Neue Geschäftsidee: Bei Anruf Schleim

Ein junger Amerikaner sorgt mit einer neuen Geschäftsidee für Schlagzeilen: Gegen Gebühr ruft er Leute an und sagt ihnen, wie toll und einzigartig sie sind. Das Geschäft floriert. Ein guter Ansatz auch für deutsche Firmenchefs, die sich mit dem Loben ihrer Mitarbeiter schwer tun.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Damian Sicking

IBMs Deutschland-Chef Martin Jetter

(Bild: IBM)

Lieber IBM-Geschäftsführer Martin Jetter,

was ich Sie schon lange fragen wollte: Finden Sie sich eigentlich toll? Ist vermutlich eine blöde Frage. Denn wenn Sie sich nicht toll fänden, hätten Sie es karrieretechnisch sicher nicht so weit gebracht. Deutschland-Chef von IBM wird man schließlich nicht, wenn man unter mangelndem Selbstvertrauen leidet oder permanent an sich zweifelt (oder gar verzweifelt). Ich vermute, Sie brauchen niemanden, der Sie lobt und Ihnen sagt, wie großartig Sie sind und von welch einzigartiger strategischer Weitsicht Ihre letzte Entscheidung mal wieder war. Das machen Sie schon ganz allein. (Trotzdem gibt es sicher bei IBM, wie in fast jedem Unternehmen, ein paar Speichellecker, die es einfach nicht besser wissen und von Ihnen völlig zu Recht mit Verachtung gestraft werden.) Aber wie, lieber Herr Jetter, steht es mit Ihren Mitarbeitern, mit Ihren Managern und Führungskräften der zweiten, dritten oder vierten Ebene? Und wie mit Ihren vielen tausend Mitarbeitern, die außer sich selbst niemand anderen führen und einfach ihre Arbeit machen? Wie steht es mit deren Selbstvertrauen, wie toll und großartig finden diese sich? Und wer lobt sie?

Das kann Ihnen nicht egal sein. Denn selbstbewusste, zufriedene und motivierte Mitarbeiter sind auch für IBM wichtig. Doch nun weiß man, dass Deutschlands Top-Manager zwar in Sachen Eigenlob sehr gut sind, dass sie aber Analphabeten sind, wenn es darum geht, andere zu loben, und zwar auch außerhalb von Baden-Württemberg (wo ja ohnehin das Motto gilt: "Nicht geschimpft ist gelobt genug."). Doch Mitarbeiter sind auch nur Menschen, und sie brauchen Lob und Anerkennung, um motiviert ihre Arbeit zu tun. Wenn aber der Chef sie nicht lobt und ihnen sagt, wie großartig sie sind, wer dann? Diese Frage stellte sich wohl auch der junge amerikanische Psychologie-Student Zachary Burt und erfand eine neue Dienstleistung. Ungeliebte oder ungelobte Menschen können auf Burts Homepage awesomenessreminders.com einen täglichen "Schleim-Anruf" bestellen. Irgendwann am Tag klingelt dann bei ihnen das Telefon und der Anrufer säuselt ihnen ins Ohr, wie großartig ("awesome") sie sind. Für ein Abonnement zahlen die Kunden 40 Dollar im Monat. Nach einem Zeitungsbericht hat Burt bereits 850 Kunden; das bringt ihm immerhin schon 34.000 Dollar Umsatz im Monat. Tendenz: steigend.

Eine interessante Geschäftsidee, von der ich nicht geglaubt hätte, dass sie funktioniert. Zwar ist es tatsächlich ein echter Mensch aus Fleisch und Blut, der anruft – im Gegensatz etwa zu der Stimme aus der Konserve bei der zugegebenermaßen amüsanten Grußseite hevert-lobhudelei.de (Lautsprecher einschalten!) –, aber zum einen kennt dieser Anrufer den Kunden ja gar nicht und zum anderen hat der Kunde diesen Anruf selbst bestellt und bezahlt dafür. Also das Gesülze ist gar nicht echt und authentisch. Menschen in meinem Umfeld aber meinen, so etwas funktioniere trotzdem und ziehen Parallelen zu gekaufter Liebe in Freudenhäusern etc. Trotzdem, ich weiß nicht. Außerdem finde ich den Text in Burts Telefonaten, ehrlich gesagt, ein wenig simpel und für den betrieblichen Alltag nur begrenzt geeignet.

Aber es ist ein Ansatz, auf dem man aufbauen kann. Auch und gerade Firmenlenker wie Sie, lieber Herr Jetter. Wenn Sie sich selbst mit dem Loben schwer tun, warum delegieren Sie das nicht einfach? Mein Vorschlag: Richten Sie eine Stabstelle "Loben und Anerkennen" ("Praise & Approval") ein, deren Aufgabe in nichts anderem besteht, als die Mitarbeiter des Unternehmens mit positivem Feedback und schleimigen Gesülze bei Laune zu halten. Natürlich muss das viel professioneller erfolgen als bei unserem jungen US-Psychologen Burt. Also nicht einfach "Meier, Sie sind der Größte!", sondern "Herr Meier, ich rufe Sie im Auftrag von Herrn Jetter an und soll Ihnen ausrichten, dass er von Ihrem letzten Verkaufsabschluss/Ihrer letzten Präsentation/Ihrem Projektbericht sehr beeindruckt ist. Weiter so!" In die Vorbereitung dieser Telefonate muss man natürlich ein bisschen Arbeit reinstecken, aber es lohnt sich. Da bin ich ganz sicher. Stellt sich nur die Frage: Wer lobt die Mitarbeiter der Abteilung "Praise & Approval"? Ach, wissen Sie was, lieber Herr Jetter? Das mach dann ich, denn In Sachen Loben und Anerkennen bin ich eine echte Kanone.

Beste Grüße

Damian Sicking

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