Kolumne: Firmengründungen sind wichtig – Firmengründer weniger

Eine neue wissenschaftliche Untersuchung legt die Vermutung nahe, dass der Firmengründer für den Geschäftserfolg eines neuen Unternehmens weit weniger bedeutsam ist als gemeinhin angenommen.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Damian Sicking

Wirtschaftswissenschaftler Joseph Schumpeter: Plädoyer für das Unternehmertum

Liebe Unternehmensgründer,

in Deutschland werden immer weniger Unternehmen gegründet. Wie das Statistische Bundesamt in der vergangenen Woche mitteilte, ging die Zahl der Gewerbeanmeldungen im ersten Halbjahr 2008 um 3,1 Prozent auf 427.000 zurück. Darin enthalten sind auch 126.000 Nebenerwerbsbetriebe. Besonders deutlich fiel der Rückgang im Bereich Kleinunternehmen aus: minus zehn Prozent auf 147.000 Neugründungen. Die Zahl der neu aufgebauten größeren Betriebe ging um zwei Prozent auf 78.000 Firmen zurück.

427.000 Gewerbeneuanmeldungen hört sich eigentlich gar nicht so schlecht an. Aber der Trend! Der Trend ist negativ. Deshalb sind Verbände und Politik besorgt. Wenn diese Entwicklung anhält, warnt ein Vertreter des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), dann werden wir im Jahr 2050 in Deutschland rund 700.000 Unternehmen und 1,6 Millionen Arbeitsplätze weniger haben. Das macht in der Tat Angst: Denn das Jahr 2050, das ist ja schon in 42 Jahren.

Der wesentliche Grund für die unbefriedigende Zahl der Firmengründungen liegt nach Beobachtung des DIHK in der "mangelnden Kultur der Selbstständigkeit". Der für Mittelstand und Existenzgründung zuständige DIHK-Referatsleiter Marc Evers sagt: "In vielen Schulbüchern wird immer noch ein negatives Bild von den Unternehmern gezeichnet." Da hat er nicht ganz Unrecht. Und nicht nur in den Schulbüchern. Auch im Film. Achten Sie doch einmal darauf, welches Bild in unseren deutschen Filmen und Serien vom Unternehmer gezeichnet wird. Da ist der Unternehmer fast immer ein unsympathischer, skrupelloser, korrupter, selbstsüchtiger und betrügerischer Bonze, der oft auch noch jemanden umgebracht hat – aus niederen Motiven natürlich. Wenn er es nicht getan hat, dann nur, weil er zu feige war. Glauben Sie, dass sich viele Kinder und Jugendliche so jemanden zum Vorbild nehmen? "Ich will so werden wie das Charakterschwein aus dem Film!"?

Seit dem Ökonom Joseph Schumpeter wissen wir, dass das Unternehmertum ein wichtiger Faktor für die langfristige wirtschaftliche Entwicklung eines Landes ist. Liebe Unternehmensgründer, von Ihnen hängt also eine ganze Menge ab. Aber was heißt das? Was ist ausschlaggebend für den Erfolg eines neuen Unternehmens? Ist es in erster Linie die richtige Geschäftsidee oder ist es vor allem die Unternehmerpersönlichkeit? Diese Frage war weitgehend ungeklärt – auch wegen der methodischen Schwierigkeiten.

Der norwegische Wirtschaftswissenschaftler Hans K. Hvide hat im Mai dieses Jahres eine Forschungsarbeit (PDF) veröffentlicht, die eben dieser Frage nachging. Er untersuchte Start-up-Unternehmen, in denen der Gründer unerwartet gestorben ist. Seine Hypothese lautete: Wenn der Erfolg der Firma wesentlich von der Person des Gründers abhängt, dann müssen die Geschäfte nach dessen Tod spürbar schlechter laufen. Ich kann an dieser Stelle nicht ausführlich auf die Details der Studie eingehen – für eine Zusammenfassung empfehle ich Ihnen den Artikel "Warum Sie Steve Jobs nicht überschätzen sollten" im Handelsblatt –, daher hier nur das wesentliche Ergebnis. In 181 der von Hvide untersuchten Firmen starb der Unternehmer in den ersten Jahren der Selbstständigkeit, die Firmen bestanden im Schnitt gut drei Jahre. Die meisten dieser Firmen haben das Ableben ihres Gründers mehr oder weniger unbeschadet überstanden. In ihrer Entwicklung zeigten die Unternehmen kaum Unterschiede zu Firmen, in denen der Gründer nicht gestorben ist. Daher lautet das Fazit des norwegischen Wirtschaftswissenschaftlers: "Junge Firmen scheinen weit weniger von ihrem Gründer abhängig zu sein, als man gemeinhin erwarten würde."

Die entscheidende Phase, in der es auf die Unternehmerpersönlichkeit ankomme, liegt daher nach Angaben von Hvide bereits vor der Firmengründung und der Aufnahme der Geschäftstätigkeit, nämlich bei der Entwicklung der unternehmerischen Vision. Läuft der Laden erst einmal, sei der Mann oder die Frau an der Spitze von geringerer Bedeutung.

Ein interessantes Ergebnis, nicht wahr? Sie, liebe Firmengründer, sind wichtig, aber soooo wichtig nun auch wieder nicht. Überhaupt machen sich offenbar viele Menschen eine falsche Vorstellung von der Bedeutung der Firmenchefs – vor allem die Firmenchefs selber.

Beste Grüße

Damian Sicking

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