Cloud als Chance für den Channel

Unklare Angebote und Komplexität beim Betrieb von 'X-as-a-Service-Lösungen' spielen Systemhäusern und IT-Dienstleistern in die Hände.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Matthias Parbel
Inhaltsverzeichnis

Unter den über 350 IT-Providern, die derzeit unter der Flagge "Cloud" segeln, gibt es nur 109 Anbieter, die über "...ein ernst zu nehmendes Portfolio im Bereich Cloud Computing" und relevante Lösungen für den deutschen Markt verfügen. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie 'Cloud Vendor Benchmark 2012' der Experton Group. Die Analysten untersuchten und bewerteten insgesamt 16 Kategorien, mit Schwerpunkten auf Infrastruktur- und Plattformservices, Technologie, Integration und Consulting sowie SaaS (Software as a Service).

Cloud Vendor Benchmark 2012

(Bild: Experton Group)

Was manchem Cloud-Anbieter wehtun dürfte, bedeutet indes gute Nachrichten für den Channel: "Gerade mittelständische und große Unternehmen sind nur in Teilen bzw. für bestimmte Workload-Klassen bereit, ihre Rechenleistung von Public IaaS-Plattformen zu beziehen. Es besteht meist die klare Anforderung nach gemanagten Umgebungen, deren SLAs denjenigen des klassischen Enterprise Hostings ähneln", berichtet Dr. Carlo Velten, Senior Advisor der Experton Group und Co-Autor der Studie. "Hinsichtlich der Cloud-Betriebsmodelle – sprich der Art und Weise, wie die zugrundeliegenden IT-Infrastruktur-Stacks aufgebaut und betrieben werden – hat die betriebliche Realität mittlerweile die 'reinen' Visionen der Cloud-Pioniere eingeholt", so Velten weiter.

Klartext: Das Grundkonzept der Cloud, 'Ressourcen teilen und dadurch signifikante Kostenvorteile erzielen', greift hierzulande nur sehr eingeschränkt. Statt Public Clouds breitflächig zu nutzen, suchen die meisten Unternehmen ihr Heil in hybriden Modellen und der vertraglichen Sicherheit, die sie aus traditionellen IT-Outsourcing-Verträgen kennen.

Auch laut Prognose der Channel Transformation Alliance, einem Zusammenschluss von Ingram Micro, Hewlett-Packard, Microsoft, CA, Symantec, APC und anderen Anbietern, wird sich in der Geschäftswelt "...letztlich die Hybrid Cloud durchsetzen." Damit sind Lösungsanbieter auch weiterhin mit von der Partie, vor allem wenn sie "...Dienstleistungen sowohl für standortgebundene Technologien als auch für cloud-basierte Lösungen verkaufen", so die Allianzpartner.

Im Zuge der steigenden Virtualisierung von Servern, Desktops und Rechenzentren schrumpfen die Möglichkeiten, Geld mit dem traditionellen Vertrieb von Soft- und Hardware zu verdienen. An dieser Tatsache kommt kaum jemand vorbei und so orientieren sich in der Vertriebslandschaft allmählich etliche Firmen in Richtung Hybrid-Reseller. In diesem Modell haben Produktverkauf, professionelle Dienstleistungen und regelmäßige Serviceleistungen keine statische Gewichtung, sondern richten sich nach den jeweiligen Anforderungen der Kunden und welche Budgets dafür zur Verfügung stehen.

Eigene Rechenzentren aufzubauen und Clouds mit entsprechenden Softwareplattformen und Tools anzubieten, können und wollen sich im deutschen IT-Markt nicht allzu viele Anbieter leisten. Angesichts des erheblichen Investitionsbedarfs sowie der vielfach bereits abgesteckten Claims (so ist allein T-Systems derzeit schon mit mehr als 90 Rechenzentren am Start) ist dem 'durchschnittlichen' Systemhaus der Aufwand einfach zu hoch.

Stattdessen können sie sich als "Autorisierte Cloud-Berater" positionieren. Die sind derzeit sehr gesucht, denn auch auf Seiten der Anbieter hat sich mittlerweile folgende Erkenntnis durchgesetzt: "Die Grundlage für erfolgreiche Cloud Computing-Geschäftsmodelle bilden partnerschaftliche Beziehungsgeflechte auf der Basis von Vertrauen und Sicherheit in Netzwerken".

Dieser Satz stammt aus einem White Paper von Siemens, steht ähnlich formuliert aber auch in den Unterlagen von Fujitsu, HP, IBM und dem großen Rest der bekannten und weniger bekannten Anbieter. Kern der Aussage ist überall derselbe: Das Mittelstandsgeschäft im Cloud-Markt ist ohne Reseller nicht zu machen.

Im Cloud-Gehype der vergangenen Jahre hatten viele offenbar verdrängt, dass IT-Outsourcing und On-Demand-Dienste für Software, Serverkapazitäten, Datenspeicherung und -Sicherung schon immer Vertrauenssache waren. Je mehr Serverkapazität, Storage und Anwendungen ein Unternehmer heute aus der der so genannten "Cloud" beziehen will, umso wichtiger ist es, einen Dienstleister an der Seite zu haben, den er als verlässlich, umsichtig und fair kennt und der als Brücke zu den – oftmals schwer einzuschätzenden – Cloud-Betreibern agiert.

"Kunden nähern sich der Cloud an"; Axel Dunkel, Geschäftsführer, Dunkel GmbH

(Bild: Dunkel)

Denn ganz gleich wie attraktiv die 'X-as-a-Service'-Angebote der großen Anbieter klingen: Auf wen die Wahl fällt und wie sich die Lösungen schließlich zusammensetzen, hängt bei kleinen und mittleren Unternehmen vor allem davon ab, was der viel zitierte "Trusted Advisor" dazu meint. Der ist (nach dem Steuerberater) in den meisten Fällen der Systemintegrator oder VAR des Vertrauens, mit dem die Firma schon länger arbeitet.

Ob der sich in Branchen-Neudeutsch inzwischen auch Cloudbroker nennt und wie ein Versicherungsmakler monatlich sein Stückchen von den Servicegebühren abbekommt, ist den meisten Auftraggebern erst einmal herzlich egal.

Nach wie vor bedeutet die Nutzung externer IT-Ressourcen immer auch Umdenken und ein gutes Stück Transformation. Deshalb empfehlen namhafte Rechenzentrumsbetreiber, Unternehmenskunden und deren IT-Dienstleister erproben zu lassen, in welchem Umfang sie sich auf Cloud-Lösungen einlassen können und wollen.

"Einer unserer Kunden ist ein sehr konservatives Unternehmen, das sich dem Cloud-Gedanken ganz allmählich annähert", berichtet etwa Axel Dunkel, Geschäftsführer der Dunkel GmbH in Hattersheim. "Ursprünglich wollten sie nur eine Disaster Recovery-Lösung mit zusätzlichen Servern in einem zweiten Rechenzentrum. Nun bietet die Cloud ihnen die Möglichkeit, nicht nur ihren DR-Plan zu testen, sondern dabei gleich auszuprobieren, welche Szenarien in der Cloud künftig kostengünstiger und effizienter für sie realisiert werden können."

So verlockend Self-Service Angebote aus der Cloud auch klingen mögen, so skeptisch sind Unternehmen und ihre IT-Partner, wenn es um die Zuverlässigkeit und Qualität der Leistungen geht. Und das vielfach zu Recht. "Das Versprechen, 'Hosting nach deutschem Standard' zu betreiben, sollte man immer skeptisch betrachten", rät Christoph Maier, Vorstand der Thomas Krenn AG. "Zum einen sind die dafür nötige Infrastruktur und der Betrieb sehr aufwändig und teuer, zum anderen braucht es ein hohes Maß an Know-how, auch was die Server betrifft. Wem reibungsloser 24x7-Betrieb und Datensicherheit wichtig ist, will sicher sein, dass beim Cloud-Dienstleister nicht bloß Mainboards im Ikea-Regal liegen."

Garantien für die Qualität, Sicherheit, Gesetzeskonformität der angebotenen Dienste und auch Aussagen zur Datenmigration sind oft reines Lippenbekenntnis und lassen sich nur schwer einfordern. Den gängigen Regeln für die Auftragsdatenverarbeitung können IT-Dienstleister nur dann entsprechen, wenn sie bei der Auswahl des Cloud-Anbieters die strengsten Anforderungen an Datenschutz, Sicherheit und die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen sowie Branchenstandards stellen.

Reseller, die hier auf die günstigsten Hosting-Grundgebühren anspringen, sparen vermutlich an der falschesten Stelle und handeln den Interessen ihrer Kunden zuwider. Die Verluste, die entstehen können, wenn Server beim Hoster auch nur für eine Stunde ausfallen, machen niedrige Monatsgebühren ganz sicher nicht wett.

Pragmatisch betrachtet ist die Frage, wo die Daten der Kunden vernünftigerweise liegen und betreut werden, ein echter Nobrainer. In einem zertifizierten Tier III-Rechenzentrum eines in Deutschland ansässigen Cloud-Anbieters? Oder auf anonymen Servern irgendwo auf der Welt und das gegen den Einwurf so kleiner Münzen, dass man fast darauf wetten kann, dass der Anbieter bei Infrastruktur und (Ausfall-)Sicherheit sparen muss?

Doch ganz abgesehen von Fragen der Sicherheit, Verfügbarkeit und Compliance ist selbst bei seriösen Anbietern längst nicht alles Gold was glänzt. Bisher erweisen sich Versprechen wie 'flexible, skalierbare Leistung auf Knopfdruck' häufig als Illusion. Das bestätigt Reiner Horch, Leiter des Geschäftsbereichs IT Outsourcing der TDS AG: "Allein schon aus Gründen der strengen Dokumentationspflicht und Industrie-spezifischer Normen sind Veränderungen von jetzt auf gleich, beispielsweise an Testumgebungen in der Pharmabranche, oft einfach keine Option."

Ohne Unterstützung branchenkundiger Partner im Channel funktioniert das Geschäft für Cloud-Dienste nicht so recht. Das haben inzwischen nicht nur Spezialanbieter im Bereich Netzwerktechnik, Security, Storage und Desaster Recovery erkannt, sondern auch die "Großen" mit ihren breiten Software-, Hardware-und Service-Portfolios. Deshalb schnüren sie für ihre Vertriebspartner unter anderem Managed Services-Pakete für die verschiedenen "X-as-a-Service"-Leistungen. Diese kann der Reseller dann bei seinen Unternehmenskunden unter eigenem Namen platzieren und nach Bedarf veredeln, sprich um Unternehmens- und branchenspezifische Leistungen ergänzen.

Aufgrund der starken Kundenbasis bei Kleinunternehmen und im Mittelstand sowie der großen Bandbreite an Dienstleistungen richten sich White-Label-Angebote derzeit vor allem an

  • Systemintegratoren, Systemhäuser, VARs
  • Applikationsentwickler
  • Webdesigner und Entwickler
  • Internet-Service-Provider

Wie gut die Gewinnspannen dabei ausfallen, hängt – wie schon in Vor-Cloud-Zeiten – von der Partner-Strategie der jeweiligen Anbieter ab. Augenblicklich sind die Margen jedoch noch recht komfortabel.

Ein weiterer, wesentlicher Grund, warum Systemhäuser und andere Reseller, die als vertrauenswürdige IT-Berater agieren, auch künftig nicht aus dem Spiel fallen werden: Die wachsende Komplexität bei der Prozessintegration und beim Management der Dienste in privaten und hybriden Clouds.

"Angesichts der zahlreichen, individuellen Ausrichtungen und der Anforderungen, die Organisationen an die IT haben, ist eine persönliche Betreuung durch den Dienstleister geradezu ein Muss. Denn die meisten der gewünschten Dienste sind meilenweit davon entfernt, komplett standardisiert zu laufen und über anonyme Call Center irgendwo auf der Welt betreut werden zu können", bestätigt TDS-Manager Horch. Hinzu kommt der augenblicklich überall beklagte Mangel an IT-Fachkräften.

Angst vor wachsendem Bedeutungsverlust müssen IT-Spezialisten derzeit also keine haben, weder in den Unternehmen noch bei deren Dienstleistern. Für Reseller ist die Frage nicht, ob sie in künftigen Cloud-Konstrukten noch gebraucht werden, sondern wie weit sie in der Lage sind, die Transformation der Unternehmens-IT sinnvoll zu unterstützen. Und für Unternehmen bedeutet die Entscheidung für eine Cloud nicht automatisch, die Kontrolle über die eigene IT aufzugeben. So können sie mit Lösungen wie etwa vCloud von VMware ihr eigenes, virtuelles Datacenter betreiben: Die in entsprechend ausgerichteten Rechenzentren gemieteten Maschinen und Anwendungen können die IT-Verantwortlichen über den eigenen Desktop und ein Web-Interface komplett selbst steuern – oder von ihrem angestammten Dienstleister verwalten lassen. (map)