110.000 Familienunternehmen suchen Nachfolger

In Deutschland suchen weniger Familienunternehmen einen Nachfolger, als bisher angenommen. Erstmals wurde auch untersucht, wie sich eine anstehende Übertragung auf Investitionsverhalten, Finanzierung und Unternehmensentwicklung auswirken.

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Von
  • Marzena Sicking

Seit Beginn der 90er Jahre beobachtet das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn die Entwicklung bei den anstehenden Unternehmensübertagungen in Deutschland. Mit Hilfe von seit kurzem verfügbaren neuen Datenquellen und einer verbesserten Methodik, kommt das IfM zu dem Ergebnis (PDF), dass die Nachfolgefrage im Zeitraum von 2010 bis 2014 für knapp 110.000 Familienunternehmen relevant sein wird, das sind rund drei Prozent aller Familienunternehmen in Deutschland und deutlich weniger, als von den Statistikern bislang angenommen.

Wie die Untersuchung zeigt, suchen damit 22.000 Firmen pro Jahr einen Nachfolger, insgesamt werden davon auch 1,4 Millionen Beschäftigte (287.000 Beschäftigte pro Jahr) betroffen sein. Den häufigsten Übergabegrund stellt dabei mit einem Anteil von 86 Prozent das Erreichen des Ruhestandsalters dar, gefolgt durch Übergaben aufgrund von Tod (10 Prozent) und Krankheit des Eigentümers (4 Prozent).

Unter Einbeziehung des KfW-Mittelstandspanels wurde außerdem erstmals die These überprüft, wie sich eine bevorstehende Übergabe auf das Investitionsverhalten, Finanzierung und Unternehmensentwicklung auswirkt, solange der Alteigentümer noch an Bord ist.

Ergebnis: Unternehmen investieren im Jahr vor einer geplanten Übergabe deutlich seltener und weniger als die Unternehmen, die keine Übergabe geplant haben. Aus der Sicht des Alteigentümers kann das Unterlassen von Investitionen vor der Unternehmensübergabe durchaus rational sein, insbesondere in Bezug auf langfristige Investitionsentscheidungen. Denn bei langfristigen Investitionen kann er nicht davon ausgehen, dass der "Nachfolger" die gleichen Erwartungen bezüglich der zukünftigen Erträge aus der Investition hegt und dies im Kaufpreis entsprechend honoriert. Nach dem Rückzug des Altunternehmers ziehen die Investition wieder stark an. Dabei löst sich der vor der Übergabe aufgebaute Investitionsstau bereits im Jahr nach der erfolgten Übernahme weitgehend auf.

Wie die Untersuchung weiter zeigt, gibt es keine Fakten, die die Annahme untermauern, dass Banken Kreditanfragen besonders oft ablehnen, wenn eine Unternehmensübernahme bevorsteht bzw. eine solche Übernahme stattgefunden hat. Vielmehr scheint es eher so zu sein, dass Kreditinstitute das Nachholen von zuvor unterlassenen Investitionen als sichernde Maßnahme mit Krediten honorieren.

Aus den Analysen geht auch hervor, dass nach einer Unternehmensübergabe in der Regel eine Neuausrichtung des Unternehmens durch den Übernehmer angestrebt wird. Dabei gelingt es dem Neueigentümer meistens tatsächlich neue Wachstumsmöglichkeiten zu erschließen, was sich in höheren Umsatzwachstumsraten widerspiegelt.

Bislang ging man von deutlich mehr Famillienunternehmen aus, die dringend einen Nachfolger suchen. Allerdings darf man aufgrund der neuen Zahlen auch nicht davon ausgehen, dass sich die Lage im Markt entspannt hat. Vielmehr haben sich die Berechnungsgrundlagen der Statistiker geändert: Erfasst werden hier nur alle "übernahmewürdigen Unternehmen", das heißt, Betriebe, die über eine hinreichende Substanz verfügen, um für mögliche Nachfolger wirtschaftlich attraktiv zu sein. Bisher wurde dafür einfach ein Jahresumsatz von 50.000 Euro angesetzt. Mittlerweile liegen den Statistikern auch Informationen zu den Gewinnen der Unternehmen vor. Nun gilt ein Unternehmen erst als "übernahmewürdig", wenn es mindestens einen Jahresgewinn in der Höhe eines durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommens zuzüglich des Arbeitgeberanteils zur Sozialversicherung (derzeit: rund 49.500 Euro) sowie einer marktüblichen Verzinsung des eingesetzten Kapitals erwirtschaftet. Diese Bedingung erfüllen deutlich weniger Unternehmen. (Marzena Sicking) / (map)
(masi)