Ladenverkauf: Wann ist ein Geschäft aus Sicht des Finanzamts "im Ganzen" veräußert?

Vor Gericht muss geklärt werden, wann ein Geschäft als "im Ganzen" verkauft gilt. Behandelt wird der Sonderfall, bei dem der Geschäftsinhaber auch der Hausbesitzer ist und seine Waren und Einrichtung, aber nicht die Immobilie selbst verkaufen mag.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Marzena Sicking

In einem Streitfall, bei der es um die Frage geht, wann ein Einzelhandelsgeschäft als "im Ganzen" veräußert gilt, hat der Bundesfinanzhof (BFH) den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) eingeschaltet. Mit Beschluss vom 14. Juli 2010 (jetzt veröffentlicht, Az.: XI R 27/08) wurden diesem die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Liegt eine "Übertragung" eines Gesamtvermögens i.S. von Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG vor, wenn ein Unternehmer den Warenbestand und die Geschäftsausstattung seines Einzelhandelsgeschäfts an einen Erwerber übereignet und ihm das in seinem Eigentum stehende Ladenlokal lediglich vermietet?

2. Kommt es dabei darauf an, ob das Ladenlokal durch einen auf lange Dauer abgeschlossenen Mietvertrag zur Nutzung überlassen wurde oder ob der Mietvertrag auf unbestimmte Zeit läuft und von beiden Parteien kurzfristig kündbar ist?

Die Fragen betreffen Fälle, in denen Warenbestand und Geschäftsausstattung veräußert, die Geschäftsräume aber nur an den Erwerber vermietet werden. Nun muss entschieden werden, ob es sich dabei um eine Geschäftsveräußerung im Ganzen handelt. Davon hängt wiederum ab, ob die Veräußerung der Umsatzsteuer unterliegt oder nicht.

Im Streitfall ging es um den Verkauf eines Einzelhandelsgeschäftes (Sportartikel). Dieses wurde von der Klägerin in einem Ladenlokal betrieben, dass ebenfalls ihr gehörte. Als die Frau den Laden nicht mehr selbst weiterführen wollte, verkaufte sie Warenbestand und Geschäftsausstattung an eine GmbH. Die Immobilie wollte sie nicht verkaufen und vermietete das Ladenlokal lediglich an den neuen Eigentümer des Sportgeschäfts. Der Mietvertrag wurde dabei auf unbestimmte Zeit geschlossen, ist aber von beiden Seiten recht kurzfristig kündbar.

In der Rechnung für den Verkauf der Waren und der Ladenausstattung, wies die Klägerin keine Umsatzsteuer aus und unterwarf den Vorgang nicht der Umsatzsteuer, weil sie von einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung im Ganzen ausging. Denn nach § 1 Abs. 1a des Umsatzsteuergesetzes unterliegt eine Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer nicht der Umsatzsteuer. Eine Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn ein Unternehmen im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. Der erwerbende Unternehmer tritt an die Stelle des Veräußerers.

Da die Klägerin aber auch Eigentümerin des Ladens war und diesen nicht veräußert hat, schätzte das Finanzamt die Lage anders ein und setzte Umsatzsteuer fest, wogegen die Frau klagte. Allerdings mochte nun auch der Bundesfinanzhof die Frage, ob zum Verkauf des Ladens auch zwingend die Immobilie gehört, wenn die Geschäftsinhaberin auch deren Besitzerin ist, nicht klären. Der BFH äußerte lediglich Zweifel, ob in einem derartigen Fall von einer "Übertragung" eines Gesamtvermögens i. S. von Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG ausgegangen werden kann.

Diese Frage hat der BFH dem zur Auslegung des Unionsrechts zuständigen EuGH vorgelegt, denn die genannte Ausnahmevorschrift hat eine unionsrechtliche Grundlage in Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG (jetzt Art. 19 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie 2006/112/EG). Danach können die Mitgliedstaaten die Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens, die entgeltlich oder unentgeltlich oder durch Einbringung in eine Gesellschaft erfolgt, so behandeln, als ob keine Lieferung von Gegenständen vorliegt und den Begünstigten der Übertragung als Rechtsnachfolger des Übertragenden ansehen.

Für den Fall, dass im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen von Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG die Vermietung des Ladenlokals zu berücksichtigen ist, hat der BFH dem EuGH die weitere Frage vorgelegt, ob es dabei darauf ankommt, ob das Ladenlokal durch einen auf lange Dauer abgeschlossenen Mietvertrag zur Nutzung überlassen wurde oder ob der Mietvertrag – wie im Streitfall – auf unbestimmte Zeit läuft und von beiden Parteien kurzfristig kündbar ist.

Diese Frage ist ebenfalls unionsrechtlich nicht geklärt. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH kann eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung auch dann vorliegen, wenn einzelne wesentliche Betriebsgrundlagen nicht mitübereignet worden sind. Voraussetzung ist aber, dass sie dem Unternehmer langfristig zur Nutzung überlassen werden und eine dauerhafte Fortführung des Unternehmens durch den Übernehmer gewährleistet ist.

In seiner bisherigen Rechtsprechung hat der BFH für eine langfristige Nutzungsüberlassung eines Betriebsgrundstücks durch Vermietung eine fest vereinbarte Mietdauer von zehn Jahren (vgl. Urteil vom 28.11.2002 V R 3/01, BFHE 200, 160, BStBl II 2004, 665, unter II.1.d) und von acht Jahren (vgl. Urteil vom 23.8.2007 V R 14/05, BFHE 219, 229, BStBl II 2008, 165, unter II.2.c) als ausreichend gelten lassen.
Damit ist der Streitfall nicht vergleichbar. Hier konnte der unbefristete Mietvertrag über das Ladenlokal von jeder Partei spätestens am dritten Werktag eines Kalendervierteljahres zum Ablauf des folgenden Kalendervierteljahres gekündigt werden. (Marzena Sicking) / (map)
(masi)