PC-Ware-Gruppe: Betriebsbedingte Kündigungen, mal andersrum

Es gibt auch die andere Form der Betriebsbedingten Kündigung: die durch die Mitarbeiter. Das zeigten in der vergangenen Woche die Mitarbeiter der PC-Ware-Tochter Comparex in der Schweiz.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Damian Sicking

PC-Ware-Chef Dr. Klaus Elsbacher

(Bild: PC-Ware)

Lieber PC-Ware-Chef Dr. Klaus Elsbacher,

viele halten die Schweizer für ein friedliches Volk. Das ist natürlich ein Irrglaube, wie schon allein die vielen Freiheitskämpfer belegen, deren Namen mir momentan nicht einfallen. Für Dinge, die Ihnen wichtig sind, sind die Schweizer bereit zu kämpfen, und, wenn es denn unbedingt sein muss, auch zu sterben. Wir wollen hoffen, dass es in der Schlacht, die derzeit zwischen der PC-Ware, der schweizer Tochter Comparex sowie der Bison AG ebenfalls in der Schweiz geschlagen wird, nicht so weit kommt, aber man weiß nicht, was noch passieren wird.

Wir können an dieser Stelle die ganze dramatische Geschichte nicht erzählen und verweisen dazu auf die ausführliche Berichterstattung bei unseren schweizer Kollegen. Nur soviel: Fast die komplette Belegschaft der PC-Ware-Tochter Comparex hat in der Schweiz auf einen Schlag gekündigt und im gleichen Atemzug ein Arbeitsangebot der Bison AG angenommen. Pikant: Die Bison AG ist mit 30 Prozent an Comparex beteiligt. Und: Bison gehört mehrheitlich zur Fenaco, einem der größten Comparex-Kunden.

Mit der Schweizer Aktion hat die Entfremdung zwischen der PC-Ware-Belegschaft und der Konzernführung in Leipzig eine neue Eskalationsstufe erreicht. Wir hatten an dieser Stelle ja bereits vor kurzem über die Unruhen bei der PC-Ware-Belegschaft in Deutschland berichtet (Artikel "Meuterei auf der Bounty" vom 22. März). Doch während die Angestellten in Deutschland über die Gründung eines Betriebsrates diskutieren, zeigen sich die Kollegen aus der Schweiz deutlich radikaler und kehren dem Unternehmen einfach den Rücken. Übrigens: Wer meint, dass es sich hierbei um einen einmaligen Vorgang handelt, der irrt. Vor zwei Jahren kündigte die komplette Belegschaft eines Bechtle-Systemhauses und heuerte bei einem Konkurrenzunternehmen an. Wo das passierte? Raten Sie mal: Ebenfalls in der Schweiz!

Was derzeit in unserem Nachbarland geschieht, ist natürlich völlig grotesk und – wie zu vermuten ist – auch hochgradig illegal. Dementsprechend hat die deutsche Konzernmutter die Einleitung rechtlicher Schritte angekündigt bzw. diese bereits vorgenommen. Es steht zudem zu vermuten, dass die Massenkündigung bei Comparex auch aus einer Stimmung der Massenhysterie entstanden ist und dass der eine oder andere der Beteiligten heute nicht mehr 100-prozentig hinter der Aktion steht. Man kann den Vorgang als außenstehender und unbeteiligter Beobachter auch lediglich als amüsante Episode in der an amüsanten Episoden in letzter Zeit ärmlichen IT-Branche betrachten. Man kann den Aufstand der Belegschaft in den PC-Ware-Firmen in Deutschland und der Schweiz aber auch als Abschreckung sehen. Nämlich als einen weiteren eindrucksvollen Warnhinweis in Bezug auf Firmenübernahmen allgemein. Unternehmen kann man kaufen, die Menschen in den Unternehmen nicht.

Dieses ist, wenn man so will, jenseits der reinen Sensation und Schadenfreude die Moral von der Geschichte. Jeder Unternehmer und Firmenchef sollte die Massenkündigung in der Schweiz zum Anlass nehmen, sich wieder einmal bewusst zu machen, dass seine Mitarbeiter letztendlich freiwillig bei ihm sind. Es gibt nämlich auch die andere Form der Betriebsbedingten Kündigung: die durch die Mitarbeiter nämlich. Jeder Manager ist daher gut beraten, sich von Zeit zu Zeit die Frage zu stellen: "Würden meine Mitarbeiter auch bei mir bleiben, wenn sie woanders arbeiten könnten?" Lautet die Antwort "Nein", ist die Firma nicht in einer grundsätzlich besseren Lage als PC-Ware bzw. Comparex in der Schweiz.

Beste Grüße

Damian Sicking

Weitere Beiträge von Damian Sicking finden Sie im Speakers Corner auf heise resale ()