Kolumne: Im Also-Konzern sind Manager mit Sanierqualitäten gefragt

Erst Polen, jetzt Schweden: Also schließt defizitäre Standorte des 2006 übernommenen Distributors GNT. Auch Norwegen blutet. Jede Menge Arbeit für Manager mit Saniererqualitäten wie den Deutschen Michael Dressen.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Damian Sicking

Also-Chef Thomas Weissmann

(Bild: Also)

Lieber Also-Chef Thomas Weissmann,

als Sie Michael Dressen im Juni 2005 zum Geschäftsführer der deutschen Also-Tochter beriefen, sorgte dies bei einigen Mitarbeitern in Straubing für Verunsicherung, und nicht alle waren begeistert. Denn Dressen eilte der Ruf eines Sanierers voraus. "Sind unsere Probleme so groß?" und "Was kommt da an Kostensenkungsmaßnahmen auf uns zu?" – so oder ähnlich lauteten die Fragen, die in Alsos Deutschland-Filiale damals gestellt wurden. Dressen selber war immer bemüht, dieses Image als Sanierer zu relativieren. Er könne auch ein Unternehmen aufbauen und entwickeln, sagte er. Inzwischen hat er mit seiner Arbeit bei Also gezeigt, dass diese Behauptung nicht das Ergebnis einer Selbsttäuschung ist: Immerhin hat Also unter Dressens Führung in Deutschland den Umsatz innerhalb von drei Jahren bis 2007 verdoppelt und die Milliardengrenze überschritten. Zudem erzielten die Straubinger auf der Profitseite 2007 das beste Ergebnis in der Firmengeschichte.

Dass Michael Dressen, der sei einiger Zeit auch für die notleidenden Töchter in Norwegen und Schweden verantwortlich ist, kein reiner Sanierer ist, zeigte er auch jetzt wieder. Er hat die Problemtochter in Schweden nicht saniert, sondern dichtgemacht. Der Grund: Da gab es nichts mehr zu sanieren. Die versuchten lebensrettenden Maßnahmen im vergangenen Jahr (100 Mitarbeiter weniger, Reduzierung der Lieferanten von 170 auf 50) konnten die Blutungen nicht stoppen. Ein Fortführen der Agonie hätte nur noch mehr Geld gekostet. Das ist vielleicht eine der Stärken von Dressen: Wenn er eine Entscheidung als richtig und notwendig erkannt hat, dann zieht er sie durch: schnell, leidenschaftslos, konsequent.

Norwegen läuft ja ebenfalls nicht rund und ist defizitär, dort scheint die Lage aber noch nicht aussichtslos zu sein. Anders dagegen in Polen. Hier haben Sie im Oktober dieses Jahres die Bücher zugeklappt. Richtig gut scheint es für GNT derzeit nur in Finnland zu laufen.

Ich frage mich, ob Sie, lieber Herr Weissmann, die GNT-Akquisition von 2006 nicht inzwischen als einen großen Fehler ansehen. Immerhin haben Sie damals 57,7 Millionen Schweizer Franken (CHF), umgerechnet 36,6 Millionen Euro, investiert – für 50,1 Prozent der GNT-Anteile wohlgemerkt. Zuerst sah natürlich alles ganz toll aus, doch schon bald tauchten die ersten Überraschungen auf. Kann sich jemand das Entsetzen bei Ihnen vorstellen, als die frisch akquirierte Tochter statt des erwarteten Reingewinns von acht bis neun Millionen CHF bereits wenige Monate nach der Übernahme einen Verlust von 11,6 Millionen CHF meldete? So etwas nennt man dann wohl ein böses Erwachen aus einem schönen Traum.

Die Probleme gingen weiter: Wann immer irgendwo eine Blutung gestillt war, trat an einer anderen Stelle ein Wunde auf. Im Januar dieses Jahres teilten Sie mit, dass die GNT-Niederlassungen in Osteuropa und Finnland ab der zweiten Jahreshälfte 2007 profitabel waren – vor allem Polen (!) entwickelte sich damals gut –, ihr Gewinn die Verluste in Schweden und Norwegen aber nicht kompensieren konnten. Nach den ersten neun Monaten dieses Jahres dann plötzlich der Schock: In Osteuropa lagen die Erlöse um 13 Prozent unter dem Vorjahr, in den baltischen Staaten blieb wenigstens noch ein kleiner Betriebsgewinn übrig, im Gegensatz zum früheren Aushängeschild Polen, das total eingebrochen war.

Mit anderen Worten: Sie haben sich mit der Übernahme der GNT einen Sack voll Probleme ins Haus geholt, die nicht nur das Ergebnis der Also-Gruppe belasten, sondern auch ungeheure Management-Kapazitäten verschlingen. Und die Herausforderungen in den Kernländern Schweiz und Deutschland werden gleichzeitig ja auch nicht weniger. Zwar konnten Sie hier die Umsätze in den ersten neun Monaten dieses Jahres um 15 Prozent erhöhen, doch vor allem aufgrund des schwierigen Marktumfelds und des Margendrucks fiel der Gewinn unter das Vorjahresniveau.

Lieber Herr Weissmann, Anfang 2007 werteten Sie die Akquisition von GNT noch als einen richtigen Schritt für Alsos Zukunft. Die Erwartungen waren sehr hoch. Inzwischen müssen Sie sehr enttäuscht sein. Ich kann mir kaum vorstellen, dass Sie im Lichte der Erkenntnisse und der Entwicklungen der vergangenen beiden Jahre die Entscheidung von 2006 noch einmal genauso treffen würden. Und es stellt sich ja auch noch die Frage, wie Sie mit der Option verfahren werden, die restlichen Anteile der GNT zu übernehmen. Diese Option läuft 2010 aus, der Kaufpreis soll sich am Gewinn orientieren, den GNT in den Jahren 2007 und 2008 erzielt bzw. erzielt hat. Wenn das so ist, müssten Sie ja noch was rauskriegen.

Lieber Herr Weissmann, ich kann mich noch gut erinnern, wie vor allem die Schweizer Analysten und Journalisten Sie vor dem Jahr 2006 immer wieder mit der Frage bedrängt haben, wann Sie endlich welchen Distributor in Europa übernehmen werden. Lange haben Sie immer wieder dieselbe Antwort gegeben: Wir übereilen nichts, wir gehen sehr sorgfältig vor und schlagen erst dann zu, wenn wir den richtigen und zu uns passenden Kandidaten gefunden haben. Daher waren ja auch die Erwartungen so groß, als Sie Mitte 2006 die Übernahme von GNT verkündeten. Aber jetzt, zweieinhalb Jahre später, muss man wohl feststellen, dass diese Akquisition so richtig schiefgelaufen ist. Für Manager mit Saniererqualitäten wie Michael Dressen ist jedenfalls noch reichlich zu tun.

Beste Grüße

Damian Sicking

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