Kolumne: SAPs Sparmaßnahmen mögen übertrieben sein, sind aber trotzdem richtig

Wer von Erfolg zu Erfolg eilt, kann der Illusion verfallen, er sei unverwundbar. Mit seinem drastischen Sparkurs verfolgt SAP-Chef Henning Kagermann vor allem ein Ziel: Er will seine Mitarbeiter wachrütteln.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Damian Sicking

SAP-Zentrale in Walldorf

(Bild: SAP)

Lieber SAP-Chef Henning Kagermann,

Ihre Brandmail, die Sie am Mittwoch der vergangenen Woche an alle 51.400 weltweit tätigen SAP-Mitarbeiter verschickt hatten, sorgte nicht nur auf den Fluren und Kantinen Ihres Unternehmens für einen gewaltigen Wirbel, sondern auch außerhalb. Kein Wunder, denn der Kanon der Sparmaßnahmen, die Sie dem Unternehmen verordneten, ist nicht von schlechten Eltern. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man meinen, SAP hänge am Fliegenfänger. Ihre Sparmaßnahmen im Einzelnen:

– kompletter Einstellungsstopp

– externe Schulungen sind zu stornieren

– keine Reisen, die keinen Kundenbesuch zum Anlass haben (bereits gebuchte Reisen müssen storniert werden, selbst wenn Stornogebühren anfallen)

– genehmigte Reisen nur noch Economy und 2. Klasse, auch für Vorstände

– die zehn Vorstände spenden jeweils zehn Urlaubstage, um die für Urlaubstage gebildeten Rückstellungen zu verringern – auch Mitarbeiter "dürfen" nach Rücksprache mit ihren Vorgesetzten Urlaubstage spenden

– keine Beschäftigung mehr von Managementberatern

– Prüfung, ob sich an Drittanbieter ausgelagerte Entwicklungsaufträge bis zum Jahr 2009 verschieben lassen

– keine SAP-internen Meetings mehr außerhalb von SAP-Gebäuden (Hotels etc.)

– kritische Überprüfung sämtlicher geplanten Investitionen in Hardware, Software, Betriebsanlagen und Firmenwagen

Zu diesen drastischen Maßnahmen sehen Sie sich aufgrund des "sehr abrupten und unerwarteten Abschwungs unseres Geschäftes" genötigt. Eine SAP-Sprecherin erklärte im Anschluss an die Veröffentlichung Ihrer Mail, die Einschnitte sollten "einschneidendere Maßnahmen" verhindern, was eine andere Formulierung für Personalabbau und Entlassungen ist. Dennoch meinen viele Menschen innerhalb und außerhalb der SAP, dass Sie, lieber Herr Kagermann, ein klein wenig übertreiben. Klar, niemand an Bord der deutschen Vorzeigefirma SAP hat große Erfahrungen mit schwerer See, die Führungskräfte, allen voran natürlich die Vorstandsmitglieder, möchten aber auch nicht als Schönwetterkapitäne in die Geschichte eingehen. Da kann man schon mal dazu neigen, mehr Ballast über Bord zu werfen als nötig.

Ich sehe Ihre Brandmail und das darin enthaltene Kostensenkungsprogramm aber überhaupt nicht negativ, im Gegenteil. Für mich ist es eine Maßnahme nach der Devise "Man muss das Unmögliche wollen, um das Mögliche zu erreichen". Es ist so ähnlich wie bei einem Trip durch die Wüste, wo einem plötzlich einer von zwei Wassertanks platzt und man nicht genau weiß, wie lange man noch bis zur nächsten Oase durchhalten muss. Vielleicht ist die beste Anordnung, die der Anführer in dieser Situation geben kann, diese: "Niemand darf mehr etwas trinken." Jedem, auch dem Anführer, ist natürlich klar, dass es sich um einen Befehl handelt, den man unmöglich befolgen kann, denn der Mensch muss über kurz oder lang trinken, wenn er nicht sterben will. Deshalb werden die Mitglieder der Gruppe trinken müssen. Was die klare Ansage des Führers aber bewirkt, ist, dass jedem Mitglied der Gruppe der Ernst der Lage bewusst wird und alle daher so wenig wie irgend möglich trinken werden. Die deutlich weichere Aufforderung "Wir müssen weniger trinken" hätte in dieser Situation nicht eine annähernd vergleichbare Wirkung.

Insofern ist Ihre Reaktion auf die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens zwar möglicherweise übertrieben, aber trotzdem richtig. Ganz abgesehen davon, dass in einem Unternehmen von der Größe einer SAP, in dem sich bisher nur Erfolg an Erfolg reihte, mit Sicherheit jede Menge Kostensenkungsmöglichkeiten schlummern. Ich sage ganz bewusst "schlummern", und wenn niemand kommt und sie aufweckt, werden sie auch weiterhin schlummern. Damit sie geweckt werden, muss man den Mitarbeitern auf allen Ebenen erst einmal einen gehörigen Schrecken einjagen. Ich denke, das ist Ihnen gelungen.

Beste Grüße

Damian Sicking

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