Der Verkauf beginnt erst dann, wenn der Kunde "Nein" sagt - oder nicht?

Es ist einer dieser Sätze, mit denen Generationen von Vertriebsleuten aufwachsen: "Verkauf beginnt erst, wenn der Kunde `Nein´gesagt hat." Aber stimmt das auch?

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Damian Sicking

Lieber Verkaufstrainer Stephan Heinrich,

eine häufig zu hörende Meinung unter Vertrieblern ist "Der Verkauf beginnt erst dann, wenn der Kunde `Nein´ gesagt hat." Soll heißen: Erst dann zeigt sich, ob jemand zum Verkauf taugt oder nicht, vorher ist Kindergeburtstag. Es handelt sich hierbei geradezu um eine der zentralen Glaubensfragen des Vertriebs. Deshalb stirbt sie auch nicht aus. Gerade jetzt hat sich auf der Internetseite "Unternehmer.de" wieder eine Diskussion zu diesem Thema entsponnen. Dabei werden zur These "Der Verkauf beginnt, wenn der Kunde `Nein´sagt", drei Meinungen vertreten: 1. Stimmt, 2. stimmt nicht, 3. kommt ganz drauf an.

Vertriebstrainer Stephan Heinrich

(Bild: hmc)

Praxisrelevant sind natürlich vor allem die Konsequenzen aus den jeweiligen Antworten. Am einfachsten ist es für den, der das "Nein" des Kunden wirklich als "Nein" auffasst; er läßt den Kunden in Ruhe und wendet sich dem nächsten Kandidaten zu. Schon schwieriger wird es für den, der das "Nein" des Kunden quasi als Aufforderung versteht, sich noch einmal richtig ins Zeug zu legen. Blöderweise besteht der Lohn der Anstrengung dann aber häufig in der Erkenntnis, dass das "Nein" des Kunden durchaus in der Tat auch in der verkäufersprachlichen Übersetzung "Nein" bedeuten kann. Ein ganz hartes Brot hat natürlich der Vertreter der "Kommt-ganz-drauf-an"-Fraktion. Nämlich auf was kommt es an? Ja, keine Ahnung! Das einzige, was mir dazu einfällt, ist, ob Mann oder Frau. Ist das "Nein" eines Mannes anders einzuordnen als das "Nein" einer Frau? Ja, ich weiß, jetzt wird wieder mancher sagen, der Sicking! Wärmt wieder uralte Vorurteile und Plattitüden auf! Vielleicht haben diese Menschen Recht. Vielleicht aber auch nicht. Ich weiß nicht, ob es einen Unterschied macht, ob das "Nein" von einer Frau gesagt wird oder von einem Mann. Was man in dieser Frage aber nicht ignorieren sollte, sind Aussagen von Experten, vor allem solchen Menschen, die eine Geschlechtsumwandlung hinter sich haben und daher sich am besten von allen beiden Seiten kennen. Wie zum Beispiel Balian Buschbaum. Balian Buschbaum hieß bis vor ein paar Jahren Yvonne Buschbaum und war eine der besten Stabhochspringerinnen in Deutschland. Nach einer Geschlechtsumwandlung und der Dreingabe hoher Dosen männlicher Hormone wie Testosteron sagte sie in einem Interview: "Um die Frauen zu verstehen, muss man oftmals hinter die Fassade blicken. Wenn sie zu etwas `ja´ sagen, dann meinen sie es ganz oft nicht so." Nicht auzuschließen, dass dies auch gilt, wenn die Frau "Nein" sagt.

Vielleicht macht es ja auch einen Unterschied, ob das "Nein" von einem – sagen wir mal – Ostfriesen oder einem Kunden aus dem Allgäu stammt. Oder von einem aus dem Oden- oder dem Westerwald. Oder von einem jungen oder einem alten, einem mit Schnauzbart oder von einem, der mit den Ohren wackeln kann. Kommt ganz drauf an, klingt so gut, aber – verdammt noch mal – auf was?

Sie selber, lieber Herr Heinrich, machen es sich leicht. In Ihrem Standardwerk "Verkaufen an Top-Entscheider" schlagen Sie sich auf die Seite der Leute, für die ein "Nein" ein "Nein" ist und raten allen Vertriebsleuten dringend, es auch zu tun und ihre kostbare Zeit und Energie nicht weiter in einen Kunden zu investieren, der "Nein" gesagt hat. Allerdings – und das ist der interessante Punkt – lautet ihr dringender Rat an die Verkäufer dieser Welt, dem Kunden erst zu einem sehr, sehr späten Zeitpunkt überhaupt die Chance zu geben, "Nein" zu sagen. Viel zu oft, so Ihre Beobachtung, machen die VBs den Kunden viel zu früh ein Angebot, ohne dass sie sich mit der spezifischen Kundensituation ausreichend auseinandergesetzt haben. In Ihrem Blog "Visionselling" heißt das dann so: "Vorzeitige Ergüsse haben meist sehr unbefriedigende Folgen für alle Beteiligten. Auch im Vertrieb ist das nicht anders. Und dennoch machen viele, selbst erfahrene Verkäufer, diesen Fehler." Ein interessanter und für viele sicher nachvollziehbarer Vergleich.

Lieber Herr Heinrich, schon seit einiger Zeit suche ich nach einer passenden Gelegenheit, folgende Geschichte über einen Superstar-Verkäufer loszuwerden. Ich glaube, hier passt es jetzt ganz gut. Viel Vergnügen!

Ein junger Mann zieht in die Stadt und geht zu einem großen Kaufhaus, um sich dort nach einem Job umzusehen.

Manager: "Haben Sie irgendwelche Erfahrungen als Verkäufer?"

Junger Mann: "Klar, da wo ich herkomme, war ich immer der Top-Verkäufer!"

Der Manager findet den selbstbewussten jungen Mann sympathisch und stellt ihn ein. Der erste Arbeitstag ist hart, aber er meistert ihn.

Nach Ladenschluss kommt der Manager zu ihm. "Wie viele Kunden hatten Sie denn heute?"

Junger Mann: "Einen."

Manager: "Nur einen? Unsere Verkäufer machen im Schnitt 20 bis 30 Verkäufe pro Tag! Wie hoch war denn die Verkaufssumme?"

Junger Mann: "210.325 Euro und 65 Cent."

Manager: "210.325 Euro und 65 Cent?! Was haben Sie denn verkauft?"

Junger Mann: "Zuerst habe ich dem Mann einen kleinen Angelhaken verkauft, dann habe ich ihm einen mittleren Angelhaken verkauft. Dann verkaufte ich ihm einen noch größeren Angelhaken und schließlich verkaufte ich ihm eine neue Angelrute. Dann fragte ich ihn, wo er denn eigentlich zum Angeln hinwollte, und er sagte 'Hoch an die Küste'. Also sagte ich ihm, er würde ein Boot brauchen. Wir gingen also in die Bootsabteilung, und ich verkaufte ihm diese doppelmotorige Seawind. Er bezweifelte, dass sein Honda Civic dieses Boot würde ziehen können, also ging ich mit ihm rüber in die Automobilabteilung und verkaufte ihm diesen Pajero mit Allradantrieb."

Manager: "Sie wollen damit sagen, ein Mann kam zu ihnen, um einen Angelhaken zu kaufen, und Sie haben ihm gleich mehrere Haken, eine neue Angelrute, ein Boot und einen Geländewagen verkauft?"

Junger Mann: "Nein, nein, er kam her und wollte eine Packung Tampons für seine Frau kaufen, also sagte ich zu ihm: 'Nun, wo Ihr Wochenende doch sowieso schon verdorben ist, könnten Sie ebenso gut Angeln fahren.'"

Beste Grüße

Damian Sicking

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