Kolumne: Bei immer mehr IT-Herstellern ist alles im grünen Bereich

Grün als Wettbewerbsvorteil! Immer mehr IT-Hersteller entdecken die Ökologie als Verkaufsargument und stellen entsprechende Produkte und Initiativen vor. Wir warten auf ein anerkennendes Wort unseres Bundesumweltministers.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Damian Sicking

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel

(Bild: Bundesumweltministerium/Frank Ossenbrink)

Lieber Umweltminister Sigmar Gabriel,

immer mehr IT-Hersteller entdecken ihr ökologisches Gewissen. "Green IT" ist das Schlagwort der Stunde. Auf der CeBIT 2009 (Hannover, 3. bis 8. März) wird "Green IT" ein Schwerpunktthema sein. Inzwischen gibt es bereits PC-Gehäuse aus Holz, Bambus und Pappe. Wenn morgen jemand ein Notebook aus Esspapier vorstellen würde, wer würde sich wundern? In Deutschland ist es von den großen Herstellern in erster Linie Fujitsu Siemens (FSC), der schon vor Jahren das Thema Umweltschutz auf seine Agenda setzte und sich in seiner Kommunikation nach außen als "Öko" positionierte. FSC ist ganz klar der grüne Pionier. Inzwischen haben auch andere Hersteller das Thema für sich entdeckt. Sie schlagen sich bereits darum, wer von ihnen der grünste Anbieter ist. Als wenn die Marktforscher eine neue Kategorie eingeführt hätten, wollen nun plötzlich alle Marktführer im Segment Ökologie werden.

Beispielsweise Dell. Jahrelang hat man von dem texanischen Hersteller kaum ein Wort zu den Themen Umweltschutz, Ökologie, Natur, Treibhausgase und Nachhaltigkeit gehört. In den letzten Wochen und Monaten drängt sich das Unternehmen mit immer neuen Ankündigungen und Absichtserklärungen nach vorne. Fast schon gewinnt man den Eindruck, bei Dell handele es sich nicht um ein Industrieunternehmen, sondern um eine Non-Profit-Organisation im Stile des World Wildlife Fund. Ich habe hier mal ein paar Schlagzeilen zusammengestellt:

1.10.2008: "Dell baut sein gesellschaftliches Engagement weiter aus."

30.9.2008: "Dell erweitert sein Drucker-Angebot um besonders energieeffiziente Lasermodelle."

29.9.2008: "Dell ist führend beim Umstieg auf energiesparende LED-Displays."

26.9.2008: "Michael Dell würdigt in Brüssel die Vorreiterrolle der EU beim Umweltschutz."

12.8.2008: "Dell schützt den Regenwald in Madagaskar."

6.8.2008: "Dell ist CO2-neutral."

5.6.2008: "Dell übernimmt Vorreiterrolle bei Green IT."

15.5.2008: "Dell reduziert Stromverbrauch seiner PCs um 25 Prozent bis 2010."

23.4.2008: "Dell setzt auf grüne Energie."

Am besten gefällt mir die Schlagzeile "Michael Dell würdigt in Brüssel die Vorreiterrolle der EU beim Umweltschutz." Die EU-Kommission wird sich zweifellos über dieses Lob gefreut haben, da der Texaner ja berühmt ist als Koryphäe auf dem Gebiet des Umwelt- und Naturschutzes. Aus dem Munde eines zwar erfolgreichen, aber in der Sache Ökologie unbeleckten Unternehmers wäre das Lob nicht einmal halb so viel Wert. Was mich nur stutzen läßt: Hätte nicht eigentlich die EU-Kommission diese Presseinformation verschicken müssen?

Aber egal, warum so kleinlich? Ganz im Ernst: Ist es nicht toll, was die IT-Branche in so kurzer Zeit auf die Beine gestellt hat? Vor allem im Vergleich mit der Automobilbranche. Die hat bekanntlich bisher außer Zukunftszenarien noch nicht allzuviel vorgestellt, vor allem keine vermarktbaren Produkte. Die ökologischen Bemühungen und vor allem die bereits erreichten Resultate der IT-Branche verdienen Anerkennung, ich meine: auch aus Ihrem Hause, lieber Herr Bundesumweltminister.

Was mich vor allem freut, ist, dass die IT-Branche ihren alten Schwung noch nicht verloren hat. Hier wird nicht viel rumgelabert, sondern gehandelt. Eine bemerkenswerte Initiative hat zum Beispiel die bereits erwähnte Firma Fujitsu Siemens mit dem "Green IT Train" gestartet. Wie viele andere Unternehmen bezieht FSC Halbfertigprodukte wie zum Beispiel PC-Gehäuse aus Fernost. Üblicherweise werden diese per Schiff (dauert lange) oder per Flugzeug (teuer und sehr schlechte Klimabilanz) nach Europa gebracht. Zum ersten Mal nun hat FSC die Ware per Zug transportieren lassen. Dieser Transportweg erzeugt weniger als fünf Prozent des CO2-Ausstoßes im Vergleich zur Luftfracht und ist um ein Drittel schneller als die Seefracht. Der "Green IT Train" hatte sich im 19. September in Xiangtang, etwa 700 Kilometer nördlich von Hongkong, in Bewegung gesetzt, um pünktlich am vergangenen Montag in Hamburg einzutreffen. Besonders bemerkenswert finde ich, dass durch den Umstieg von Luftfracht auf Bahnfracht mit einem einzigen Zug eine Menge an Treibhausgasen vermieden werden kann, die rund 10 Millionen gefahrenen Kilometern mit einem Mittelklassewagen entspricht (behauptet FSC jedenfalls). Jetzt will der deutsche IT-Hersteller den Transport per Zug zu einer festen Einrichtung machen.

Dass die Hersteller nicht allein deshalb plötzlich zu Ökos werden, weil ihr Vorstandsvorsitzender ein starkes Verantwortungsgefühl für die Umwelt entdeckt hat, sondern sie sich hieraus einen Wettbewerbsvorteil versprechen, tut der guten Sache keinen Abbruch. Im Gegenteil. Das sorgt am ehesten dafür, dass es sich nicht nur um ein kurzfristiges Marketingthema handelt. Daher sollten Sie, lieber Herr Bundesminister, die IT-Branche ruhig einmal loben. Gerne auch öffentlich.

Beste Grüße

Damian Sicking

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