Kolumne: Immer sind die anderen Schuld - jetzt gerne die Wirtschaftskrise

Wann immer eine Firma in Schwierigkeiten steckt, sind die anderen Schuld. Kann nicht mal ein Vorstand oder Geschäftsführer sagen: Ich hab´s vermasselt?

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 2 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Damian Sicking

Lieber BUG-Chef Christian Böhme,

Schuld an der Insolvenz Ihres Unternehmens BUG sind wieder einmal die Anderen. Die Anderen, das sind im Fall der BUG erst einmal die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise, also Lehman Brothers. Diese Herausforderung allein hätten Sie ja vielleicht noch verkraftet, aber dann kam da noch die böse Konkurrenz, die Ihnen einfach so die Mitarbeiter ausspannte. Die besten Mitarbeiter, wie man annehmen darf. Tja, gegen solche perfiden Abwerbeversuche, da kann man gar nichts machen, da sind einem ganz einfach die Hände gebunden. Den Rest haben dann die Medien erledigt: "Presseberichte über das Abwerben von Mitarbeitern durch einen Wettbewerber haben das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Unternehmens belastet", schreiben Sie in einer Stellungnahme. Hm, es war also nicht die abnehmende Leistungsfähigkeit des Unternehmens selbst, die das Vertrauen der Lieferanten schwinden ließ, sondern ausschließlich die Presseberichte über das Abwerben von Mitarbeitern. Wieder so ein paar verantwortunglose Journalisten, die ein an sich pumperlgesundes Unternehmen in den Abgrund reißen. Schlimm!

Die Wirtschaftskrise kommt manchen Firmen – nein ich will nicht sagen, wie gerufen, das wäre übertrieben. Aber wenn sie schon einmal da ist und selbst die Dax-Unternehmen in Schwierigkeiten geraten, da kann man doch prima auf diesen Zug aufspringen. BUG war das erste Beispiel. Der E-Tailer Home of Hardware (HoH) ist das zweite. HoH ist zwar nicht pleite, leidet aber nach eigenen Angaben auch ganz doll unter den Folgen der Subprime-Krise.

Es sind aber nicht nur die beiden vergleichweise kleinen Firmen aus Alfeld/Goddenau (BUG) und Westendorf (HoH), die ihre Geschäftsentwicklung in den globalen Konjunkturverlauf einsortieren. Auch die Schwergewichte nutzen die Wirtschaftskrise als Legitimation (manche sagen "Ausrede"), um längst fällige Wartungsarbeiten durchzuführen. Das Unternehmen SAP zum Beispiel hat ja einen ganzen Katalog von Sparmaßnahmen angekündigt, um den Folgen der Wirtschaftskrise zu begegnen. Nun gibt es Experten, die sagen, dass SAP die Finanzkrise nur als Deckmantel für einige bei den Mitarbeitern unpopuläre Maßnahmen nutzt. So schreibt die Wirtschaftswoche in ihrer Ausgabe 44/08 (S. 123): "Die Finanzkrise kommt SAP fast gelegen. Unter ihrem Deckmantel kann der Softwarerriese ungelöste Probleme und eigene Fehler verstecken." Und der Marktforscher Helmuth Gümbel ("Strategy Partners") sagt im selben Beitrag: "Die Banken- und Wirtschaftskrise ist für die Walldorfer ein Geschenk Gottes." Wenig überraschend, dass SAP diese Sichtweise nur bedingt teilt.

Aber es gibt auch Firmen, die haben es nicht nötig, sich für schlechte Nachrichten auf die Wirtschaftskrise zu berufen. Wie zum Beispiel der Navigationsgerätehersteller Myguide. Das Unternehmen hängt zwar auch am Fliegenfänger, macht aber dafür wenigstens nicht die globale Konjunkturkrise verantwortlich. Aber auch bei Myguide sind wieder die anderen Schuld: Nämlich in diesem Fall der böse und hundsgemeine holländische Investor, der sich plötzlich als miese Heuschrecke entpuppte und das Unternehmen über die Klinge springen ließ, als ihm danach war.

Wissen Sie, was ich mir wünschen würde, lieber Herr Böhme? Dass mal ein Vorstand oder Geschäftsführer, dessen Firma in Schwierigkeiten steckt, ganz einfach sagt: Ich hab´s vermasselt.

Beste Grüße

Damian Sicking

Weitere Beiträge von Damian Sicking finden Sie im Speakers Corner auf heise resale. ()