Hochzeit mit Hindernissen

Die in Microsofts Servicepack 2 für Windows XP enthaltene Bluetooth-Software verhindert die Installation von Bluetooth-Hardware, die mit dem Widcom-Stack arbeitet. Wir zeigen den Weg zu einem friedlichen Miteinander auf.

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Mit dem Service Pack 2 hat Microsoft weitgehend unbemerkt den eigenen Bluetooth-Stack in Windows XP eingepflanzt. Das führt in Kombination mit "fremder" Bluetooth-Software zu unerwarteten Problemen. Wir zeigen, wie aus der "Funk-Störung" mit wenigen Handgriffen eine Bereicherung wird.

Bitte beachten Sie zu diesem Thema auch den Artikel Kaltgestellte Nahfunker.

Eigentlich hat Microsoft schon seit Ende 2002 eine eigene Bluetooth-Software, einen Stack für den Kurzstreckenfunk Bluetooth. Doch diese erste Version war nur zusammen mit einem hauseigenen Bluetooth-USB-Stecker nebst -Maus und -Tastatur als Nachrüstoption erhältlich. Großen Zuspruch erntete sie nicht, denn mit nur wenigen Bluetooth-Profilen kam sie bei weitem nicht an den Funktionsumfang heran, den die Firma Widcomm mit ihrem Stack bot. Auch heute bringt daher nahezu jede Bluetooth-Erweiterung für PCs den Widcomm-Stack mit, den OEM-Anbieter lizenzieren.

Die ergonomisch verbesserte und auch profilseitig erweiterte Version 2.0 seines Stacks hat Microsoft bereits Ende 2003 aufgelegt (siehe Tabelle), sie kommt aber erst jetzt im Paket mit dem Service Pack 2 zum Zuge. Der gut gemeinte Nachschuss gerät jedoch zum Querschläger, weil er Widcomms Software ungefragt die Kontrolle entreißt.

Wenn man, wie in den Anleitungen heute gängiger Adapter beschrieben, die Widcomm-Software auf Windows XP mit Service Pack 2 installiert und dann den zugehörigen USB-Dongle einsteckt, wird er vom Betriebssystem kurzerhand eingerichtet, und es gibt keine Rückfragen oder präzise Hinweise, was eigentlich vor sich geht. Nur am Ende des Vorgangs steigt eine Textblase aus dem System-Tray auf und meldet, dass man das neue Gerät benutzen könne.

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Microsofts Bluetooth-Software ist nun endlich auch zur Übertragung von Dateien geeignet.

Es scheint alles in Ordnung, denn dass Microsofts Bluetooth-Stack bereits auf dem PC eingerichtet ist und der Adapter just diesem zugeordnet wurde, verschweigt Windows. Dass "irgendetwas" dennoch nicht in Ordnung ist, dämmert, wenn man im System-Tray neben einem weiß-blauen Bluetooth-Icon noch ein rot-blaues bemerkt – und mit dem roten B weist Widcomm darauf hin, dass der Stack nicht betriebsbereit ist.

Natürlich könnte man alles so belassen, wie es ist – Bluetooth funktioniert schließlich auch mit Microsofts Steuerung. Man kann drahtlos surfen, tippen und mausen, drucken und auch endlich Dateien übertragen oder Ad-hoc-Netzwerke bilden. Manches ist wie bei anderen Bluetooth-Stacks für Windows: Beispielsweise kann man auch mit Microsofts Stack immer nur einen Adapter steuern. Und manches ist gewöhnungsbedürftig. So klappt der Empfang von Dateien grundsätzlich erst dann, wenn man die Empfangsfunktion per Hand einschaltet – sonst zeigt Microsofts Stack den Gegenstellen gar nicht erst an, dass er diesen Dienst beherrscht, und deshalb brechen die Sender ihre Übertragungsversuche ab.

Schwerwiegender dürfte sein, dass der Redmondschen Software etliche Bluetooth-Profile fehlen. Wer zum Beispiel schnurlos per Headset und via Voice over IP telefonieren will, braucht Widcomms Software. Doch wenn Microsofts Bluetooth-Stack einmal in Betrieb ist, kommt er fortan grundsätzlich zum Zuge, auch wenn man ihn deaktiviert oder deinstalliert, die Widcomm-Software erneut einrichtet oder einen zweiten Dongle in den Rechner steckt (es gibt nur einige Bluetooth-Erweiterungen, die der Stack nicht behelligt, siehe Kaltgestellte Nahfunker).

Bei anderen Bluetooth-Steckern variieren nur die Symptome. Setzt man etwa einen Adapter ein, der mit einem Blutonium-Chipsatz von Broadcom ausgerüstet ist (Belkin- oder Tecom-Stecker zum Beispiel), fragt Windows nach, ob es die erforderliche Software automatisch installieren soll. Vermutlich wird dieses Verhalten dadurch ausgelöst, dass Blutonium-Chipsätze für den Betrieb eine Firmware benötigen, die zur Startzeit von der Festplatte in den Dongle kopiert werden muss. Wenn man die automatische Einrichtung genehmigt, laufen alle weiteren Schritte wie geschildert ab und am Ende ist wiederum Microsofts Stack eingerichtet, nicht aber der umfangreichere und mit dem Funk-Stecker gekaufte.

Microsoft schildert dieses Problem im Knowledge-Base-Article 841799 (Bluetooth device installation may not work without any notification), ohne allerdings die Ursache zu erklären – und die liegt einfach darin, dass Widcomms Stack nicht zertifiziert ist, sehr wohl aber Microsofts mit SP2 installierter Stack. Lässt man XP die Wahl, zieht es den zertifizierten Treiber kommentarlos vor.

Ohne Persil-Schein

Betroffen sind laut Microsoft alle Bluetooth-USB-Adapter mit 1.x-Widcomm-Versionen. Das stimmt weitgehend, wenn auch nicht ganz mit unseren Erfahrungen überein, siehe Betroffene Dongles. Eine Problemlösung bietet Microsoft nicht an, sondern rät, den Hersteller nach einem Update zu fragen. Widcomms nächste Stack-Version 3.0 soll zwar mit einem zertifizierten Treiber ausgeliefert werden, noch ist aber unklar, wann sie kommt.

Wir stellen daher eine – überraschend simple – Methode vor, mittels der man einem Adapter auch aktuelle Widcomm-Stacks ohne Persil-Schein zuweisen kann. Sie lässt sogar die Wahl, welchen der beiden Stacks man gerade benutzen will.

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Rückwärtsgang: Wie man einen unsignierten Treiber einschaltet, obwohl ein signierter bereits aktiv ist.

Zunächst installiert man die Widcomm-Software und den Adapter wie im Handbuch beschrieben und ignoriert etwaige Fehlermeldungen – der Adapter ist also an Microsofts Stack gebunden und im System-Tray sind zwei Bluetooth-Icons.

Nun öffnet man im Gerätemanager (Systemsteuerung, System, Hardware) den Abschnitt Bluetooth-Funkgeräte und wählt darin den Eintrag "Generic Bluetooth Radio" aus (alternativ bei Dongles mit Blutonium-Chipsatz "Blutonium BCM2035 ...").

Mit der rechten Maustaste lässt man das Menü aufklappen und selektiert "Treiber aktualisieren". Daraufhin startet der Hardwareupdate-Assistent. Darin muss man der Reihe nach drei Optionen auswählen, bevor er die entscheidende Auswahl präsentiert: Zunächst "Nein, diesmal nicht" anklicken, dann "Software von einer Liste oder bestimmten Quelle installieren" und schließlich "Nicht suchen, sondern den zu installierenden Treiber selbst wählen".


Profile des Microsoft-Bluetooth-Stacks
Bezeichnung typische Gegenstellen
DUN-DT Modems oder ISDN-Adapter
HCRP-Client Drucker
HID-Host Maus und Tastatur
neu in Version 2.0
PAN-AP PCs, Notebooks, PDAs
PAN-Group PCs, Notebooks, PDAs
SerialDevA (*1) Modems, Drucker
SerialDevB (*2) PDAs, Handys
OPP Client (*1) Handys, PDAs, PCs
OPP Server (*2) Handys, PDAs, PCs
(*1): Senderichtung (*2): Empfangsrichtung

Danach zeigt der Assistent ein Dialogfenster mit zwei Treibereinträgen. Der erste und gerade aktive stammt von Microsoft und heißt in der Regel "Generic Bluetooth Radio" (bei Funk-Steckern mit Blutonium-Chipsatz wird "Blutonium BCM2035 ..." verwendet). Man erkennt beide auch daran, dass sie zertifiziert sind (grüne Häckchen). Um den Widcomm-Stack zu aktivieren, muss man den nicht-zertifizierten Treiber auswählen. Der heißt in den meisten Fällen "CSR USB Bluetooth Device" (alternativ auch "Broadcom USB Bluetooth Device"). Dann klickt man auf "Weiter" und schlägt etwaige Mahnungen wegen unzertifizierter Software in den Wind. Nach einigen Sekunden verschwindet Microsofts Bluetooth-Icon aus der Taskleiste und das nervöse rote B von Widcomms Icon wird weiß – fertig. Jetzt kann man den Widcomm-Stack benutzen.

Rückführung

Das Verfahren greift ohne Neustart des Rechners auch in umgekehrter Richtung, sodass man den Funker anschließend wieder mit Microsofts Stack steuert.

Damit eröffnen sich interessante Optionen. Man kann etwa zwei Bluetooth-Adapter unter Windows betreiben, obwohl sie beide mit Widcomms Stack geliefert wurden. Da sich alle bisher erhältlichen Stacks für Windows nur in einer Instanz auf dem PC installieren lassen, kann man normalerweise nur einen Funk-Stecker an einem PC betreiben, mit der neuen Option jedoch einen zweiten mit Microsoft-Steuerung nutzen.

Das kann notwendig sein, wenn mehrere angekoppelte Gegenstellen, etwa DSL-Modem, Headset, PDA, Tastatur und Maus gleichzeitig mit dem PC kommunizieren sollen und dabei naturgemäß für das DSL-Modem zu wenig Funk-Bandbreite übrig bleibt, die Surf-Geschwindigkeit also zu weit herabsinkt. Dann spendiert man für die Anbindung des DSL-Modems an den PC einen zweiten Bluetooth-Adapter, sodass die beiden in ihrem eigenen Pico-Netz die volle Bluetooth-Bandbreite von 723,2 kBit/s ausschöpfen können. Wenn die Adapter unterschiedliche Reichweiten haben, empfiehlt es sich, an den mit der kurzen Reichweite Maus, Tastatur und andere Peripheriegeräte anzubinden, die ohnehin meist in der Nähe des PC sind. Dann lässt sich ein Modem im Flur oder Nebenzimmer aufstellen und über den Bluetooth-Stecker mit der größeren Reichweite ankoppeln.

Auch dürften die Stack-Schaltung jene Anwender begrüßen, die Widcomms Software bereits vor dem SP2 eingerichtet haben, aber meiden wollen – sei es, weil sie die Bedienung zu umständlich finden oder seit Bekannt werden einer schwerwiegenden Sicherheitslücke Vorsichtsmaßnahmen gegen mögliche Bluetooth-Würmer treffen möchten. Widcomm ist dieser Schwachpunkt zwar seit Ende 2003 bekannt, aber man will keinen Patch für aktuelle Versionen bereitstellen, sondern hofft anscheinend, dass sich die kommende, bereits abgedichtete Version 3.0 verbreitet, bevor Bluetooth-Würmer entwickelt werden, die die Schwachstelle nutzen könnten.

Wer einem Adapter Microsofts Stack zuweisen will, muss lediglich beachten, dass Widcomms Treiber in der Gruppe der USB-Controller einsortiert sind (natürlich muss dieser Stecker auch in Microsofts Liste der unterstützten Geräte aufgeführt sein). Dort wählt man also das "CSR Bluetooth USB Device", öffnet mit der rechten Maustaste das Menü und wählt "Treiber aktualisieren" aus – der Rest geht dann analog zum Abschnitt oben.

Wir raten allerdings davon ab, ständig zwischen den Stacks zu wechseln, denn Programme, die über Bluetooth-Com-Schnittstellen kommunizieren, könnten auf den Wechsel respektive auf eben noch vorhandene und dann verschwundene Com-Ports allergisch reagieren (etwa Synchronisationsprogramme von Handy-Herstellern).

3Com-Kalamitäten

Den USB-Stick 3CREB96 von 3Com rührt der MS-Stack zwar nicht an, doch wenn man ihn einrichten will, nachdem SP2 bereits auf dem Windows-XP-Rechner installiert ist, knirscht es: 3Coms Installationsassistent hängt nach dem Start fest ("Betriebssystem und Dateien werden überprüft" – und zwar anscheinend so lange, wie Strom fließt). Das Programm lässt sich nur per Neustart beenden. Laut Auskunft von 3Com sind für das schon betagte und nicht mehr produzierte 3CREB96 keine Updates geplant.

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Die für Windows 2000 entwickelten Bluetooth-Treiberdateien für den 3Com-Dongle funktionieren auch unter XP mit SP2.

Mit etwas Handarbeit und Geduld kann man die Software jedoch auch per Hand einrichten: Man folgt nicht der Anleitung, sondern steckt den Dongle ohne vorherige Software-Installation in den USB-Port. Dann startet nämlich der "XP-Assistent für das Suchen neuer Hardware", und den lässt man die "Software von einer Liste oder bestimmten Quelle installieren". Die für XP erforderlichen Treiber befinden sich auf der 3Com-CD im Ordner "Drivers.W2K". Lästig ist allerdings, dass man dem Installer immer wieder aufs Neue den Weg weisen und die Einrichtung von nicht-signierten Komponenten genehmigen muss.

Ist die Treiber-Software auf der Platte, muss man die grafische Bedienoberfläche einrichten, also per Hand die Datei BT3CInst_gr aus dem Ordner German\BTSW der 3Com-CD starten und den Connection Manager installieren. Wer über den 3Com-Stick drahtlos surfen will, braucht noch das Bluetooth-Modem-Skript von 3Com. Das richtet man so ein: In der Systemsteuerung das Kontrollfeld "Telefon- und Modem-Optionen" öffnen und ein neues Modem hinzufügen, das den 3Com Bluetooth DUN Client nutzt. Da sich das benötigte Modem-Skript auf der 3Com-CD befindet, klickt man im Hardware Assistenten auf Modem auswählen und dann auf Datenträger, um das Skript aus dem CD-Verzeichnis Drivers.W2K einzulesen. Schließlich weist man dem Skript den von 3Com dafür vorgesehenen Bluetooth-Com-Port zu.

Die übrigen Schritte zur Nutzung des 3Com-Bluetooth-Modems (also Einrichtung eines DFÜ-Profils in den Netzwerkverbindungen, Auswahl des 3Com-Modems im DFÜ-Netzwerk sowie Auswahl der Bluetooth-Gegenstelle) entsprechen weitgehend den Beschreibungen in der Online-Bedienungsanleitung von 3Com. (dz)