Manager und ihre „Herausforderungen“

Wen würden Sie eher als Expeditionsleiter engagieren, der Sie auf den Gipfel des Mount Everest bringen soll: jemanden, der dies als persönliche Herausforderung betrachtet, oder jemanden, der schon mehrmals oben war und damit bewiesen hat, dass er es kann? Eben! Trotzdem bekommen Manager immer wieder gut bezahlte Jobs, die sie als „Herausforderung“ betrachten.

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Von
  • Damian Sicking

Lieber Telekom-Manager Christopher Schläffer,

Telekom-Manager Christopher Schläffer

Telekom-Manager Christopher Schläffer

(Bild: Deutsche Telekom)

Sie sind bei der Telekom für Produkte und Innovationen zuständig. Ende März werden Sie nach fast zwölf Jahren Betriebszugehörigkeit das Unternehmen verlassen. Telekom-Chef René Obermann hat in einer Pressemitteilung über Ihr Ausscheiden sehr freundliche Worte für Sie übrig: "Wir danken Christopher Schläffer für sein hohes Engagement über viele Jahre", heißt es da, und weiter: "Mit seiner außerordentlichen Gestaltungskraft und seiner fundierten fachlichen Kompetenz hat er den Wandel zur neuen Telekom maßgeblich mit gestaltet." Lieber Herr Schläffer, wir wissen beide, dass Obermann das nicht gesagt hat, sondern diese Formulierungen den wortgewandten Kommunikationsexperten der Telekom entspringen. Es soll sogar öfter als man denkt vorkommen, dass auch Rechtsanwälte Fomulierungshilfe geben, weil eine sehr wohlwollende Formulierung in solchen offiziellen Statements Bestandteil der Trennungsvereinbarungen sind. Wie auch immer: Insider berichten jedenfalls laut einem Artikel im Handelsblatt (18.12.2009, Seite 70), dass Sie und Obermann nicht gerade die dicksten Kumpels waren, ja sogar dass der Telekom-Chef nicht besonders viel von Ihnen hielt und Sie intern als "Sesselfurzer" und "Chartmaler" bezeichnet haben soll. Das muss weh tun, vor allem, wenn man so etwas noch in der Presse liest.

Angeblich steigen Sie bei der Telekom auf eigenen Wunsch aus, und zwar „um sich neuen Herausforderungen zu stellen“, wie es heißt. Ja, Manager und ihre Herausforderungen. Man kann glauben, ihr ganzes Leben bestünde aus nichts anderem als Herausforderungen. Wo normale Menschen Aufgaben zu erfüllen haben oder einfach Jobs zu erledigen, da stehen Manager immer gleich vor Herausforderung.

Es ist doch so: Manager begründen ihren Wechsel auf eine höhere Position bei einem anderen Unternehmen mit der "Herausforderung", die damit verbunden sei und betonen, wie sehr sie sich darauf freuen. Das ist schön für die Manager. Aber ist es auch schön für das betreffende Unternehmen? Ich frage mich, ob ich als Mitarbeiter oder auch Aktionär ein gutes Gefühl hätte, wenn jemand die Geschäfte meines Unternehmens führen sollte, der diesen Job als "Herausforderung" betrachtet. Ich glaube nicht. Vermutlich hätte ich ein sehr viel besseres Gefühl, wenn diese Aufgabe jemand erledigen würde, der schon einmal gezeigt hat, dass er so etwas kann.

Stellen Sie sich vor, Sie möchten, dass jemand in Ihrem Auftrag auf den Gipfel des Mount Everest steigen sollte, um dort etwas sehr Wichtiges zu erledigen. Wem würden Sie diesen Job eher anvertrauen? Jemandem, der bisher lediglich auf 2.000 und 3.000 Meter hohen Bergen herumgekraxelt ist und für den die Besteigung des 8.848 Meter hohen Mount Everest somit eine echte "Herausforderung" wäre? Oder doch eher demjenigen, der bereits mehrmals auf einem 8.000er Gipfel stand und somit bewiesen hat, dass er zu solchen Leistungen in der Lage ist? Eben!

Einen anderen Aspekt möchte ich in diesem Zusammenhang ebenfalls ansprechen: Wenn ein Manager von einer „Herausforderung" spricht, was meint er eigentlich damit genau? Gibt es eine Maßeinheit, mit der sich eine berufliche Herausforderung messen lässt? Nach meinem Eindruck ist diese Maßeinheit für die meisten Manager schlicht und ergreifend Geld, also Euro oder Dollar. Und die Höhe der "Herausforderung" korrespondiert mit der Höhe des Gehalts beziehungsweise der Bezüge insgesamt. Wenn also ein Manager erklärt, dass er sich auf die neue Herausforderung als Geschäftsführer oder Vorstand bei der Machreibach GmbH freue, dann heißt das nichts anderes, als dass er sich auf die vielen Euros freut, die dann auf sein Konto strömen.

Ich selbst finde diesen Ansatz allerdings unbefriedigend und möchte das an folgendem Beispiel gerne erläutern: Der Deutsche-Bank-Chef Dr. Josef Ackermann verdient so um die zwölf Millionen Euro im Jahr. Sollte er nun den Job von Malermeister Pinsel übernehmen, der mit deutlich weniger Euro dotiert ist, würde dies für Ackermann eine große Herausforderung sein, weil er vom Anstreichen und Tapezieren keine Ahnung hat. Also Herausforderung groß, Gehalt aber klein. Womit bewiesen ist, dass Geld allein kein Maßstab für die Höhe der Herausforderung sein kann.

Was aber dann? Da mir diese Frage keine Ruhe ließ, habe ich bereits vor einiger Zeit eine eine Formel entwickelt, mit der sich gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe erschlagen lassen. Erstens lässt sich die Höhe einer beruflichen Herausforderung berechnen, und zweitens lässt sich aus Sicht eines Arbeitgebers feststellen, ob jemand für den Job geeignet ist oder nicht. Die Formel besteht aus den drei Elementen "Eigene Voraussetzungen, um den Job erfolgreich zu bewältigen" (1 = schlechte Voraussetzungen, 10 = optimale Voraussetzungen), "das vorgesehene Gehalt (inklusive aller zusätzlichen Leistungen)" und dem "Risiko zu scheitern" (1 = kein Risiko, 10 = sehr hohes Risiko). Die Formel lautet nun:

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(Eigene Voraussetzungen x Gehalt) : Risiko zu scheitern = x

Beispiel für einen Top-Job, der einem Top-Kandidaten angeboten wurde. Seine Voraussetzungen sind sehr gut, das Risiko zu scheitern sehr gering, das Gehalt angemessen:

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(9 x 750.000) : 2 = 3.375.000

Derselbe Job für jemanden mit schlechten Voraussetzungen und hohem Risiko:

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(2 x 750.000) : 9 = 166.666

Es gilt: Je niedriger der errechnete Wert, desto größer die Herausforderung (desto ungeeigneter der Bewerber). Der erste Kandidat ist in diesem Beispiel etwa 20 Mal besser geeignet als der zweite. Interessant, nicht wahr? Gut, ich gebe zu, die Formel mag noch nicht ganz serienreif sein, aber es ist schon mal ein Anfang. Vielleicht haben Sie ja eine Idee, wie man sie zu einem Instrument entwickeln kann, mit dem sich wirklich arbeiten lässt. Wäre doch eine schöne Herausforderung für Sie, oder?

Beste Grüße!

Damian Sicking

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