Meinungsfreiheit gilt auch für Arbeitnehmer

Private Äußerungen in einem Internet-Portal über den Kunden des Arbeitgebers rechtfertigen nicht automatisch eine fristlose Kündigung.

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Von
  • Marzena Sicking

Man kann es gar nicht oft genug sagen: Wer sich kritisch über Kunden, Kollegen etc. äußern will, sollte das lieber nicht schriftlich im Internet tun. Sonst kann das sehr negative Folgen haben. So hatte eine schwangere Arbeitnehmerin, die als werdende Mutter eigentlich einen besonderen Kündigungsschutz genießt, plötzlich eine fristlose Kündigung auf dem Tisch. Sie hatte sich auf ihrem privaten Facebook-Account negativ über einen Kunden ihres Arbeitgebers geäußert, mit dem sie selbst auch zusammenarbeiten musste. Diese Äußerung landete auch bei ihrem Arbeitgeber, der daraufhin eine außerordentliche Kündigung aussprach.

Diese wurde zunächst trotz der besonderen Umstände für zulässig erklärt. Die Frau habe mit den negativen Kommentaren so schwerwiegend gegen die Treuepflicht und die Betriebsdisziplin verstoßen, dass eine Fortsetzung der Zusammenarbeit dem Arbeitgeber nicht mehr zumutbar sei. Das Vertrauensverhältnis sei nachhaltig zerstört. Es könne von dem Arbeitgeber angesichts dieses Verhaltens auch nicht zugemutet werden, die Frau bei einem anderen Kunden einzusetzen.

Nun hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) allerdings entschieden, dass die Gekündigte Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgericht Ansbach erhält. Ihr Anliegen habe Aussicht auf Erfolg.

So sei eine solche Kündigung nur bei besonders schweren Verstößen gegen arbeitsvertragliche Pflichten zulässig, die die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar machen würden. Diese Voraussetzungen seien aber vermutlich eben nicht erfüllt worden.

So müssten Anlass und Rahmen der Äußerungen berücksichtigt werden. Grund für die negativen Äußerungen sei nicht die Tätigkeit der Frau, sondern ihre private Vertragsbeziehung mit dem Kunden (einem Telefonanbieter) gewesen. Auch sei die Äußerung nicht in einem öffentlichen Blog, sondern über den privaten Facebook-Account der Klägerin erfolgt. Somit handle es sich nicht um eine Schmähkritik gegen den Arbeitgeber oder dessen Kunden – dies hätte eine Kündigung gerechtfertigt –, sondern um Äußerungen, die wohl noch vom Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt waren. Wichtig sei auch, ob die Kritik öffentlich zugänglich war oder nur im "privaten" Bereich für den Freundeskreis. Hier war letzteres der Fall. Das der Kommentar der Frau dennoch bei ihrem Arbeitgeber landete, zeigt vor allem, dass nicht alle "Freunde" bei Facebook auch im wahren Leben welche sind (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 29.02.2012, Az. 12 C 12.264). (gs)
(masi)