Kolumne: Lenovo oder Wie schön ist es heute, ein chinesischer Hersteller zu sein?

China steht beim deutschen Verbraucher nicht gerade im Ruf, ein Herstellungsland von Qualitätsprodukten zu sein. Für den PC-Hersteller Lenovo mit chinesischen Wurzeln eine Herausforderung. Da kann das Consumer-Geschäft von FSC sehr interessant werden.

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Von
  • Damian Sicking

Lieber Lenovo-Geschäftsführer Marc Fischer,

derzeit wird viel über die Zukunft von Fujitsu Siemens Computers spekuliert. Vor ein paar Tagen wollte die Wirtschaftswoche aus sicherer Quelle erfahren haben, dass Fujitsu ganz bestimmt den 50-Prozent-Anteil von Siemens übernehmen wird. In dem Artikel erwähnt die Wirtschaftswoche das bereits seit einiger Zeit umlaufende Gerücht, dass Lenovo das Consumer-Geschäft der heutigen FSC weiterführen könnte. Weder für das eine – Fujitu übernimmt Siemens-Anteil – noch für das andere – Lenovo führt das FSC-Consumer-Geschäft weiter – gibt es derzeit eine offizielle Bestätigung, sondern allenfalls sich verdichtende Hinweise.

Lenovo-Geschäftsführer Marc Fischer

(Bild: Lenovo)

Lenovo ist derzeit hier in Deutschland ausschließlich im Business-to-Business-Segment tätig. Eine Ausweitung in das Privatkunden- oder Consumer-Geschäft ist geplant und bereits vor einiger Zeit angekündigt worden. Die größte Hürde, die Lenovo im Consumer-Business überspringen muss, ist die Unbekanntheit der Marke beim Großteil der Verbraucher ("Lenovo? Ist das nicht dieses Waschmittel?"). Sie, lieber Herr Fischer, haben selbst des öfteren betont, wie schwierig es war, nach der Übernahme des PC-Geschäfts von IBM, die Marke "Lenovo" im Geschäftskundensegment zu verankern. Dies dürfte im Consumer-Geschäft noch schwieriger sein.

Vor allem müssten Sie den Verbrauchern erst einmal sagen, wer Lenovo ist. Was die Sache nicht einfacher macht, vor allem, wenn Sie bei der Wahrheit bleiben möchten. Denn dann müssen Sie den Verbrauchern erzählen, dass Lenovo ein Unternehmen aus China ist. Und damit wird die Sache delikat. China nämlich ist als Herkunftsnachweis bei vielen deutschen Verbrauchern heute nicht gerade eine Empfehlung. Denn mit den vielen Horrormeldungen über schadhafte oder sogar gefährliche Produkte hat sich China einen sehr zweifelhaften Ruf erworben. China steht für alles mögliche, aber nicht für Qualitätsprodukte. Ich darf an dieser Stelle mal einfach ungeordnet eine Reihe von Schlagzeilen und Medienberichten zitieren (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

"Nach Milchskandal in China: Verseuchte Produkte nun auch in Deutschland sichergestellt." (RP Online, 1.10.2008) In China sind zahlreiche Kinder an mit Melanin kontaminierter Milch gestorben. Nun haben Fahnder in Deutschland Melanin-verseuchte Bonbons gefunden.

"Verseuchte Süßwaren: EU-Wächter fahnden nach China-Milch in Keksen." (Welt Online, 25.9.2008)

"Blei-Verdacht: Mattel ruft schon wieder China-Spielzeug zurück." (Welt Online , 5.9.2007) Im vergangenen Jahr musste der amerikanische Spielwarenhersteller Mattel ("Barbie", "Fisher Price") Millionen in China gefertigte Spielsachen zurückrufen.

"Spielzeug-Perlen: Rückruf-Aktion für China-Produkte." (Focus Online, 12.11.2007) Diese Spielzeugperlen enthielten den Weichmacher Butandiol, der zu Benommenheit, in hohen Dosen auch zum Koma oder sogar zum Tod führen kann. Mehrere Kinder waren erkrankt, nachdem sie diese Perlen verschluckt hatten.

"Kinder im Koma: Experten finden Vergewaltigungsdroge in Kinderspielzeug." (Spiegel Online, 8.11.2007) Der reinste Horror!

"China-Produkte: Starbucks ruft Kinderbecher zurück." (Focus Online, 10.10.2007) Die Trinkbecher neigten dazu, zu zerpringen, Kinder verschluckten Teile davon.

"Weiter gefährliche Produkte aus China: Toys R Us nimmt in Deutschland Lätzchen aus Regalen." (Epochtimes, 20.8.2007) Die Kinderlätzchen wiesen hohe Bleiwerte auf. Außerdem stellte man Kinderkleidung mit gefährlich hohen Formaldehyd-Konzentrationen sicher.

"So gefährlich sind Produkte `Made in China´!" (Bild Online, 24.4.2007)

"Die gefährlichsten Waren kommen aus China." (T-Online, 18.4.2008) Mehr als die Hälfte der im Jahr 2007 in der EU als gefährlich eingestuften Produkte stammt aus China.

Das alles sind keine Schlagzeilen, die sich der Geschäftsführer eines chinesischen Unternehmens in Deutschland wünscht. Und dabei haben wir die Tibet-Problematik noch gar nicht berücksichtigt, welche die Online-Ausgabe des Sterns am 16.4.2008 zu der Headline animierte: "Jeder Vierte boykottiert China-Produkte". Nein, ich glaube, wenn Sie den Verbrauchern hier im Lande erklären, dass die Wurzeln von Lenovo in China liegen, dann ist das Anti-Werbung.

Sie haben also zwei Herausforderungen: 1. Die deutschen Verbraucher kennen die Marke "Lenovo" nicht. 2. Wenn Sie ihnen erzählen, wer Lenovo ist ("Lenovo ist der größte chinesische PC-Hersteller und ist durch die Übernahme der PC-Sparte von IBM noch größer geworden"), dann hören viele nur "China" und winken dankend ab. Dass Lenovo zu großen Teilen amerikanisch ist (was vor dem Hintergrund der Bankenkrise ja derzeit auch nicht gerade eine Empfehlung ist) und ein Großteil der Produkte in Europa produziert wird, nimmt man dann schon gar nicht mehr zur Kenntnis. Vor allem wenn Sie "Lenovo" als Premium-Marke etablieren wollen – und etwas anderes kommt ja gar nicht in Frage –, werden Sie sich hier schwer tun.

Vor diesem Hintergrund wäre es natürlich eine Überlegung wert, in Deutschland eine bereits etablierte Consumer-Marke wie Fujitsu Siemens zu übernehmen. Die Frage ist nur: Was übernimmt man hier? Was würden Sie, lieber Herr Fischer, von FSC bzw. Fujitsu genau bekommen? Die Produkte? Die Mitarbeiter? Die Händler? Die Kunden? Die Marke? Die Fertigung? Man weiß es nicht. Aber eins weiß ich: Zumindest ich für meinen Teil kann mich in Geduld üben und werde ganz entspannt den Fortgang der Geschichte verfolgen.

Beste Grüße

Damian Sicking

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