Keine Vorbilder im Management

Der Großteil der deutschen Arbeitnehmer traut seinen Vorgesetzten nicht über den Weg. Das ist schlimm. Noch schlimmer ist allerdings, dass das schlechte Gefühl sie nicht trügt.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Die Studien, die in den letzten Tagen veröffentlicht wurden, zeichnen kein gutes Bild von den leitenden Angestellten in deutschen Unternehmen. Das fängt schon beim Thema Wertekultur an: Nur jeder zweite Beschäftigte weiß, für welche Werte sein Unternehmen überhaupt steht. Und wenn sie es wissen, dann halten sie die Aussagen der Vorgesetzen für Schall und Rauch: Laut einer Studie von Rochus Mummert sagen 50 Prozent der Mitarbeiter, dass sich ihre Vorgesetzten Kundenorientierung, Fairness, Bescheidenheit oder Pflichterfüllung offiziell auf die Fahnen schreiben, aber genau diese Eigenschaften im Arbeitsalltag dann vermissen lassen.

Nur 17 Prozent der Vorgesetzten wird bescheinigt, dass sie nicht nur hübsche Floskeln von sich geben, sondern die angeblichen Werte auch leben. So kann weniger als ein Viertel der Beschäftigten das Verhalten seiner Vorgesetzten nachvollziehen, acht von zehn sprechen ihrer Firmenleitung gar komplett die Glaubwürdigkeit ab. Nur 16 Prozent der Angestellten sehen die Führungskräfte als Vorbilder an. Das ist in vielen Fällen wohl auch gut so, denn vorbildlich benehmen sich viele von ihnen wirklich nicht.

Bei den Unternehmenswerten flunkern, ist da noch harmlos im Vergleich zu dem, was eine aktuelle Studie der Beratungsgesellschaft KPMG aufdeckt. Demnach ist jedes zweite Großunternehmen und jeder vierte Mittelständler in den letzten zwei Jahren schon mal Opfer von Wirtschaftskriminalität geworden. Der durchschnittliche Schaden lag bei 30.000 Euro pro Fall. Das allein ist schon erschreckend, doch noch viel übler ist die Tatsache, dass in 48 Prozent der Fälle die eigenen Mitarbeiter, auch die Täter waren. Die Hälfte der Langfinger gehört dem Management an und ist seit längerer Zeit im Unternehmen, genießt also eine besonders vertrauensvolle Stellung. Solchen Mitarbeitern wird es oft besonders leicht gemacht, denn sie werden meist selbst mit der Kontrolle oder dem Schutz der Daten beauftragt und kennen die Schwachstellen im System daher besonders gut. Diebstahl und Unterschlagung, Betrug und Untreue sind hier die häufigsten Delikte, oftmals werden die Taten nur durch Zufall entdeckt. Denn im Verdacht stehen meist die anderen Arbeitnehmer: zwei Drittel der Topmanager geben ihren Mitarbeitern keinen Vertrauensvorschuss. Im Gegenteil: in jedem vierten Unternehmen gilt: "Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser". Nur wird offenbar nicht immer an der richtigen Stelle genau hingeschaut.

Ehrliche Führungskräfte zahlen sich übrigens in doppelter Hinsicht aus. Zum einen fällt der Schaden durch Wirtschaftskriminalität im eigenen Unternehmen deutlich geringer aus, zum anderen sind die Mitarbeiter deutlich produktiver: Der Großteil der Mitarbeiter, die sich mit ihrem Arbeitsplatz zufrieden zeigen, billigt dem eigenen Chef eine hohe moralische Integrität zu. (gs)
(masi)