Kolumne: Mund-zu-Mund-Propaganda und der Fachkräftemangel in der ITK-Branche

Die eigenen Mitarbeiter sind die besten Werbebotschafter für ein Unternehmen - oder auch nicht. Kommt eben ganz drauf an, wie zufrieden sie mit ihrem Arbeitgeber sind. Im Freundes- und Bekanntenkreis über ihn reden tun sie auf jeden Fall.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Damian Sicking

Lieber Aracom-Chef Lothar Härle,

Sie sind einer der Gründer und Geschäftsführer des Systemhauses Aracom GmbH in Augsburg und beschäftigen rund 50 Mitarbeiter. Vor Kurzem machten Sie in einem Interview über den Fachkräftemangel in der IT-Branche eine interessante Aussage. Sie sagten: "Außerdem bekommen wir durch die Weiterempfehlung von zufriedenen Mitarbeitern immer wieder Kontakte zu guten IT-lern. Das A und O ist ein guter Ruf in der Branche, daher sorgen wir für ein gutes, partnerschaftliches Betriebsklima und außerordentlich gute Konditionen für unsere Mitarbeiter."

Aracom-Geschäftsführer Lothar Härle

(Bild: Aracom)

Zu dieser Aussage und der ihr zugrunde liegenden Einstellung kann man Ihnen nur gratulieren. Sie sprechen damit einen Punkt an, der von vielen Unternehmen in der Branche bei der Personalbeschaffung ignoriert wird. Man bezeichnet diese Weiterempfehlung auch als "virales Marketing" oder noch moderner "Employer Branding". Früher sagten wir schlicht "Mund-zu-Mund-Propaganda". Gerade für kleinere und mittelgroße Unternehmen (KMUs), die nicht über die großen Budgets für Personalmarketingmaßnahmen wie die Schwerindustrie verfügen, ist Mund-Propaganda besonders wichtig. Was viele Firmenchefs zudem vergessen: Sie brauchen für den Unternehmenserfolg nicht nur die Top-Leute von den Universitäten, sondern sie brauchen auch die Auszubildenden. Diese kommen meistens aus dem Ort oder der Region, wo die Firmen sitzen, und die jungen Menschen haben hier ihren Freundes- und Bekanntenkreis, in dem natürlich auch über die Erfahrungen mit den jeweiligen Arbeitgebern gesprochen wird. Der Austausch an den Berufsschulen kommt hinzu. Und dann zeigt sich, dass wie bei Aracom nicht nur die zufriedenen, sondern auch die unzufriedenen Mitarbeiter über ihre Betriebe erzählen. Da kann es dann schon mal vorkommen, dass ein Unternehmen sich schwertut, Azubis zu bekommen, weil es bei den Jugendlichen einen derart schlechten Ruf als Arbeitgeber hat, dass sich erst gar niemand bei ihm bewirbt. Der Firmenchef beklagt dann gerne die Technikfeindlichkeit der Jugend, in Wahrheit liegt der Grund dafür, dass die Jugendlichen einen großen Bogen um seine Firma machen, in dem schlechten Image, welches sie als Arbeitgeber hat.

Der Personalvorstand von BMW – okay, BMW ist nicht wirklich den KMUs zuzuordnen, aber trotzdem – Hermann Baumann sagte vor einiger Zeit in einem FAZ-Artikel: "Die Pradidos (Abkürzung für Praktikanten, Diplomanden und Doktoranden) genauso wie die Young Professionals sind die besten Botschafter der Unternehmenskultur." Klar: Seinen Betrieb in einer Broschüre oder einer großen Stellenanzeige im hellsten Licht und in den leuchtesten Farben darstellen kann jeder, der das nötige Kleingeld hat. Aber diese Reklame bringt nichts, wenn etwas anderes nicht stimmt. Entscheidend dafür, dass gute Leute kommen und bleiben, meint BMW-Personalchef Baumann, ist, dass der Alltag im Unternehmen überzeuge. (Zu diesem Thema hat auch das Manager-Magazin einen lesenswerten Beitrag veröffentlicht.)

Leider ist es in den Unternehmen viel zu häufig so, dass die Bemühungen um einen neuen Mitarbeiter schlagartig aufhören, sobald dieser an Bord ist. Das ist ähnlich wie in der Politik vor einer Bundes- oder Landtagswahl: Vor dem Termin rollt man dem Wähler den roten Teppich aus, fragt nach seinen Wünschen und Bedürfnissen und verspricht ihm das Blaue vom Himmel. Bereits am Abend des Wahltages interessiert sich niemand mehr für den Wähler. In den Unternehmen kommt es mir manchmal auch so vor. Kaum ist der Neue an Bord, kann er selbst sehen, wie er zurecht kommt. Kein Wunder, dass rund ein Drittel der neuen Mitarbeiter im Laufe der Probezeit wieder aus den Unternehmen ausscheiden, viele von ihnen kündigen selbst.

Kein Firmenchef kann verhindern, dass seine Angestellten über das Unternehmen sprechen. Entsprechende Verbote in den Arbeitsverträgen sind wirkungslos. Der Firmenchef kann aber beeinflussen, was die Mitarbeiter draußen erzählen. Und zwar durch die Art und Weise, wie er sein Unternehmen führt. Sie, lieber Herr Härle, sind sich dieser Aufgabe und dieser Chance bewusst. Daher ist es Ihnen ein Anliegen, "für ein gutes, partnerschaftliches Betriebsklima und außerordentlich gute Konditionen für unsere Mitarbeiter" zu sorgen. Der Lohn Ihrer Mühe besteht darin, dass Ihre Mitarbeiter zufrieden sind, das Unternehmen Aracom weiterempfehlen und Sie dadurch "immer wieder Kontakte zu guten IT-lern" bekommen. Das ist ein schöner ROI.

Beste Grüße!

Damian Sicking

Übrigens: Der Branchenverband Bitkom hat sich gemeinsam mit der Deutschen Employer Branding Akademie in Berlin vorgenommen, einen Employer-Branding-Leitfaden für die ITK-Branche zu entwickeln. Ergebnisse stehen noch aus.

Weitere Beiträge von Damian Sicking finden Sie im Speakers Corner auf heise resale. ()