Kolumne: Dell strukturiert um - aus Arroganz oder aus Verzweiflung?

Zu Beginn des Jahres verkündete Computerbauer Dell, er werde seine weltweiten BtB-Aktivitäten zentralisieren. Keine gute Idee, meint Heise-resale-Kolumnist Damian Sicking.

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Von
  • Damian Sicking

Dell-Geschäftsführerin Dorothee Stolzenberg

(Bild: Dell)

Liebe Dell-Geschäftsführerin Dorothee Stolzenberg,

zum Jahresanfang hat das Dell-Headquarter in Austin eine weitreichende Neuorganisation bekannt gegeben. Nachdem das Privatkundengeschäft bereits neu aufgestellt worden war, sollen nun auch die Aktivitäten im Business-to-Business-Segment zentralisiert werden. In Zukunft wird es zentrale weltweite Zuständigkeiten geben für die drei Bereiche Großkunden, kleine und mittlere Unternehmen sowie öffentliche Auftraggeber.

Wie diese Struktur konkret aussieht, ist noch nicht klar. Sicher aber ist, dass damit eine Schwächung der Landesgesellschaften und ihrer Geschäftsführer verbunden ist. Für Sie, liebe Frau Stolzenberg, ist dies also kaum eine gute Nachricht zum Jahresbeginn. Zumal das Problem bei dieser neuen Struktur – wie die Erfahrung in anderen Fällen zeigen – auch darin liegt, dass das deutsche Management in der Regel kaum eigene Entscheidungen treffen darf, aber zur Verantwortung gezogen wird, wenn die Sache nicht funktioniert und die Zahlen nicht stimmen. Mit anderen Worten: Für die Erfolge sind immer die anderen, für die Misserfolge ist man selbst verantwortlich. Auf die Dauer kann das ganz schön frustrierend sein.

Es stellt sich natürlich die Frage, warum Dell überhaupt die Struktur ändert. Die einfache Antwortet lautet, dass die hohen Herren in der texanischen Zentrale offenbar der Ansicht sind, dass das bisherige denzentrale System mit den Verantwortlichkeiten in den Landesgesellschaften heute nicht mehr die optimale Lösung ist und sie es besser können. Hier hat offenbar jemand das alte Motto "Think globally, act locally" so verstanden, dass die Häuptlinge in der Zentrale die großen Strategien entwerfen und die Indianer in den Weltprovinzen die Befehle ausführen.

Was mich am meisten an dieser Meldung über die Reorganisation bei Dell erstaunt, ist, dass diese zentralistische Denkweise immer noch nicht ausgestorben ist. Denn in der Vergangenheit ist schon zu oft bewiesen worden, dass dieser Ansatz nicht funktioniert. Ich frage mich, was in den Köpfen der amerikanischen Dell-Managern vorgeht. Wie kommen sie auf den Gedanken, dass sie die Lage in den unterschiedlichen nationalen Märkten, gerade im stark fragmentierten Europa, besser einschätzen und dementsprechend wirksamere Strategien entwickeln können als das jeweilige Management vor Ort? Ist das noch Arroganz oder schon Verzweiflung? Aber gut, wir wissen zwar, dass alle Fehler schon mal gemacht worden sind – nur nicht von allen. Insofern haben auch die Dell-Spitzenleute das Recht, ihre eigenen Fehler zu machen. Vielleicht haben sie sich aber auch nur von "Change" und "Yes we can" im Obama-Land anstecken lassen.

Was Dell macht, ist eine sehr gravierende Veränderung. Dell schmeißt mal eben in einem wichtigen Bereich alles um. Die Chance, dass die Amerikaner damit die Leistungsfähigkeit des Unternehmen mindern und damit seine Wettbewerbsposition schwächen, ist hoch. Veränderungen, gerade in diesem Ausmaß, sind eine Medizin, die nur sehr vorsichtig und nach gründlicher vorheriger Diagnose verabreicht werden sollten. Denn die Nebenwirkungen können verheerend sein. Es ist eine Illusion zu glauben, dass Veränderungen immer nur zu einer Verbesserung führen. Oft ist eine Verschlechterung die Folge. Das wird häufig vergessen. Von dem deutsche Aphoristiker und Physiker Georg Christoph Lichtenberg (1742–1799) stammt der Satz "Es ist nicht gesagt, dass es besser wird, wenn es anders wird. Wenn es aber besser werden soll, muss es anders werden". Hört sich zwar schön an, ist aber trotzdem Unfug. Gerade weil der erste Satz in dem Zitat von Lichtenberg richtig ist, muss man mit dem zweiten Satz sehr vorsichtig umgehen. Denn es kann nach bzw. aufgrund einer Veränderung zwar besser werden, es kann aber auch sehr viel schlechter werden. Blöd, wenn man das vorher nicht weiß. Was würden Sie, liebe Frau Stolzenberg, einem Arzt antworten, der Ihnen sagt, dass es Ihnen nach der Einnahme der Medizin ganz gewiss anders gehen werde, er wisse nur noch nicht, ob besser oder schlechter? Es gibt Situationen, da ist das Beste, was man tun kann, nichts zu tun (in dem Sinne, dass man nichts verändert). Und je unüberschaubarer die Lage, desto eher würde ich dazu tendieren, keine gravierenden Veränderungen vorzunehmen.

Damit soll nicht gesagt sein, dass Dell nichts tun muss, um die Wettbewerbsposition zu verbessern. Produkte lassen sich immer verbessern und Vertriebsorganisationen optimieren. Aber diese geplante oder bereits beschlossene Strukturveränderung halte ich für keine Verbesserung – höchstens für eine Verschlimmbesserung.

Beste Grüße

Damian Sicking

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