Energie-Marathon

Zwar versprechen die Hersteller seit Jahren einen Durchbruch bei den Brennstoffzellen, doch das Prototypen-Stadium hat bisher nur einer verlassen. Mit neuen Materialien bieten konventionelle Akkus einen Ausweg aus der Energiekrise.

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Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Dr. Jürgen Rink
Inhaltsverzeichnis

Den Strom in den meisten Mobilgeräten liefern Lithium-Akkus, weil sie mehr Energie pro Gewicht und Volumen liefern als alle anderen Energiespeicher im Kleinformat. Seit fast zehn Jahren steigt die Kapazität von Lithium-Ionen-Akkus bei gleichem Volumen um bis zu 10 Prozent pro Jahr auf derzeit maximal 160 Wh/kg an. Lithium-Polymer-Akkus speichern sogar bis 180 Wh/kg. Sie versorgen einige PDAs und Mobiltelefone, für Notebooks sind sie zu teuer.

Trotz der Fortschritte in der Akkutechnik gelten fünf Stunden Laufzeit für ein Notebook und einen PDA oder ein ständig laufendes Smartphone schon als Spitzenwerte. Für das vorausgesagte Ubiquitous Computing – überall online – und mögliche Anwendungsszenarien ist das zu wenig. Insbesondere bei den kleinen Mobiltelefonen und Smartphones wird es eng, wenn sie zukünftig Videos oder DVB-T-Fernsehen wiedergeben sollen. Die Featuritis der Kleinen mit Kamera, MP3-Fähigkeit und GPS wird zusätzlich zum Engpass bei der Laufzeit führen, dazu kommt das leistungshungrige WLAN. Besitzer kompakter Digitalkameras kennen das Dilemma der leeren Stromlieferanten schon und schleppen deshalb das Ladegerät oder gleich einen Ersatzakku mit.

Die Hersteller reagieren zum einen mit Strom sparender Hardware; insbesondere Display und CPU verbrauchen wesentlich weniger Energie als vor ein paar Jahren. Doch eine Alternative zur Flüssigkristalltechnik ist bei den immer noch stromhungrigen Displays noch nicht in Sicht – farbige OLEDs in ausreichender Größe wird es auch nächstes Jahr nicht geben. Farbiges elektronisches Papier (Anzeige ohne Strom) steht in noch weiterer Ferne.

Die andere Möglichkeit zur Lösung des Akku-Problems liegt darin, nach Alternativen zu Li-Ion-Stromlieferanten zu suchen. Hier sind seit zwei Jahren Miniatur-Brennstoffzellen in aller Expertenmunde. Die wichtigen Hersteller von mobilen Akkus beteiligen sich intensiv an dieser Technik. Die Japaner Matsushita, Sanyo, Toshiba und Sony dominieren mehr als 90 Prozent des Lithium-Ionen-Markts – und alle vier haben bereits Brennstoffzellen-Prototypen vorgestellt. Ist das der Energielieferant, der sorgenfreies Mobile Computing möglich macht?

Wie Batterien auch sind Brennstoffzellen galvanische Elemente, die mit chemischen Reaktionen Elektronen liefern. Sie geben kontinuierlich Strom, solange ein Brennstoff und ein Oxidationsmittel fließen. Als Brennstoffe kommen Wasserstoff, bei den Zellen für Mobilanwendungen wasserstoffreiche Kohlenwasserstoffe wie Methanol zum Einsatz. Das Oxidationsmittel ist meist Sauerstoff aus der Umgebungsluft. Praktische und marktrelevante Bedeutung haben derzeit nur die Direktmethanolbrennstoffzelle (DMFC) und die so genannte PEM-Zelle, die Wasserstoff nutzt. In der DMFC (Direct Methanol Fuel Cell) strömt Methanol zur Elektrode. Eine einzelne Zelle – DMFC wie PEM – erzeugt weniger als einen Volt an Spannung, deshalb schaltet man mehrere Zellen zusammen.

Die fortschreitende Miniaturisierung von Pumpen, Lüftern und anderen Komponenten lässt in absehbarer Zeit auf marktreife Produkte hoffen. Analysten von Allied Business Intelligence (ABI) glauben, dass nicht in Fahrzeugen oder Wohnhäusern die ersten serienreifen Produkte stecken werden, sondern Brennstoffzellen für mobile Anwendungen mit großem zeitlichen Vorsprung die Marktreife erreichen. In der Studie "Micro Fuel Cell End User Markets" mit Daten aus 2002 erwartete ABI die ersten Produkte für 2004.

Toshiba, Smart Fuel Cell mit Medion und Consel, NEC, Fraunhofer ISE mit Masterflex und andere haben jedoch nur Prototypen für Notebook-Antriebe mit Brennstoffzellen vorgestellt, Wo sind die für 2004 und 2005 versprochenen Produkte? Nach wie vor feiert die Branche ein einziges marktreifes, mobiles Brennstoffzellensystem, das viel zu groß für Notebook- oder PDA-Einsätze ist. Die SFC A50 der deutschen Firma Smart Fuel Cell wiegt mit externem Brennstofftank über 10 kg und ist für Camping-Mobile als Ersatz für den lauten und stinkenden Diesel-Generator gedacht oder für Segelboote.

Die Gründe, warum die beteiligten Unternehmen mittlerweile viel leiser trommeln als noch letztes Jahr, sind nicht neu. Kein einziger Prototyp in Akkugröße erreicht die Energiedichte von über 150 Wh/kg für Lithiumionen-Akkus. Konkurrenzfähig werden sie nur, wenn ein Gerät sehr lange mit Strom betrieben werden muss. Denn je mehr Brennstoff das System hat, desto günstiger sieht die Energiebilanz aus: Will man 15 bis 20 Stunden Notebook-Versorgung, dann muss man fünf 60-Wh-Li-Ion-Akkus mitnehmen – die Energiedichte von 150 Wh/kg bleibt konstant, egal wie viele Akkus man dabei hat. Ganz anders bei Brennstoffzellen: Toshibas System liefert 120 Wh mit 100 ml Methanol. Für 300 Wh braucht man nur zwei weitere Methanolpatronen, was zu einer Energiedichte von 286 Wh/kg führt – ein Wert, den Li-Ion-Akkus derzeit nicht erreichen.

Auch die Gewichtsbilanz spricht bei 300 Wh für die Zelle: 2000 Gramm Li-Ion-Akkus stehen nur 1200 Gramm gegenüber. Das Zahlenbeispiel macht natürlich nur dann Sinn, wenn fern von den Steckdosen keine Möglichkeit besteht, die Li-Ion-Akkus wieder aufzuladen. Kein Wunder, dass die ersten Lösungen externe Boxen mit relativ großen Tanks sind. In den nächsten Jahren werden in Notebooks und PDAs nach wie vor Lithiumionen-Akkus stecken, wenn aber Laufzeiten ab zehn Stunden gefordert sind, im Außeneinsatz etwa oder in Nischenmärkten, dann sind die Brennstoffzellen schon beim jetzigen Entwicklungsstand konkurrenzlos – aber sie sind noch nicht klein genug für Smartphones, sondern passen eher in einen Notebook-Koffer.

Selbst wenn die Miniaturisierung weiter fortschreitet und die Energiedichte pro Volumen die von Li-Ion-Akkus überflügelt, kann ein Brennstoffzellen-System nicht einfach in ein Mobilgerät gesteckt werden. Der schlechte Wirkungsgrad der Zellen steht dem entgegen. Experten sehen die Höchstgrenze bei 50 Prozent, die aktuellen portablen Systeme kommen nur auf 13 bis 25 Prozent. Jedes portable Brennstoffzellensystem erzeugt also heute mehr Wärme als elektrische Energie. Erst wenn der Wirkungsgrad nahe 50 Prozent liegt und ein Notebook weniger als 10 W braucht, kann man über den Einbau nachdenken, doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Ach ja, der Entladewirkungsgrad von Lithiumionen-Akkus liegt bei 90 Prozent ...

Nicht nur die technischen Probleme, zu der auch eine zu geringe Lebensdauer zählt, verhindern Brennstoffzellen in kleinen Mobilgeräten, sondern auch Herausforderungen wie die Sicherheit im Flugzeug, wenn Passagiere ihre Methanaolfläschchen mitnehmen wollen. Verfügbarkeit und Standardisierung von Patronen werden unter anderem von asiatischen Unternehmen vorangetrieben, ein Ergebnis zeichnet sich aber noch nicht ab.

Es ist völlig unklar, wie alle diese Herausforderungen in den nächsten jahren gemeistert werden sollen. Statt von 2004 oder 2005 als Startjahr für die neuen Stromlieferanten für Mobilgeräte reden die Auguren jetzt vorsichtig von 2007 oder 2008 – soll heißen, die mobile Brennstoffzellentechnik bewegt sich nach dem Hype der letzten zwei Jahre in ruhigerem Fahrwasser und wohin das führt, weiß zur Zeit niemand.

Einen ganz anderen Ansatz verfolgt ein deutsches Forscherteam des Hamburger Unternehmens Ormecon (www.ormecon.de), das in Australien wiederaufladbare Akkumulatoren vorgestellt hat, die aus hochkapazitären Kondensatoren bestehen. Diese Superkondensatoren sollen eine Energiedichte von etwa 200 Wh/kg haben und damit die von Brennstoffzellen und Lithiumionen-Akkus weit übertreffen. Die Kondensator-Akkus kommen, so behaupten die Wissenschaftler, ganz ohne giftige oder ätzende Stoffe wie Schwefelsäure, Schwermetalle oder Phenole aus. Sie sollen im Wesentlichen aus einem speziell vorbereiteten, leitfähigen Material namens Polyanillin, Metall und einfachem Ethylalkohol bestehen.

Derzeit viel versprechender als Kondensatoren und Brennstoffzellen sind Weiterentwicklungen der etablierten Akkutechnik. Das vorausgesagte Limit der Energiedichte bei Lithiumionen-Akkus wird wohl demnächst von der Realität eingeholt und Lithiumpolymer-Akkus werden von Jahr zu Jahr deutlich leistungsfähiger. Und wenn es gar nicht anders geht, wird die Mobile Computing Branche auch Billiggeräte subventionieren, die mit teuren Li-Polymer-Akkus laufen.

Neue Materialien aus dem weiten Feld der Nanotechnologie werden derzeit für den Einsatz in herkömmlichen Akkus erforscht, um die Energiedichte nach oben zu treiben. Gelingt das, sieht es noch schlechter für die Brennstoffzellen aus. Altair Nanotechnologies behauptet, mit dem Einsatz von neuen Materalien für Elektroden die Leistung von Li-Ion-Zellen zu verdreifachen und die Ladezeit von Stunden auf Minuten zu verringern. Als wäre das nicht genug, soll die maximale Anzahl von Ladezyklen mehrere tausend statt wie bisher mehrere hundert betragen. Man sieht, in dem Geschäft gibt es viel zu verdienen. Ähnliches behauptet Toshiba: Ihr im April 2005 vorgestellter Lithiumionen-Akku soll nach einer Minute Ladezeit bereits 80 Prozent seiner Kapazität ereichen. Der Ladevorgang würde damit bis zu 60-mal schneller ablaufen als bislang bei Li-Ion-Akkus üblich. Die Produktion soll 2006 starten.

Herzstück von Toshibas Li-Ion-Akkus ist eine Anode aus Lithium-Kobaltoxid statt aus Kohlenstoff, wie sonst bei Lithium-Ionen-Akkus üblich. Ein besonderes Elektrolytmaterial sowie Teilchen von einigen hundert Nanometern Durchmesser, die die Anode gleichmäßig überziehen, sollen während des Ladevorgangs für die rasante Übertragung vieler Lithium-Ionen auf die Kathode sorgen.

Kleinere Brötchen backt man bei Texas Instruments. Das Unternehmen hat letztes Jahr eine Messtechnik vorgestellt, mit der sich die Restkapazität von Lithium-Ionen-Akkus exakter als bislang bestimmen lässt, was der Laufzeit zu gute kommt. Es sind kleine Fortschritte wie diese, die die Energiedichte nach oben treiben. Wie auch immer, das Ende der Lithium-Ionen-Akutechnik wurde wohl zu früh ausgerufen. (jr) (ll)