Mit einem blauen Auge davongekommen

Was passiert, wenn das wahre Ausmaß des Vergehens erst nach der Abmahnung bekannt wird? Eine Antwort auf diese Frage gab jetzt das hessische Landesarbeitsgericht.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Eine arbeitsrechtliche Abmahnung ist kein Grund zur Freude. Es sei denn, der Arbeitgeber hat damit auf die Möglichkeit einer Kündigung verzichtet. Und das tut er, wenn er einen Mitarbeiter für ein Fehlverhalten abmahnt, dessen wahres Ausmaß ihm erst später bekannt wird. Erst wenn der Mitarbeiter das Fehlverhalten wiederholt, ist tatsächlich ein Grund für eine Kündigung gegeben. Das hat das hessische Landesarbeitsgericht in einem jetzt bekannt gewordenen Urteil bestätigt (Urteil vom 15.02.2011, Az: 13 Sa 1460/10).

In dem verhandelten Fall ging es um einen Monteur, der am Flughafen für die Wartung der Flughafen-Trolleys zuständig war. Diese werden mit Getränken, Speisen und kleineren Gegenständen bestückt, mit denen die Passagiere während eines Fluges versorgt werden. Bei einer Routinekontrolle fand man im Fahrzeug des Monteurs drei Stoffservietten sowie drei Kugelschreiber, die offenbar aus einem der Trolleys stammen.

Wegen der gestohlenen Gegenstände erhielt der Mann von seinem Arbeitgeber eine Abmahnung in der ihm auch eine Kündigung für den Fall angedroht wurde, dass noch einmal solche Gegenstände bei ihm gefunden werden, "auch wenn es noch so geringe sein sollten". Er dürfte sich vermutlich darüber gefreut haben, mit einem blauen Auge davongekommen zu sein. Denn seinem Arbeitgeber war zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt, dass sich der Mann noch mehr Dinge angeeignet hatte. Denn einige Tage später fand man an seinem Arbeitsplatz auch noch Messer, Zeitschriften, Getränke und weitere Dinge, die für die Versorgung der Passagiere gedacht waren. Daraufhin erhielt er die fristlose Kündigung.

Gegen diese hat der Mann geklagt und tatsächlich stellten sich die Richter auf seine Seite. Dass der Werkschutz weitere Gegenstände an seinem Arbeitsplatz gefunden habe, rechtfertige die Kündigung nicht. Das Gericht verneinte, dass im vorliegenden Fall der Verdacht einer groben Vertragsverletzung begründet sei. Die Aussage des Mannes, es habe sich bei den Artikeln um Werbegeschenke gehandelt, die er anderweitig erhalten habe, konnte nach Ansicht der Richter nicht widerlegt werden.

Unabhängig davon habe der Arbeitgeber sein Kündigungsrecht mit der Abmahnung verbraucht. Denn der Arbeitgeber verzichte mit dem Ausspruch einer Abmahnung in der Regel zugleich auf das Recht zu Kündigung aus den gleichen Gründen. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Abmahnung selbst oder den Umständen zu entnehmen ist, dass der Arbeitgeber die Sache mit der Abmahnung nicht als"erledigt“ ansieht. Ansonsten erlischt mit dem Verzicht das Recht zur Kündigung (vgl. statt vieler BAG vom 13. Dezember 2007, NZA 2008).

Das Argument des Arbeitgebers, man habe erst nach Erteilung der Abmahnung durch den Werkschutzbericht vom wahren Ausmaß der "Unregelmäßigkeiten“ erfahren, ändert daran nichts: Wenn der Arbeitgeber abmahnt, obwohl er noch nicht genau informiert ist, geht dies zu seinen Lasten. (masi)