Insolvenzrecht: Finanzministerium plant Gläubiger-Ranking

Wird eine Firma insolvent, dann sitzen alle Gläubiger im selben Boot, denn das Geld wird gerecht unter allen Gläubigern verteilt. Künftig soll der Fiskus bevorzugt werden und damit auch mehr Einfluss auf Insolvenzverfahren erhalten. Gläubigerverbände fürchten eine neue Pleitewelle.

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Von
  • Marzena Sicking

Das Bundesministerium für Finanzen (BMF) hat im Gesetzesentwurf zum Haushaltsbegleitgesetz Änderungen vorgelegt, der die Gläubigerverbände auf die Barrikaden bringt: "Sollte diese Änderung erfolgen, würde das bestehende Insolvenzrecht ausgehebelt – mit fatalen wirtschaftlichen Folgen", so Prof. Dr. Hans Haarmeyer, Vorstandsvorsitzender der Gläubigerschutzvereinigung Deutschland e.V. Sein Verband spricht gar von einem "Generalangriff auf das Insolvenzrecht".

Denn nach den Vorstellungen des BMF soll es bei den Gläubigern künftig wieder Rangklassen geben. Demnach würden an erster Stelle die Forderungen des Fiskus stehen, ausstehende Zahlungen an Sozialversicherungsträger und Bundesagentur für Arbeit an zweiter. Alle anderen Verbindlichkeiten kommen erst an dritter Stelle. Außerdem sollen Schulden beim Finanzamt und bei Sozialversicherungsträgern zu Masseverbindlichkeiten und ihre Aufrechnung bzw. Anfechtung für unzulässig erklärt werden.

Bislang gilt für alle Gläubiger der Gleichheitsgrundsatz der 1999 in Kraft getretenen Insolvenzordnung (InsO). "Kein Faustrecht des Stärkeren und kein Vorteil des Schnelleren", erklärt Professor Haarmeyer. Alle Gläubiger – in ihrem persönlichen Schaden ohnehin wirtschaftlich gleichsam betroffen – wurden gleichmäßig und gerecht bedient. "Der Strahl der Gießkanne war an allen Enden für alle Betroffenen gleich stark". Die InsO sanktionierte sogar rechtswidriges Verhalten eines Gläubigers, wenn der sich in kritischer Zeit Vorteile verschaffte. Nun sollen diese Regeln für den Fiskus nicht mehr gelten.

Kritiker wie der Gläubigerverband sehen damit nicht nur die Chance der anderen Gläubiger schwinden, auch noch an ihr Geld zu kommen, sondern fürchten auch, dass die staatliche Privilegierung das Schicksal von bis zu 8.000 eigentlich sanierungsfähigen Unternehmen besiegeln könnte: "Ein Ziel der Insolvenzverordnung war seinerzeit, betroffenen Betrieben eine Chance für eine positive Fortführung zu geben. Über die Durchführung solcher Insolvenzpläne entschied die Gläubigerversammlung. Mit der geplanten Änderung kann die Finanzverwaltung als bevorzugtes Mitglied künftig nicht mehr durch die anderen Gläubiger überstimmt werden", so Haarmeyer. Man müsse damit rechnen, dass die Finanzverwaltung einen Insolvenzplan tendenziell eher ablehnen wird, wenn ihr damit Aufrechnungsmöglichkeiten entgehen. "Damit ist künftig die Finanzverwaltung nicht nur Herr des Insolvenzverfahrens, sondern zugleich auch Herr der Sanierung, zu der sie allerdings keinen Beitrag leisten muss – anders als die Masse der übrigen Gläubiger", so Haarmeyer. Auch in diesem Punkt werde der Fiskus also bevorzugt. Der Verband fordert daher, die geplante Gesetzesänderung sofort zurückzunehmen. (map)
(masi)