Kolumne: Warum Xing-Chef Hinrichs offenbar ein kluger Mann ist

Mit der Gründung und dem Aufbau von Xing hat Lars Hinrichs gezeigt, was er kann. Nun hat er sich entschieden, uns nicht zu zeigen, was er nicht kann. Das ist gut - für ihn und für die Firma.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Damian Sicking

Xing-Gründer Lars Hinrichs

(Bild: Xing)

Lieber Xing-Gründer und Noch-CEO Lars Hinrichs,

was ist das beste Alter, um in Rente zu gehen? Richtig: 32! Zumindest in Ihrem Fall. Denn so alt werden Sie sein, wenn Sie am 15. Januar 2009 die Führung des von Ihnen gegründeten Unternehmens an Stefan Groß-Selbeck abgeben, der bislang die Geschäfte von Ebay-Deutschland führte. Na gut, so richtig in Rente gehen Sie natürlich nicht, sie wechseln in den Aufsichtsrat und haben Pläne für neue unternehmerische Aktivitäten. Mit 32 ist man ja auch noch ein bisschen jung zum Entenfüttern an der Alster (was sicher ohnehin verboten ist).

Viel ist in den letzten beiden Tagen darüber geschrieben und diskutiert worden, ob Ihr Rücktritt freiwillig oder auf mehr oder weniger sanften Druck von außen geschah. Diese Frage mag für den einen oder anderen interessant sein – ähnlich wie die (Hinter-)Gründe der Trennung von Boris Becker und Sandy Meyer-Wölden für den einen oder anderen interessant sind –, sie ist aber völlig irrelevant. Wichtig ist einzig und allein, dass diese Entscheidung getroffen wurde und dass sie richtig ist.

Ich gehe davon aus, dass Sie nicht eines Morgens wach wurden und sagten "Mir reicht´s, ich mag nicht mehr, soll ein anderer weitermachen". Sicherlich ist es keine einsame Entscheidung von Ihnen, sondern Sie haben sich beraten lassen von Vertrauten. Sie haben festgestellt, vielleicht auch schmerzhaft feststellen müssen, dass es Dinge gibt, die Sie nicht so gut können. Sie kamen zu der Erkenntnis, dass ein Unternehmen ab einer gewissen Komplexität und Größe zu führen, andere Talente erfordert als die, die Sie haben. Und Sie haben daraus die Konsequenz gezogen, zum Wohle des Unternehmens, der Mitarbeiter, der Kunden und der Aktionäre. Und, ich bin sicher, auch zu Ihrem eigenen Wohle. Denn auf Dauer zufrieden macht einen nur eine Tätigkeit, die man gut kann und gerne macht.

In verschiedenen Interviews (etwa mit dem Abendblatt aus Hamburg oder der Financial Times Deutschland) begründeten Sie Ihr Ausscheiden aus der operativen Führung damit, dass wenn ein Unternehmen "so rasant wächst" wie Xing, es "nicht immer vorteilhaft" sei, "wenn der Gründer es noch führt". Xing habe mit 170 Mitarbeitern eine Größe erreicht, "die eine neue Art von Unternehmensführung nötig macht".

Genau das ist der Punkt. Unterschiedliche Zeiten und unterschiedliche Entwicklungsstufen eines Unternehmens erfordern unterschiedliche Manager und eine unterschiedliche Art der Unternehmensführung. Eine stark expansive Firma braucht einen anderen Mann (oder eine andere Frau) an der Spitze als ein etabliertes Unternehmen in einem stagnierenden Markt oder gar ein Sanierungsfall. Kein Unternehmer und kein Manager kann alles, schon gar nicht kann er alles gleich gut. Jeder hat seine Stärken und Schwächen. Es ist gut zu wissen, wo seine Kernkompetenzen liegen, und es ehrt einen, wenn man erkennt, dass in einer speziellen Situation andere Kompetenzen gefragt sind und wenn man aus dieser Erkenntnis die entsprechenden Konsequenzen zieht. Das haben Sie getan, lieber Herr Hinrichs, und dafür gebührt Ihnen Respekt und Anerkennung. Denn es gibt auch das Gegenteil, den Unternehmer, der seine Schwächen nicht kennt oder nicht wahrhaben will und der an seinem Stuhl klebt. Dann kann es gefährlich werden für das Unternehmen. Viel zu viele Firmen sind in die Krise geraten oder mussten sogar für immer die Bücher zuklappen, weil die Leute an der Spitze ihre Grenzen nicht wahrhaben wollten und zu lange an der Macht geblieben sind. Vor allem Unternehmensgründer sind in dieser Hinsicht gefährdet.

Lieber Herr Hinrichs, ich kann Ihnen zu Ihrer Entscheidung nur gratulieren. Mit der Gründung und dem Aufbau von Xing haben Sie uns gezeigt, was Sie können. Sie müssen uns wirklich nicht zeigen, was Sie nicht können.

Beste Grüße

Damian Sicking

Weitere Beiträge von Damian Sicking finden Sie im Speakers Corner auf heise resale. ()