Abmahnung: Pauschalvorwürfe sind unzulässig

Ein Mitarbeiter, der seine vertraglichen Pflichten verletzt, riskiert eine Abmahnung. Damit diese arbeitsrechtlich wirksam ist, müssen einige inhaltliche Formalien beachtet werden. Wird das versäumt, ist die Abmahnung unwirksam – selbst wenn der Pflichtverstoß zweifelsfrei feststeht.

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Von
  • Marzena Sicking

Schwammig und unpräzise formulierte Abmahnungen sind unzulässig und müssen aus der Personalakte entfernt werden – auch wenn einem Arbeitnehmer tatsächlich eine konkrete Pflichtverletzung vorgeworfen werden kann. Dies hat das LAG Düsseldorf in einem Urteil (Az.: 9 Sa 194/09) bestätigt.

Ein Mitarbeiter des Ordnungsamts Viersen hatte gegen seine Verschwiegenheitspflicht verstoßen, in dem er einem Kollegen von einem Bußgeldverfahren gegen die Rechnungsprüfung der Stadt berichtete. Daraufhin wurde er von seinem Arbeitgeber abgemahnt. Allerdings enthielt die Abmahnung keine ausreichenden Angaben zu den angeblichen Pflichtverletzungen, insbesondere wurde nicht konkret genug dargestellt, gegen welche Vorschriften zur Geheimhaltung der Mitarbeiter verstoßen hatte (im zu beurteilenden Fall kamen mehrere in Betracht).

Nach Ansicht der Richter am Landesarbeitsgericht Düsseldorf genügte dies, um der Klage auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte stattzugeben. Ein Arbeitnehmer müsse einer Abmahnung unzweifelhaft entnehmen können, was sein Fehlverhalten war und gegen welche Rechtsvorschrift er konkret verstoßen hat, so die Begründung. Diese Hinweisfunktion sei nicht erfüllt, wenn man es dem Arbeitnehmer überlasse, zu ermitteln, aus welcher Regelung sich die Pflichtwidrigkeit ergeben habe. Erforderlich sei vielmehr, dass der Arbeitgeber eine exakte Erklärung für die Pflichtverletzung abgibt und auch erklärt, welche rechtlichen Schlussfolgerungen daraus gezogen wurden.

Fazit: Eine Abmahnung, die den Erfordernissen des Abmahnrechts nicht genügt, ist letztendlich unwirksam. Der Arbeitnehmer hat einen einklagbaren Anspruch darauf, dass eine solche rechtswidrige Abmahnung aus seiner Personalakte entfernt wird.

Dr. Christian Salzbrunn arbeitet als Rechtsanwalt in Düsseldorf. Seit 2006 betreibt er eine eigene wirtschaftsrechtlich ausgerichtete Anwaltskanzlei. Zu den Tätigkeitsschwerpunkten der Kanzlei zählen das Arbeitsrecht, der Gewerbliche Rechtsschutz und der Einzug von offenen Forderungen. Überwiegend jedoch berät und vertritt Herr Dr. Christian Salzbrunn mittelständische Unternehmen und Arbeitnehmer bundesweit auf dem Gebiet des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts.

Warum eine Abmahnung selbst dann unwirksam sein kann, wenn der Pflichtverstoß feststeht, erklärt Rechtsanwalt Dr. Christian Salzbrunn. So habe die arbeitsrechtliche Abmahnung in der Regel drei Funktionen: eine Dokumentations-, eine Beanstandungs- bzw. Hinweis- und eine Warnfunktion: Sie soll den Arbeitnehmer auf seine Pflichtverletzung aufmerksam machen und den Vorfall festhalten, ihm aber auch die Gelegenheit geben, das abgemahnte Verhalten abzustellen und so eine drohende Kündigung abzuwenden. Die Warnfunktion beinhaltet schließlich die Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung – fehlt diese, könne lediglich von einer "Ermahnung" gesprochen werden, die für eine nachfolgende Kündigung nicht ausreicht.

"Aus diesen drei Funktionen ergibt sich auch der notwendige Inhalt einer arbeitsrechtlichen Abmahnung", erklärt Dr. Christian Salzbrunn. "Zum einen muss der Sachverhalt des Pflichtverstoßes konkret, präzise und so detailliert wie möglich dargestellt werden. Es genügt nicht, wenn in der Abmahnung pauschal auf bekannte Vorkommnisse oder auf wiederholte Pflichtverletzungen verwiesen wird. Zum anderen muss das Verhalten des Arbeitnehmers als nicht vertragsgemäß gerügt werden. Es muss deutlich werden, dass der Arbeitgeber weitere entsprechende Pflichtverstöße von Seiten des Arbeitnehmers nicht tolerieren wird. Unerlässlich wird demzufolge die Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen." Aufgrund der geltenden Warnfunktion müssten für den Wiederholungsfall auch Hinweise gegeben werden, aus denen sich deutlich ergibt, dass der weitere Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet ist. "Zwar muss nach der bestehenden Rechtsprechung das Wort "Kündigung" nicht unbedingt fallen, gleichwohl empfehlen sich für die Praxis trotzdem derart nachhaltige Formulierungen."

Die Notwendigkeit einer Abmahnung vor dem Ausspruch einer Kündigung folgt aus dem so genannten Ultima-Ratio-Prinzip. Es besagt mit einfachen Worten, dass eine arbeitsrechtliche Kündigung immer nur das letzte Reaktionsmittel eines Arbeitgebers darstellen kann. Dieser ist vielmehr gehalten, einen Arbeitnehmer mittels einer Abmahnung zur Abkehr von einem pflichtwidrigen Verhalten zu bewegen. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgt außerdem, dass nur erhebliche und auch nur objektiv tatsächlich vorhandene Pflichtverstöße abgemahnt werden können, Bagatellfälle dagegen nicht.

Als Fazit aus dieser Entscheidung bleibe festzuhalten, dass das Abmahnrecht aufgrund seiner vielschichtigen Voraussetzungen oft nur schwer zu durchschauen ist: "Deshalb erweisen sich in gerichtlichen Verfahren immer wieder viele Abmahnungen als Stolperstein für eine spätere Kündigung, die im Falle der Wiederholung des Pflichtverstoßes gegenüber dem bereits abgemahnten Mitarbeiter ausgesprochen wird", erklärt Dr. Christian Salzbrunn. Denn wenn das pflichtwidrige Verhalten zuvor nicht ordnungsgemäß abgemahnt worden ist, könne darauf im Wiederholungsfall auch keine rechtmäßige Kündigung aufgebaut werden: "Von daher ist Arbeitgebern anzuraten, auf die erforderlichen Formalien für eine Abmahnung ein ganz besonderes Augenmerk zu richten und in Zweifelsfällen einen entsprechenden fachlichen Ratschlag einzuholen." (masi)