Firmenübernahmen: Gut gekaut ist halb verdaut

Derzeit ist eine gute Zeit für Firmenübernahmen (SAP etc.). Doch viele Firmenkäufe und Fusionen gehen schief und scheitern. Warum? Weil wir nicht auf unsere Mütter gehört haben.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Damian Sicking

Léo Apotheker, Vorstandssprecher, SAP

(Bild: SAP)

Lieber SAP-Chef Léo Apotheker,

wie zu hören und zu lesen ist, planen Sie, mit weiteren Übernahmen die Wettbewerbs- und Zukunftssicherheit von SAP zu stärken. Bis zu fünf Milliarden Euro, sagten Sie im Juni dieses Jahres, stehen für Akquisitionen bereit. Nachdem Sie in diesem Jahr bereits den amerikanischen Softwareanbieter Clear Standards sowie den französischen Softwarentwickler Highdeal übernommen und kürzlich ein Angebot zur Übernahme des Schweizer Unternehmens SAF abgegeben haben, stehen als weitere Übernahmekandidaten die US-Firmen Tibco und Teradata auf Ihrem Wunschzettel. Das berichtete zumindest vor wenigen Tagen die Zeitschrift "Euro am Sonntag"

Lieber Herr Apotheker, wie man weiß, gehen viele Übernahmen und Fusionen schief. Woran liegt das? Vergessen Sie alles, was Sie bisher darüber gehört und gelesen haben. Der wahre Grund ist der, dass wir nicht auf unsere Mütter gehört haben, damals am Mittagstisch, als sie uns ermahnte "Kind, iss langsam, denn gut gekaut ist halb verdaut." Sie meinen, ich rede Unsinn? Ach ja, dann erklären Sie mir doch bitte mal, warum man bei einer Übernahme sagt, dass die eine Firma die andere "schluckt", warum es heißt, dass ein Unternehmen die übernommene Firma noch nicht "verdaut" habe und diese ihr daher noch immer "schwer im Magen liege"! Na? Na also!

Bei Übernahmen werden viele Fehler gemacht, die häufig auf die Nichtbeachtung des Sprichwortes "Gut gekaut ist halb verdaut" zurückzuführen sind. Es gibt Manager, die glauben, eine Firma ließe sich herunterschlucken wie eine Vitaminpille. Das ist natürlich Quatsch. Je größer die übernommene Firma, desto gründlicher und vor allem entschlossener muss gekaut werden. Das erfordert Mut, Konsequenz und Kompromisslosigkeit. Denn für jeden Kauprozess gilt: Was immer es ist, was man zerkaut, am Ende sieht es anders aus als vorher. Das ist bei einem Butterbrot genauso wie bei einem Unternehmen. Die wesentlichen, vom Organismus verwertbaren Bestandteile des zugeführten Objektes werden von diesem aufgenommen, gehen in die Blutbahn und die Muskulatur und dienen auf diese Weise der Stärkung des gesamten Systems. Was überflüssig ist und nicht verwertet werden kann, wird ausgeschieden. Das geschieht meistens im Stillen und hinter verschlossenen Türen.

Es ist evident, dass für einen erfolgreichen Verlauf dieses Prozesses sorgfältiges und gründliches Kauen von entscheidender Bedeutung ist. Hastiges Schlucken, zum Beispiel unter Zeitdruck, hat einen verzögerten Verdauungsprozess zur Folge und stellt eine erhebliche Belastung des gesamten Organismus dar. Oftmals bilden sich Gase, die in der Regel zu einer langwierigen Verschlechterung des Klimas führen. Gefährdet sind hier vor allem US-Unternehmen. Wie man weiß, hat sich bei Amerikanern aufgrund von Fastfood die Kaumuskulatur stark zurückentwickelt. Schlimm!

Ein Unternehmen, welches dagegen die übernommene Firma gründlich zerkaut hat, kennt die beschriebenen Probleme nicht. Ich hoffe, lieber Herr Apotheker, dass diese Ausführungen für Sie hilfreich waren und wünsche beim Verdauungsprozess gutes Gelingen und viel Erfolg.

Beste Grüße

Damian Sicking

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