Hinterrücks

Webseitenangebote finanzieren sich oft über Werbung. Wie in anderen Medien sind der Schleichwerbung aber auch hier enge Grenzen gesetzt: Es gilt das strenge Trennungsgebot. Kenntnis der Regeln schützt vor juristischem Ärger.

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Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Matthias Parbel
Inhaltsverzeichnis

"Zwanzig Sekunden 'Zwangswerbung' im Internet stellt unzumutbare Belästigung dar" lautet die Überschrift eines Berichts über ein kürzlich ergangenes Urteil des Landgerichts Berlin (Az. 103 O 43/10). Einem Betreiber kostenloser Onlinespiele wurde darin verboten, vor den aufgerufenen Spielen einen 20-sekündigen Werbefilm zu zeigen, der sich nicht ausschalten lässt. Grundlage dieses auch für manche Juristen schwer nachvollziehbaren Urteils sind deutsche und europäische Rechtsvorschriften. Strengen Regeln unterliegt dabei die sogenannte Schleichwerbung. Juristisch spricht man vom Trennungsgebot.

Nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 des Telemediengesetzes gilt: "Kommerzielle Kommunikationen müssen klar als solche zu erkennen sein." Mit diesen Worten ist der wesentliche Grundsatz des Verbots von Schleichwerbung erklärt. Eine Definition aus dem Rundfunkstaatsvertrag ist ausführlicher. Danach ist Schleichwerbung "die Erwähnung oder Darstellung von Waren, … eines Herstellers von Waren oder eines Erbringers von Dienstleistungen in Programmen, wenn sie vom Veranstalter absichtlich zu Werbezwecken vorgesehen ist und die Allgemeinheit hinsichtlich des eigentlichen Zwecks dieser Erwähnung oder Darstellung irreführen kann".

Mit dem Wort "irreführen" ist bereits der wesentliche Zweck dieser Regelung benannt. Es geht darum, eine Irreführung der Internetnutzer, Fernsehschauer, Zeitungs- und Zeitschriftenleser oder Radiohörer durch Werbung zu vermeiden. Im Grundsatz gilt das Verbot der Schleichwerbung in allen Medien. Im Rundfunkstaatsvertrag heißt es dazu lapidar: "Schleichwerbung und entsprechende Praktiken sind unzulässig."

Es geht noch weiter. Nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) handelt unlauter, wer "den Werbecharakter von geschäftlichen Handlungen verschleiert". Nach dem Telemediengesetz gelten diese Vorschriften ausdrücklich für elektronische Informations- und Telekommunikationsdienste, und damit ebenso für das Internet. Wird beispielsweise auf Webseiten für etwas geworben, muss der werbende Charakter für den Internetnutzer erkennbar sein.

Auch hiergegen hatte der Anbieter der kostenlosen Onlinespiele nach Auffassung der Berliner Richter verstoßen. Dort waren Werbebanner zum Verwechseln ähnlich gestaltet wie die mit Links unterlegten Grafiken der einzelnen Spiele. Dem Anbieter half auch der klein dargestellte Text "Werbung" an den Werbebannern nicht. Gerade bei Kindern, einer Zielgruppe des Internetangebots, besteht die Gefahr, dass sie einen solchen Hinweis auf der auffällig animierten und gestalteten Webseite gar nicht wahrnehmen, so die Richter.

Das Oberlandesgericht München (Az. 29 U 2841/09) hatte ein Internetangebot untersagt, weil es versteckte Link-Werbung enthielt. Das Angebot war so aufgemacht, dass ein Internetnutzer redaktionelle Inhalte auf der Webseite erwartete, nicht aber eine bloße Sammlung von Werbelinks. Es fehlte hier schlicht an einem ausreichenden Hinweis auf Werbung. Ein solcher muss stets klar erkennbar sein. Zudem muss eine Trennung vom übrigen Inhalt einer Webseite eindeutig vorhanden sein. "Ein einzelner Hinweis über einer Seite, die sowohl redaktionelle als auch werbliche Inhalte enthält, ist nicht ausreichend", meinen die Richter des Kammergerichts Berlin (Az. 5 U 127/05).

Auch als redaktionelle Artikel getarnte Werbung ist rechtswidrig. Weil ein Zeitungsbericht sich nur mit einem einzigen Diätprodukt beschäftigt hatte, erklärte das Landgericht Itzehoe (Az. 5 O 81/ 09) ihn für wettbewerbswidrig. Im Artikel fanden sich durchgehend oberflächliche und einseitige Formulierungen zugunsten des Warenherstellers. Eine Erwähnung von Vergleichsprodukten fehlte. Das Urteil ist ohne Einschränkungen auf redaktionelle Internetangebote übertragbar. Die Grenze ist schwammig. Denn nach dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Az. 27 K 4657/08) ist im Einzelfall entscheidend, ob "nicht das Abbilden der Lebenswirklichkeit, sondern der Werbeeffekt im Vordergrund steht".

Erst kürzlich hatte sich sogar der Europäische Gerichtshof (Az. C-52/10) mit Schleichwerbung zu befassen. Die Richter entschieden, dass auch die unbezahlte Schleichwerbung unzulässig ist. Das Verbot von Schleichwerbung soll sicherstellen, "dass die Interessen der Verbraucher als Zuschauer umfassend und angemessen zu schützen seien, Fernsehwerbung daher eine Reihe von Mindestnormen und Kriterien erfüllen müsse". Konsequenterweise darf es dabei keine Rolle spielen, ob der Webseitenbetreiber dafür ein Entgelt erhält oder nicht.

Für redaktionell gestaltete Inhalte gelten zudem die Regelungen im deutschen Pressekodex. Dort heißt es in Ziffer  7: "Verleger und Redakteure achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken." Seit Anfang 2009 gilt der Kodex auch für journalistische Beiträge in Onlinemedien. Es handelt sich zwar "nur" um eine freiwillige Selbstverpflichtung der Pressebranche, die Missachtung der darin dargestellten Grundsätze kann allerdings immer auch Futter in gerichtlichen Auseinandersetzungen über Rechtsverstöße in diesem Bereich bieten. Streng genommen ist aber die schärfste Sanktion für eine Verletzung eine Rüge durch den Presserat.

Ein heikles Thema ist Schleichwerbung in Blogs. Allen anderslautenden Gerüchten zum Trotz: Auch hier gilt das Verbot der Schleichwerbung. Werden Links im Auftrag eines Anbieters ohne ausreichende Kennzeichnung als Werbung in Blogs platziert, ist das rechtswidrig. Blogger sowie Auftraggeber können juristischen Auseinandersetzungen ausgesetzt sein, denn es handelt sich um verbotene "getarnte Werbung". Die Masche "Links gegen Geld" ermöglicht letztlich auch eine Manipulation der Reihenfolge von Links in Suchmaschinen. Werden beispielsweise in Blogs viele Links gesetzt, die auf einen Artikel verweisen, steigt dessen Relevanz, und Google & Co. zeigen den Artikel weiter oben an. Enthält dieser Werbung und lässt sich das nachweisen, kann ein Wettbewerber die juristische Keule schwingen.

Strenge Vorgaben für Werbung sieht auch der Jugendmedienschutzstaatsvertrag vor. Verboten ist es, Kindern und Jugendlichen durch Werbung einen körperlichen oder seelischen Schaden zuzufügen. Selbstverständlich gilt ein Werbeverbot für Alkohol und Tabak, ein Ausnutzen der Unerfahrenheit, das Anstiften der Eltern zum Kauf bestimmter Waren et cetera. Zudem gilt hier eine besondere Form des Trennungsgebotes: Kann Werbung Kinder oder Jugendliche in ihrer Entwicklung beeinträchtigen, muss sie von Angeboten getrennt werden, die sich an Kinder und Jugendliche richten.

Nicht verwechseln darf man die verbotene Schleichwerbung mit dem Product Placement. Letzteres ist seit ein paar Jahren in einigen Bereichen und dort in engen Grenzen erlaubt. Grundsätzlich aber bleibt Product Placement weiterhin verboten. Im Bereich "Kinofilme, TV-Serien und -Movies, Sportsendungen und Sendungen der leichten Unterhaltung" ist die juristisch Produktbeistellung genannte Werbeform gegen Entgelt gestattet. Letztlich geht es um die gezielte Platzierung von Produkten in diesen Medien. Klar ist, dass die gekaufte Berichterstattung in redaktionellen Medienbeiträgen nicht gestattet ist.

Ausdrückliche Regelungen zum Product Placement im Internet existieren nicht. Hier gilt also weiterhin das Verbot solcher Platzierungen nach dem Trennungsgebot, also der Trennung von Werbung von anderen Inhalten. Auf Internetfernsehen dürften die Ausnahmen aber anwendbar sein. Gerade in diesem Bereich ist aber rechtlich noch vieles unklar.

Wer sich nicht an diese juristischen Regeln hält, begeht meist einen Wettbewerbsverstoß. Das bedeutet, dass Konkurrenten sowie Verbraucherschutzverbände eine Abmahnung aussprechen können. Ist der Verstoß gegeben und der Verletzer einsichtig, unterwirft er sich am besten einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung. Man verpflichtet sich darin, das rechtswidrige Verhalten nicht zu wiederholen. Sollte es dennoch vorkommen, muss man eine angemessene Vertragsstrafe an den Abmahnenden bezahlen.

Nimmt der Betroffene die Abmahnung nicht hin, droht meist ein Gerichtsverfahren. Durch Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung versucht der Anspruchsteller vom Gericht eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungsverfügung zu erlangen. In jedem Fall ein meist unwillkommener Zeitaufwand, der mit hohen Kosten einhergeht. Praktisch selten, aber theoretisch denkbar ist bei schuldhaftem Handeln auch ein Schadensersatzanspruch. Andererseits mag es Grenzfälle geben, in denen eine wirtschaftliche Abwägung der Risiken angezeigt ist und man sich bewusst in eine rechtliche Grauzone begeben möchte.

Im Internet gelten wie in der Offline-Welt strenge Vorgaben für Inhalt und Darstellung von Werbung. Werbung muss als solche klar erkennbar sein. Sie darf sich nicht in redaktionellen Texten oder in Filmen verstecken. Ein Werbelink muss grafisch von anderen Inhalten abgehoben und eindeutig als Werbung erkennbar sein. Strenge Regeln gelten insbesondere im Zusammenhang mit Kindern und Jugendlichen.

Das Platzieren von Werbelinks oder Werbeinhalten in Blogs ist ebenfalls rechtswidrig, auch wenn sich in diesem Bereich vieles nicht beweisen lässt und sich hier einige Anbieter entsprechender Angebote tummeln. Einschlägige Urteile sprechen aber eine eindeutige Sprache. Überzogen ist sicher das unlängst ergangene Urteil, das das Einblenden von kurzen Werbefilmen vor dem Zugang zu kostenlosen Angeboten wie Onlinespielen verbietet. Über das Vorschalten von Werbung finanzieren sich viele kostenlose Angebote. Wie Richter hier in anderen Fällen entscheiden werden, bleibt abzuwarten. Auch die Grenzen zwischen zulässigem Product Placement und wettbewerbswidriger Werbung sind gerade im Internet noch nicht endgültig festgeschrieben.

Die rechtlichen Konsequenzen reichen von Abmahnungen durch Konkurrenten und Verbraucherschützer bis hin zu Gerichtsverfahren mit hohen Kosten. Hier kommen schnell ein paar Tausend Euro zusammen. Wer die Spielregeln kennt, vermeidet solche Risiken. Allerdings sind auch hier die Grenzen fließend. Zudem gibt es keine Garantie dafür, dass in noch nicht höchstgerichtlich entschiedenen Grenzfällen auch alles gut gehen wird. Letztlich bleibt Werbung aus rechtlicher Sicht immer mit einem gewissen Risiko verbunden. Man muss dies gegen die Chancen und Erwartungen im Einzelfall abwägen.

Der Autor Tobias Haar, LL.M., ist Syndikusanwalt und Rechtsanwalt mit Schwerpunkt IT-Recht. / (ur)
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