Die "Rürup-Lüge": Warum Ihre Altersvorsorge doch gepfändet werden darf

Mit falschen Versprechen lockten Versicherer viele Selbständige an: Die Rürüp-Rente sei auch im Insolvenzfall nicht pfändbar. Tritt der Fall ein, bleibt dem Selbstständigen tatsächlich nur ein Minimum auf Sozialhilfe-Niveau. Rechtsanwalt Johannes Fiala klärt auf.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Als Unternehmer hat man es nicht leicht: Nicht nur die Liquidität der Firma, sondern auch die eigene Altersvorsorge muss gesichert werden. Und beides ist durchaus miteinander verknüpft: Hat die Firma finanzielle Schwierigkeiten, wirkt sich das in der Regel auch auf die Altersvorsorge des Inhabers aus. Entweder, weil er freiwillig sein letztes Geld in den Laden steckt oder weil er plötzlich erfährt, dass auch diese private Vorsorge zum Ausgleich der Schulden herangezogen werden kann.

Für Versicherungsverbände und Makler war dies zum Teil ein lohnendes Geschäft mit der Angst. Viele von ihnen priesen in Werbebroschüren insbesondere die Rürup-Rente als pfändungsgeschützte Altersvorsorge an. Ein Schreiben des Bundesfinanzministeriums (IV C 3 - S 2222/09/10041) hat diese Aussagen allerdings als Marketinglüge entlarvt.

"Die Behauptung, das Riester-Kapital sei im Insolvenzfall vor Verwertung sicher, trifft nicht zu. Die Rürup-Rente darf deshalb auch nicht mit diesem Argument verkauft werden. Nur eine Vorsorge auf Sozialhilfeniveau ist vor den Gläubigern geschützt", klärt Rechtsanwalt und Finanzexperte Dr. Johannes Fiala auf.

Pfändbar ist nämlich nicht nur das angesparte Vermögen in einer Rürup-Rente, sondern auch der Teil des Riester-Guthabens, der nicht staatlich gefördert wurde. Das hat das Landesarbeitsgericht Mainz bereits 2006 in einem Urteil bestätigt (Az.: 3 Sa 414/06). Damit wäre im Falle einer Pfändung also der Großteil des Geldes betroffen, wie Dr. Fiala erklärt: "Die staatliche Förderung bezieht sich in der Regel auf nur vier Prozent des Bruttoeinkommens, was real etwa einer Rente in Höhe von rund sechs Prozent des Bruttoeinkommens entsprechen würde. Zum Leben zuwenig, zum Sterben zuviel".

Der Finanzexperte weiß auch, worauf das "Missverständnis" der Versicherungsanbieter beruht: "Die Rürup-Rente beziehungsweise die sogenannte pfändungsgeschützte Altersvorsorge für Selbständige setzt ein vertragliches Abtretungs- und Übertragungsverbot voraus. Versicherer und Vertriebe wurden nicht müde, aus diesem Verbot die Unpfändbarkeit zu folgern." Doch das sei schlicht und ergreifend falsch und wiege die Kunden in einer Sicherheit, die es leider nicht gibt.

(Bild: Dr. Johannes Fiala)

Dr. Johannes Fiala arbeitet als Rechtsanwalt und Finanzberater in München. Vor seinem Jura-Studium hat er ein Ausbildung zum Bankkaufmann gemacht, desweiteren verfügt er über einen MBA Finanzdienstleistungen (Univ.), MM (Univ.), ist geprüfter Finanz- und Anlageberater (A.F.A.) sowie Lehrbeauftragter für Bürgerliches und Versicherungsrecht (Univ.) und EG-Experte (C.I.F.E.). Kontakt und weitere Informationen unter www.fiala.de

Die Problematik hat sich offenbar bis zum Bundesfinanzministerium herumgesprochen, denn dieses stellt in einem offiziellen Schreiben klar: "Der Pfändung des (...) Altersvorsorgevermögens steht ein vertragliches Abtretungs- und Übertragungsverbot nicht entgegen." Eigentlich nichts neues: der Bundesgerichtshof stellte schon vor sechs Jahren (!) in einem Urteil fest (25.8.2004, Az.:IX a ZB 271/03), dass selbst eine Regelung in der Satzung eines Altersversorgungswerkes über die Nichtübertragbarkeit der Pfändbarkeit nicht entgegensteht.

Dr. Johannes Fiala erklärt, welcher juristische Gedanke dem Urteil zugrunde liegt: "Die Forderung eines Gläubigers wird wie Eigentum behandelt und genießt den Schutz des Grundgesetzes: sie kann ihm durch vertragliche Übertragungsverbote nicht so einfach entzogen werden, wie es sich die Versicherer vorgestellt haben."

Auch wenn im Versicherungsvertrag ein sogenannter "Verwertungsausschluss" vereinbart oder die "Übertragbarkeit" ausgeschlossen sind, hat dieser Eigentumsschutz Vorrang und die vertraglichen Klauseln, auf die sich die Versicherer so gerne berufen, sind in der Praxis wirkungslos.

Der Schutz des Eigentumsrechts von Gläubigern, die ein privat angespartes Altersvorsorgevermögen pfänden möchten, wird erst an dem Punkt begrenzt, wo er das Sozialstaatsprinzip berührt. Mit anderen Worten: Dem Schuldner wird nur soviel gelassen, dass er davon auf Sozialhilfeniveau leben kann – und somit der Staat nicht einspringen muss.

Dr. Johannes Fiala: "Auch der Rürup-Sparer spart also für den Staat – wegen der Einsparung späterer Unterstützung – und im Übrigen für seine Gläubiger und gegebenenfalls auch das Finanzamt." Denn das schaut auch nur ungern dabei zu, wie der Selbständige (Freiberufler oder Gewerbetreibende) sich eine großzügige Altersversorgung beiseiteschafft und etwa seine Steuern schuldig bleibt.

Wer also brav gespart und gehofft hat, im Falle einer Insolvenz sei wenigstens die Altersvorsorge sicher, muss davon ausgehen, dass ihm nur das Existenzminimum bleiben wird – denn zur Entlastung des Sozialamtes wird das in der Regel pfändungsfrei belassen, wie Dr. Fiala erklärt: "Der Schuldner soll sich nicht auf Kosten der Allgemeinheit entschulden können." Die pfändungsfreien Grenzen in der Ansparphase – und später nach Rentenbeginn – sind in entsprechend geringer Höhe im Gesetz über die pfändungsfreie Altersvorsorge Selbständiger festgelegt. Diese reichen längst nicht an die Höchstgrenzen heran, bis zu denen Rürup-Beiträge anteilig als Sonderausgaben berücksichtigt werden können (20.000 bis 40.000 Euro jährlich), so dass ein großer Teil des angesparten Rürup-Vermögens pfändbar bleibt.

Die meisten Betroffenen ahnen allerdings nichts davon, denn die Versicherer ignorieren die klare gesetzliche Lage bzw. leugnen die Möglichkeit der Pfändung dem Kunden gegenüber einfach. Dr. Fiala: "Dabei haben sie bis heute kein einziges Urteil vorzuweisen, welches ihr Märchen vom pfändungsfreien Rürup-Vertrag bestätigt." Wer sein Vermögen sicher und juristisch einwandfrei schützen will, hat durchaus Möglichkeiten, beispielsweise über Stiftungen, wie Dr. Fiala erklärt: "Allerdings sind dies keine Produkte von der Stange, wie sie manche Schweizer Bank ihren Kunden zum Zwecke einer Beihilfe zur Geldwäsche angeboten hat." (Marzena Sicking) / (map)
(masi)