Reich oder arm: Alles eine Charakterfrage?

Sind Sie kontaktfreudig, emotional stabil, gewissenhaft, sozial verträglich und offen gegenüber Neuem? Herzlichen Glückwunsch, aber warum ist dann auf Ihrem Konto immer noch so oft Ebbe?

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Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Dass es eine gewisse Kausalbeziehung zwischen Geld und Charakter gibt, ist seit längerem bekannt. Am besten in der Form des Sprichworts, dass Geld angeblich den Charakter verdirbt (Gabriel Laub: "Geld verdirbt den Charakter, vor allem wenn man keins hat."). Jetzt hat der Potsdamer Sozialwissenschaftler Wolfgang Lauterbach in seiner Studie "Reichtum und Vermögen in Deutschland" herausgefunden, dass nicht nur Geld den Charakter beeinflusst, sondern umgekehrt auch der Charakter eines Menschen Auswirkungen darauf hat, ob man reich wird oder nicht.

Lauterbach hatte die Vermutung gehegt, dass es für den gesellschaftlichen Aufstieg und die Bildung von Vermögen immer stärker auf die Persönlichkeit bzw. den Charakter der Menschen ankommt. Um diese These zu untersuchen, analysierte er knapp 500 Haushalte in Deutschland mit einem frei verfügbaren Kapitalvermögen von mindestens 200.000 Euro. Ein wesentlicher Aspekt galt der Analyse folgender Charaktermerkmale: Kontaktfreude, emotionale Stabilität, Offenheit gegenüber Neuem, Gewissenhaftigkeit und soziale Verträglichkeit. Der Potsdamer Forscher stellte nun fest, dass die wohlhabenden Menschen wesentlich neugieriger und kontaktfreudiger sowie psychisch stabiler waren als die Angehörigen einer Vergleichsgruppe aus dem Mittelstand. Lediglich bei den Charaktereigenschaften Gewissenhaftigkeit und soziale Verträglichkeit konnte er keinen Unterschied zwischen der Gruppe der Vermögenden und den "Habenichtsen" feststellen. Die Wohlhabenden, so resümiert Lauterbach, probieren gerne Neues aus, sind optimistischer und außerdem exzellente Netzwerker. Psychische Instabilität sowie das Hadern mit dem eigenen Schicksal komme bei den Reichen viel seltener vor als bei den Menschen ohne Vermögen.

Kritiker können dem Potsdamer Forscher allerdings vorwerfen, dass er möglicherweise Ursache und Wirkung vertauscht habe. Denn wer ein stattliches oder sogar großes Vermögen im Rücken habe, der tue sich einfach leichter damit, optimistisch und fröhlich zu sein, auf andere Menschen zuzugehen, mit diesen nett zu verkehren und auch mal etwas zu riskieren. Wer dagegen über kein großes finanzielles Polster verfüge, der ist vielleicht gerade aus diesem Grunde nicht so optimistisch, risikofreudig und hat auch die eine oder andere Sorge mehr als sein wohlhabender Nachbar. (Marzena Sicking) / (map)
(masi)