber in der Praxis oft deutlich kleinere Nutzdatenpakete vorkommen. Packet Aggregation steckt mehrere kurze Pakete in einen WLAN-Frame, was Medienzugriffe und ACKs spart. Manche Hersteller verlängern gar den WLAN-Frame, sodass er bis zu zwei Ethernet-Pakete voller Größe (2×1518 Byte) enthält, was aber gegen die Norm verstößt. Da die MAC-Schicht über das Netzwerk dabei längere Nachrichten erhält, als sie laut Standard unterstützen muss, kann es bei ungünstig programmierter Firmware zu eigenartigem Verhalten bis hin zum Absturz der Karte oder gar des Betriebssystems kommen. Bei 802.11n gehört Packet Aggregation indes zum Standard, ein WLAN-Frame darf dann bis zu 7955 Byte enthalten.

Als die Arbeitsgruppe 11n für den nächstschnelleren WLAN-Standard eingerichtet wurde, gab es zwei Ansätze. Vor allem der WLAN-Chiphersteller Atheros propagierte und implementierte auch schon das so genannte Channel Bonding. Ein regulärer 11g-Funkkanal belegt einen Frequenzblock von rund 20 MHz. Atheros' einfache Formel lautet: Greife ich mir einen doppelt breiten Kanal, kann ich auch doppelt so viel Daten pro Zeit übertragen. Das funktioniert in der Praxis auch erklecklich gut.

WLAN-Kanalzuordnung im 2,4-GHz-Band
Kanalnummer Mittenfrequenz [MHz] Bereich [MHz]
1 2412 2401-2423
2 2417 2406-2428
3 2422 2411-2433
4 2427 2416-2438
5 2432 2421-2443
6 2437 2426-2448
7 2442 2431-2453
8 2447 2436-2458
9 2452 2441-2463
10 2457 2446-2468
11 2462 2451-2473
12 2467 2456-2478 (nur EU)
13 2472 2461-2483 (nur EU)

Verdreifacht man das benutzte Funkspektrum, wären auch schon die geforderten 100 MBit/s erreicht. Eine einfache Rechnung zeigt allerdings den Pferdefuß dieser Technik. In Europa ist im 2,4-GHz-Band, wo sich WLANs nach 802.11b und 802.11g tummeln, ein Block von 2400 MHz bis 2483 MHz für die Benutzung freigegeben. Die USA und Japan sind etwas restriktiver und geben nur 62 MHz frei.

Wegen der Überlappung kann man im gleichen Zimmer also drei WLANs ohne Störungen parallel betreiben (Kanal 1, 7, 13). Setzt man Channel Bonding ein, so verdoppelt sich die benötigte Bandbreite. Die legal nutzbaren Kanäle liegen dann zwischen 3 und 11, womit noch zwei WLANs parallel betreibbar wären. Um Problemen aus dem Weg zu gehen, legt Atheros beim Einsatz von Channel Bonding die Basisstation fest auf Kanal 6. Benutzt der Nachbar ebenfalls diese Frequenz, sind Störungen unausweichlich. Auch das systematische Abdecken eines größeren Bürogebäudes durch mehrere APs auf unterschiedlichen Kanälen ist so nicht möglich. Channel Bonding ist demnach eine egoistische Angelegenheit.

Bei 802.11a sind 40-MHz-Kanäle nicht ganz so kritisch, weil im 5-GHz-Band erheblich mehr Platz zur Verfügung steht. Dennoch könnte es auch dort bei der automatischen Kanalwahl (DFS, Dynamic Frequency Selection nach 802.11h) Probleme bereiten, weil es unbedingt zwei nebeneinander liegende Kanäle braucht.

Erfolgversprechender ist der parallelisierende Multiple-Input-Multiple-Output-Ansatz (MIMO). MIMO sendet zur gleichen Zeit über die gleichen Frequenzen mit mehreren Antennen, und zwar so, dass sich die einzelnen Übertragungen nicht stören.

Bei ausgeprägter Mehrwegeausbreitung, also hauptsächlich innerhalb von Gebäuden, erlaubt MIMO die Kapazität des Funkmediums theoretisch linear mit der Anzahl der Sender zu erhöhen: Doppelt so viele Sender bedeuten auch doppelt so viel Bandbreite. In der Praxis gibt es Verluste, weil das Auseinanderfieseln der Einzelsignale auf Empfängerseite nie hundertprozentig klappt. Innerhalb von Gebäuden erreicht man typischerweise eine Vervielfachung um 0,7×N, wobei N die Anzahl der parallel im Funkkanal laufenden Datenströme angibt. Ein 3×3-MIMO-System würde also das 2,1-fache eines gewöhnlichen WLANs erreichen.

MIMO ist die Kerntechnik des jetzt aktuell werdenden WLAN-Standards 802.11n, der zurzeit noch als Entwurf (Draft) läuft. Innerhalb der 11n-Arbeitsgruppe wurde bald klar, dass man auch die Effizienz des Medienzugriffsverfahrens steigern muss, damit vom MIMO-Turbo mehr Schub übrig bleibt. Als erste Maßnahme verkürzt 802.11n die Pause zwischen Paketen, die mittels Block ACK gesendet werden. Da hierbei nicht zwischen Senden und Empfangen umgeschaltet wird, gilt eine verkürzte Wartezeit von zwei Mikrosekunden (Reduced Interframe Space, RIFS).

Hilfreicher ist aber die oben erwähnte Packet Aggregation. 802.11n bietet zwei Arten: Einmal kann schon am Eingang zur MAC-Schicht zusammengefasst werden (A-MPDU) oder erst am Ausgang, wenn das Datenpaket zum Funkteil geht (A-MSDU). Weiterhin erlaubt 802.11n einer Station, Teile ihrer TXOP für Datenübertragung in umgekehrter Richtung abzutreten. Insbesondere bei TCP-Verkehr, bei dem die Bestätigung in höheren Schichten erfolgt, wirft das Effizienzgewinne ab. (ea/c't) (ea)