Indianer weinen nicht, aber wie steht’s mit den Häuptlingen?

Das Bild der weinenden Unternehmerin Maria-Elisabeth Schaeffler vor Augen, müssen auch wir uns mit der Frage befassen: Darf die das? Oder allgemeiner: Dürfen Manager weinen?

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Damian Sicking

Infineon-Chef Peter Bauer

(Bild: Infineon)

Lieber Infineon-Chef Peter Bauer,

die Lage von Infineon ist zum Heulen. Das Unternehmen schreibt Quartal für Quartal tiefrote Zahlen – allein in Q4/08 waren es rund 400 Millionen Euro Miese –, der Umsatz geht zurück, die Aussichten für das laufende Jahr sind schlecht, die Tochterfirma Qimonda ist pleite, der Aktienkurs am Boden, und die Aktionäre sind fassungslos, empört und verbittert. Wer würde es nicht verstehen, wenn Ihnen zum Heulen zumute ist. Aber dürfen Sie das? Einfach mal weinen, flennen, Tränen vergießen? So wie vor kurzem Maria-Elisabeth Schaeffler, die sogar vor laufenden Kameras und damit öffentlich die Schleusen öffnete und weinte.

Tja, das ist die Frage: Dürfen Manager weinen? Ich meine coram publico, nicht zu Hause an Mamas Busen. Für die Hardliner unter den Management-Experten ist die Antwort klar: Heulsusen auf dem Chefsessel – das geht gar nicht. "Einige emotionale Verhaltensweisen wie Weinen sind am Arbeitsplatz unerwünscht", sagt etwa die Diplom-Psychologin Sabine Adams in einem Artikel mit der Überschrift "Manager dürfen bei der Arbeit nicht weinen". Ein Manager, der nach einer falschen Entscheidung in Tränen ausbricht, müsse in Zukunft um seine Autorität fürchten, heißt es dort weiter. Vielmehr sei es ein Zeichen von Professionalität, wenn man seine Emotionen "bei Bedarf" unterdrücke. "Bei Bedarf", das ist eine interessante Formulierung. Wenn ich das richtig verstehe, ist es also auch durchaus ein Zeichen von Professionalität, Emotionen "bei Bedarf" zu zeigen.

Und wenn wir einmal in unsere Betriebe hineinschauen, dann stellen wir fest, dass dies ja auch geschieht. Ein Mal im Jahr, regelmäßig im Dezember, sind wir immer ganz begeistert, wenn der Vorsitzende der Geschäftsführung auf der Weihnachtsfeier seine Ansprache ans Volk mit ein paar Tränen der Rührung anreichert, weil sich seine Mitarbeiter das ganze Jahr über wieder so mächtig ins Zeug gelegt haben und ihm damit einen satten Bonus verschafft haben. "Ich bin so stolz, Ihr Chef zu sein, schluchz, schnief". So was kommt bei der Belegschaft gut an, besonders bei den Frauen.

Dürfen Wirtschaftskapitäne weinen? Meine klare Antwort: Ich finde es zwar ein bisschen peinlich, dieses öffentliche Geflenne, aber wenn ein Manager partout sein Wasser nicht halten kann ... Ich kann ja weggucken. Irgendwie ist es ja auch logisch: Wirtschaftskapitäne, die nahe am Wasser gebaut haben – das passt. Das findet übrigens auch der Kabarettist und Moderator des Magazins "Quer" im Bayerischen Fernsehen, Christoph Süß, der einen wunderschönen Blues mit dem Titel "Auch Manager weinen" geschrieben hat, den Sie, lieber Herr Bauer, sich unbedingt anhören und ansehen sollten. Viel wichtiger als die Frage, ob Manager weinen dürfen, ist für mich aber ein andere Frage, nämlich: Dürfen Wirtschaftskapitäne lachen? Dazu die klare Antwort: Sie müssen!

Beste Grüße

Damian Sicking

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