Michael Dressen: Der Gewinn liegt eindeutig beim Verkauf.

Im Einkauf ist praktisch kein Gewinn zu machen. Einkäufer unterliegen dennoch dem Irrtum, von einem der immer wiederkehrenden "Deals" profitieren zu müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Matthias Parbel

Michael Dressen, Geschäftsführer, Also Deutschland

(Bild: Also)

Sehr geehrter Herr Sicking,

Sie haben in Ihrer Kolumne vom 29. 10. 2008 ein Zitat von mir aufgegriffen, das ich bereits vor 2 Jahren vertreten habe. Vielleicht erinnern Sie sich? Am 28. September 2006 hatten Sie – damals noch als Chefredakteur der ChannelPartner – zu einem Handels- und Systemhauskongress in Düsseldorf geladen. Bei der dortigen Diskussion beschwerte sich einer der anwesenden Händler über die hohen Rabatte, die die Distribution den großen Händler geben würde. Schon damals habe ich darauf hingewiesen, dass die Unterschiede bei den Rabatten zwischen kleinen und großen Händlern, wenn es sich um die gleichen Produkte handelt, minimal sind und sich zwischen 1,5 und 2 Prozent bewegen.

Auch das ist natürlich ein Indiz für den geringen Einfluss des Einkaufs auf den Gewinn. Aber lassen Sie mich zuerst über die Distribution reden, die ich jetzt seit über 20 Jahren kenne. Als Computer 2000 zu Ende der 80er-Jahre beschloss, eine europaweite Expansion zu starten, war ein führender Gedanke "Der Gewinn liegt im Einkauf" oder besser, wenn wir deutlich größer sind als die lokalen Mitbewerber, müssen wir deutliche Einkaufsvorteile erzielen.

Zu dieser Zeit gab es nur lokale Distributoren. Ingram Micro und Tech Data waren noch nicht in Europa vertreten. Als ich 1991 das Geschäft für Computer 2000 in Italien übernahm, wurde mir schnell klar, dass wir einer Illusion aufgesessen waren. Die Hersteller hatten kein Interesse, einen europäischen Distributor besserzustellen, als die lokalen. Daher konnte Computer 2000, obwohl die Firma Mitte der 90er-Jahre doppelt so groß war wie der nächstgrößere Wettbewerber, auch keine nachhaltigen Vorteile im Einkauf gegenüber den anderen erzielen. Natürlich lauern immer irgendwelche "Deals", da immer irgendein Hersteller gerade "Druck hat". Diese "Deals" werden aber in der Regel allen Marktteilnehmern angeboten und führen daher auch nicht zu einem entschiedenen Vorteil.

Ich habe in den letzten 20 Jahren auch zwei Mal Geschäfte eines Händlers verantwortet. In beiden Fällen habe ich im Einkauf mehr Wert auf Verringerung der Einkaufsquellen als auf die Erzielung von Preisvorteilen gelegt. Häufig sind Einkäufer nur auf Rabatte "gebürstet" und verlieren schnell die Übersicht. Die Verdoppelung der Einkaufsquellen führt zu einer überproportionalen Steigerung der Komplexität, was die Kostenvorteile durch höhere Rabatte im Einzelfall mehr als wettmacht.

Ich habe meinen Einkäufern nicht nur klare Richtlinien geben müssen, sondern ich musste Sie auch über Disziplinarmaßnahmen zwingen, auf den ein oder anderen Deal zu verzichten. Was ist also der Grund, warum wir immer wieder annehmen, der Gewinn läge im Einkauf? Es ist die Illusion des "Deals". Täglich kommen solche neuen Angebote, und man gewinnt den Eindruck, wenn man nicht mitzieht, sei man weniger wettbewerbsfähig.

Das denken im Übrigen nicht nur viele Händler, sondern auch unsere eigenen Mitarbeiter in der Distribution. Wenn es denn so wäre, müssten wir es doch in den Ergebnissen sehen. Tatsächlich ist es aber gerade umgekehrt. Die Zunahme der "Deals" signalisiert lediglich die zunehmenden Schwierigkeiten beim Verkauf. Die Margen der Distribution und des Handels kennen seit 20 Jahren nur eine Richtung: nach unten.

Wir sind heute aber an einem Wendepunkt. Ich stelle mit Interesse fest, dass die Diskussion über die Verrechnung der Frachtkosten dazu führt, dass jetzt alle Distributoren an der Umsetzung arbeiten. In Nordeuropa sind wir einen Schritt weiter. Die Frachtkostendeckung wird nächstes Jahr 100 Prozent erreichen. Auch die allergrößten Händler zahlen dann Frachtkosten – nach dem Verursacherprinzip. Und auch der Druck auf die Einkaufspreise lässt nach. Der Gewinn liegt hier eindeutig beim Verkauf. Und das ist gut. Es ist schon immer schlecht gewesen, eine Unternehmensstrategie auf Illusionen aufzubauen.

viele Grüße

Michael Dressen (map)