Die Scoring-Novelle und ihre Folgen für den Handel

Die Erleichterungen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes werden durch die sogenannte Scoring-Novelle zum Teil aufgehoben – das Forderungsmanagement mit Hilfe von Inkassofirmen massiv erschwert. Die Anforderungen an den Datenschutz sind sehr hoch – in manchen Fällen praktisch gar nicht umsetzbar.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Am 1. April 2010 trat die sogenannte "Scoring-Novelle" in Kraft. Und allmählich zeigen sich die negativen Folgen für den Handel. Denn mit den neuen Datenschutz-Regelungen wurden die Anforderungen an die Übermittlung von Kundendaten stark erhöht und das Forderungsmanagement erschwert. Was dem Verbraucherschutz dienen sollte, entpuppt sich vor allem als Stolperfalle für den Händler: Die Eintreibung der Schulden durch Inkassounternehmen wurde deutlich erschwert.

Im März 2000 wurde das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz eingeführt. Dieses wurde vom Handel begrüßt, machte es doch das Eintreiben der Schulden beim privaten Kunden in vielen Fällen leichter bzw. das Verfahren schneller. "Diese im Interesse der Gläubiger stehende Regelung, hat der Gesetzgeber nun über die Verschärfung von Datenschutzvorschriften auf den Kopf gestellt und die Beitreibung von Forderungen erheblich erschwert", rügt Arnd Lackner, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht in Saarbrücken und Mitglied in der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V.. Der Verbraucher freut sich über größeren Schutz seiner persönlichen Daten, doch für den Handel bringt dieser einen deutlich höheren Aufwand beim Forderungsmanagement mit sich.

So mussten Unternehmer, die ihre Forderungen mit Hilfe von externen Inkassodienstleistern oder auch Kreditversicherungen eingetrieben haben, feststellen, dass mit der sogenannten "Scoring-Novelle" des Bundesdatenschutzgesetzes (§ 28a BDSG ) gravierende Eingriffe in Möglichkeiten der Übermittlung von Kundendaten an solche Dienstleister durchgeführt wurden. Betroffen sind alle Forderungen, deren Rechtmäßigkeit noch nicht gerichtlich bestätigt wurde bzw. bei denen der Händler noch keinen Titel erwirkt hat.

(Bild: Arndt Lackner)

Arnd Lackner arbeitet als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht in Saarbrücken. Zu seinen Tätigkeits- schwerpunkten zählen die Themenfelder Gesellschafts- recht, Steuerstreitführung, SteuerstrafR und Steuergestaltung. Weitere Interessengebiete sind Handelsrecht, Wirtschaftsrecht,
Gesellschaftsrecht, Unternehmensnachfolge und Stiftungsrecht.

So hat der Händler seit 1. April 2010 deutlich verschärfte Regeln zu beachten, wenn er Schuldner-Daten an Dritte übergeben will. Bevor der Fall und damit auch die Kundendaten an ein Inkassounternehmen weitergegeben werden, muss der Gläubiger vom Händler selbst mindestens zweimal schriftlich angemahnt worden sein. Desweiteren erlaubt die neue Regelung eine Übermittlung der Daten grundsätzlich frühestens vier Wochen nach der ersten Mahnung. Auch muss der Unternehmer seinen Schuldner rechtzeitig, laut Gesetz aber nicht vor der ersten Mahnung, über die bevorstehende Übermittlung seiner Daten an das Inkassounternehmen oder den Kreditversicherer informieren. Der Verbraucher kann die Übermittlung seiner Daten dann jederzeit stoppen, beispielsweise, in dem er der angeblichen Forderung widerspricht. Dann dürfen die Daten gar nicht weitergegeben werden, bevor die Rechtmäßigkeit der Schulden nicht feststeht. "Eine außergerichtliche Beitreibung von Forderungen wird dadurch nahezu unmöglich gemacht", so Lackner. Dennoch sollte man sich als Händler lieber genauestens über die neuen Vorschriften informieren und die Regeln auch einhalten: "Verstöße gegen die neuen Datenschutzvorschriften werden vom Gesetz mit Strafen belegt und können erhebliche Schadensersatzforderungen der betroffenen Schuldner zur Folge haben", betont Lackner.

Allen betroffenen Unternehmern sei daher zukünftig ein entschiedenes Inkassomanagement zu empfehlen, betont Lackner. Nur so habe man als Unternehmer eine Chance, dem Paragrafendschungel des Datenschutzes zu entgehen. "Die gerichtliche Beitreibung fälliger Forderungen gegenüber säumigen Privatschuldnern sollte deshalb – je nach Einzelfall – lieber nicht auf die lange Bank geschoben werden". Allerdings legt der Gesetzgeber dem Händler auch hier Steine in den Weg. Die sind ausgerechnet bei hohen Forderungen am größten: So müssen Forderungen von mehr als 5000 Euro über das Landgericht bestätigt werden und dort besteht Anwaltszwang, das heißt, der Unternehmer kann hier nicht selbst für sich sprechen. Die damit zusätzlich anfallenden Kosten sind aber nicht das einzige Problem des Händlers: Laut den neuen Datenschutzvorschriften darf der Händler die Daten seines säumigen Kunden nicht zur gerichtlichen Betreibung weitergeben, wenn dieser die Forderung bestreiten – also auch nicht an einen Anwalt. Das Fazit von Rechtsanwalt Lackner: "Die Frage, wie bestrittene Forderungen über 5000 Euro ohne Anwalt gerichtlich beigetrieben werden sollen, wird vom Gesetzgeber leider – wie so oft – übersehen, so dass die gesetzliche Neuregelung völlig an der Praxis vorbeigeht". (masi)