Firmenchefs: Nach 4,8 Jahren geht ihnen die Puste aus

Wenn es nach einer amerikanischen Studie geht, dann sind die meisten Firmenchefs keine Langstreckenläufer. Nach durchschnittlich 4,8 Jahren Amtszeit geht ihnen die Puste aus. Die Folgen für die von ihnen geführten Unternehmen sind entsprechend negativ. Also besser nur noch 5-Jahresverträge für CEOs und Vorstände?

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Von
  • Damian Sicking

Computacenter-CEO Oliver Tuszik

(Bild: Computacenter)

Lieber Oliver Tuszik, CEO und Vorstandsvorsitzender der Computacenter AG & Co. oHG,

amerikanische Wissenschaftler haben jetzt herausgefunden, was die optimale Amtszeit eines CEOs ist: 4,8 Jahre! Danach geht´s abwärts. Vielleicht nicht in erster Linie mit dem CEO, aber mit dem Unternehmen. Am Anfang Ihrer Amtszeit, so die Forscher aus Amerika, seien die Chefs noch voller Tatendrang, sprechen mit vielen Kunden und Mitarbeitern, sind bereit, Risiken einzugehen und machen Dampf, um Umsatz, Marktanteil und Gewinn zu steigern. Nach ein paar Jahren dann lässt der Elan nach. Die CEOs schalten von Angriff auf Abwehr. Nunmehr geht es ihnen in erster Linie darum, das Erreichte zu bewahren, sie legen mehr Wert darauf, Verluste zu vermeiden statt Gewinne zu erzielen. Lange amtierende Firmenchefs sind zwar gut darin, schreiben die Wissenschaftler in der aktuellen April-Ausgabe der Zeitschrift Harvard Business Manager, "die Beziehung zu den Mitarbeitern zu verbessern – aber weniger gut darin, auf die Anforderungen des Marktes zu reagieren. Diese Unternehmenslenker sind großartige Motivatoren, aber schwache Strategen. So schaffen sie es, dass die Belegschaft sich hinter ein Projekt stellt, das zum Scheitern verurteilt ist."

4,8 Jahre, dies ist natürlich ein Durchschnittswert. Ausnahmen bestätigen die Regel. (Interessant aber, dass viele Geschäftsführer- und Vorstandsverträge unabhängig von dieser Studie eine Laufzeit von maximal fünf Jahren haben.) Es gibt CEOs, die sind mehr als zehn Jahre, zuweilen sogar mehr als 20 Jahre im Amt, machen Dampf wie am ersten Tag und führen das Unternehmen von einer Rekordmarke zur nächsten. Vor allem gilt dies natürlich für Unternehmer-CEOs, also Firmenchefs, denen die Firma zumindest teilweise gehört und/oder die sie vielleicht sogar gegründet haben. Gerade in der IT-Branche in Deutschland gibt es hier unzählig viele. Bei diesen Personen ist der Antrieb natürlich auch ein ganz spezieller, die emotionale Beziehung zum Unternehmen viel enger als bei angestellten Managern. Bei den Unternehmer-CEOs geht es oft um das Lebenswerk. Allerdings lassen sich auch bei ihnen immer mal wieder "Abnutzungserscheinungen" erkennen.

Und darum geht es, egal ob Unternehmer- oder angestellter CEO: Wie schafft man es, auch nach Jahren noch das Feuer in sich selbst am Lodern zu halten? Das gilt im übrigen nicht nur für die Frauen und Männer an der Spitze der Unternehmen, sondern auch für die Manager und Mitarbeiter darunter. Ich selbst kenne einen Vorstandschef eines Verlages, der die zweifelhafte Auffassung vertritt (oder vertrat, ich habe seit einiger Zeit keinen direkten Kontakt mehr zu ihm), dass jeder Mitarbeiter, der länger als zehn Jahre im Betrieb sei, gefeuert werden müsse, weil er ausgebrannt sei. Für ihn selbst, also den Vorstandschef, galt dies natürlich nicht, er hatte damals schon, als er seinen Glaubenssatz verkündete, eine Betriebszughörigkeit von zwölf Jahren auf dem Buckel. Heute, fünf Jahre später, ist er noch immer in Amt und, naja, Würden. Die Performance des Unternehmens hat sich nach meiner Beobachtung in dieser Zeit nicht gerade verbessert, im Gegenteil. Gut, dass er sich selbst feuert, wäre vielleicht ein bisschen zu viel erwartet, aber Sie können sich vorstellen, was für ein "gutes" Standing dieser Mann in der Belegschaft hat.

Lieber Herr Tuszik, Sie haben Ihren Job als CEO und Vorstandschef bei Computacenter Deutschland am 1. Juni 2008 angetreten. Nicht mehr lange, dann sind Sie fünf Jahre im Amt. Damit haben Sie die optimale "Legislaturperiode" von 4,8 Jahren unserer amerikanischen Wissenschaftler schon überschritten. Was folgt daraus? Blicken wir mal kurz auf die Zahlen: Im vergangenen Geschäftsjahr konnte Computacenter Deutschland vom Umsatz her die gute Entwicklung der vergangenen Jahre mit einem Plus von 4,1 Prozent (auf 1,473 Milliarden Euro) fortsetzen. Beim Gewinn hingegen gab es eine herbe Verschlechterung um 55 Prozent (auf 14,4 Millionen). Geben uns diese Zahlen irgendeinen Hinweis darauf, dass Sie den Zenith Ihrer Amtszeit bereits überschritten haben? Nicht zwingend, wenn Sie mich fragen. Schauen wir zum Vergleich noch kurz auf die wichtigsten Wettbewerber. Bechtle feierte mit einem Umsatzanstieg um 5,1 Prozent ein Rekordergebnis und den Sprung über die 2-Milliarden-Euro-Marke, musste beim Gewinn auf Ebit-Basis aber ebenfalls einen Rückgang hinnehmen, der allerdings mit einem Minus von 6,8 Prozent (80,5 Millionen) deutlich geringer ausfiel als bei Computacenter. Cancom hingegen schaffte es sogar, den Gewinn kräftig zu steigern, nämlich um 11,9 Prozent (auf 20,7 Millionen), während der Umsatzanstieg mit 2,5 Prozent (auf 558,1 Millionen) allerdings am geringsten ausfiel. Während Bechtle und Cancom fast die gleiche Umsatzrendite erzielten (3,8 bzw. 3,7 Prozent), ist Computacenter bei dieser Messgröße mit 0,9 Prozent weit abgeschlagen.

Blicken wir jetzt noch kurz aufs Management: Bechtle-Vorstandschef Dr. Thomas Olemotz ist seit Anfang 2009 im Amt, zunächst als Vorstandssprecher, seit Juni 2010 als Vorstandsvorsitzender. Olemotz ist also noch in der "Sturm-und-Drang-Phase". Cancom-Chef Klaus Weinmann zählt zur Riege der Unternehmer-CEOs – er hat das Unternehmen vor 21 Jahren gegründet – und ist damit ein besonderer Fall (siehe oben).

Lieber Herr Tuszik, der Blick auf die Zahlen ist zwar interessant, bringt uns aber hinsichtlich unserer Fragestellung nicht wirklich weiter. Man muss es auch nicht ganz so eng sehen. Im Wesentlichen geht es ja um Folgendes: Wie schafft man es als CEO und Firmenchef, auch nach Jahren noch das Feuer in sich selbst am Brennen zu halten? Ich gebe die Frage jetzt einfach mal an Sie weiter: Wie schaffen Sie es? Und: Denken Sie, dass 5-Jahresverträge für CEOs und Vorstände die richtige Antwort auf die Forschungsergebnisse der amerikanischen Wissenschaftler sind?

Beste Grüße!

Damian Sicking

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