Schlüsselpositionen

Mit der Reservierung von Keywords können Werbetreibende erreichen, dass ihre Anzeigen an herausragender Position neben Suchmaschinenergebnissen erscheinen. Firmen versuchen in diesem Zusammenhang, auf Kosten der Konkurrenz zu punkten.

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Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Matthias Parbel
Inhaltsverzeichnis

Die Betreiber von Suchmaschinen wie Google und Microsoft unterstützen den Surfer nicht selbstlos. Sie bieten Firmen an, bei Eingabe entsprechender Schlüsselwörter (Keywords) durch den Nutzer eine Anzeige auf der rechten Bildschirmseite einzublenden. Die Firma, die die Anzeige geschaltet hat, zahlt nur dann, wenn ein Nutzer tatsächlich auf die Anzeige klickt (Costper-Click).

Hinsichtlich der Schlüsselwörter besteht ein Bietverfahren: Der Anzeigenkunde gibt einen Höchstbetrag an, den er für jeden Klick auf seine Anzeige zu zahlen bereit ist. Bei einem höheren Gebot ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass die Anzeige gut positioniert und häufig angezeigt wird. Das lässt sich missbrauchen. Wer wirbt, kann ja auch als Schlüsselwort den Markennamen seines Konkurrenten angeben. Wenn schlitzohrig das Autohaus Müller beim Suchmaschinenbetreiber als Keyword die ortsansässige Werkstatt Schulze angibt, erscheint die Müller-Anzeige neben dem Suchergebnis, wenn jemand nach dem Mitbewerber gesucht hat.

Weil dies möglich ist – und Googles AdWords-Algorithmus bisweilen sogar selbst die Namen von Konkurrenten als "weitgehend passende Keywords " vorgeschlagen hatte –, bot Google im Rahmen seines AdWords-Konzepts Markeninhabern die Möglichkeit, "Markensperren " einzurichten. So ließ sich weitgehend verhindern, dass Dritte diese Marken als Keyword buchen. Nur besonders findige Tüftler fanden Schlupflöcher, um den Schutz der Sperre zu umgehen.

Mit Wirkung zum 14. September 2010 hat Google die Markenrichtlinie für sein Keyword-Advertising-System AdWords geändert. Einer der Hintergründe für das Einrichten einer Markensperre dürfte gewesen sein, dass bis Anfang des Jahres nicht endgültig geklärt war, ob die Verwendung fremder Marken als Keywords eine Markenverletzung darstellt – und ob Google gar für seitens der Werbetreibenden begangene Markenverletzungen verantwortlich sein könnte.

Nachdem der Gerichtshof der Europäischen Union mit seinem Urteil vom 23. März 2010 zumindest die Verantwortlichkeit von Google klar verneint hatte, bestand aus rechtlicher Sicht für die Firma kein Grund mehr, die Sperre aufrechtzuerhalten [1].

Google hat diese Praxis daher nun grundlegend geändert und unterdrückt die Verwendung fremder Marken als Keywords in Europa nicht mehr. Das Unternehmen kündigte jedoch an, in begrenztem Umfang Überprüfungen durchführen, unter anderem dann, wenn ein Markeninhaber Beschwerde einlegt. Wenn der Suchmaschinenbetreiber der Auffassung ist, dass der Text in Bezug auf die Herkunft der beworbenen Produkte und Dienstleistungen tatsächlich irreführt, soll die Anzeige entfernt werden.

Werbetreibende haben damit die Möglichkeit, auf Keywords fremder Marken zu bieten – auch auf solche von Wettbewerbern. Einen rechtlichen Freifahrschein stellt dies freilich nicht aus: Die Verwendung der fremden Marke durch den Werbenden ist nach dem EuGH nur zulässig, solange ein "normal informierter und angemessen aufmerksamer" Internetnutzer von der Anzeige nicht über die Herkunft der beworbenen Waren oder Dienstleistungen in die Irre geführt wird.

Die Richter führten dazu aus, dass ein Internetnutzer, der einen Markennamen als Suchbegriff eingibt, in den meisten Fällen Informationen oder Angebote über die Waren oder Dienstleistungen dieser Marke finden wolle. Wenn eine Anzeige nach Eingabe einer Marke so gestaltet sei, dass für den Internetnutzer nicht oder nur schwer erkennbar ist, ob die beworbenen Waren oder Dienstleistungen vom Markeninhaber oder einem wirtschaftlich mit ihm verbundenen Unternehmen stammten, stelle dies eine Beeinträchtigung der herkunftshinweisenden Funktion der Marke dar, die vom Markeninhaber untersagt werden könne. Ob im konkreten Einzelfall letztlich eine Markenrechtsverletzung vorliegt, überlässt der EuGH dabei jedoch der Beurteilung der nationalen Gerichte.

Damit ist es untersagt, Anzeigen so zu gestalten, dass bei den Internetnutzern der Eindruck entsteht, die beworbenen Produkte stammten von dem Inhaber der Marken und nicht von dem, der die Werbung geschaltet hat. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn die als Keyword verwendete Marke auch im Anzeigentext wiedergegeben wird und der Internetnutzer nicht erkennt, dass hier für Konkurrenzprodukte geworben wird. Die Bewerbung eines gebrauchten Originalprodukts unter Verwendung der Marke ist aber zulässig.

Eine in der Diskussion bisher wenig beachtete, praktisch aber sehr relevante Konstellation bezieht sich auf beschreibende Marken, beziehungsweise solche, bei denen ein Freihaltebedürfnis besteht. Rein beschreibende Marken tragen die Markenämter als Wortmarke nicht ein. Browsergame haben sie beispielsweise die Eintragung als Marke für Computerspiele verweigert.

In solchen Fällen weicht der Anmelder gerne auf eine Kombination aus Wort- und Bildmarke aus, die wegen des Bildelements dann eingetragen werden kann. Dabei kommen alle möglichen Tricks zum Zuge: Wenn schon nicht game, dann vielleicht .game? Die Verwendung eines rein beschreibenden Textbestandteils einer Wort-/Bildmarke beim Keyword-Advertising dürfte damit möglich sein.

Bis die genauen Kriterien für die Verwendung fremder Marken beim Keyword-Advertising geklärt sind, werden noch einige Jahre ins Land gehen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte einige Monate vor dem EuGH bereits eine Entscheidung zum Keyword-Advertising getroffen. Obwohl die groben Linien beider Gerichtshöfe ähnlich sind, decken sich die Details nicht, und manche besonders spitzfindigen Rechtsgelehrten meinen, sie seien streng dogmatisch auch gar nicht in Übereinstimmung zu bringen.

Nun sind aber zunächst wieder die Instanzgerichte am Zug. Diese kümmern sich erfahrungsgemäß weniger um dogmatische Feinheiten und mehr um ihr Rechtsgefühl. Eins dürfte sicher sein: Nach dem Wegfall der Markensperre werden sie viel mehr Streitigkeiten um Keyword-Advertising auf den Tisch bekommen – zumal die Ausführungen nicht nur für Marken, sondern sinngemäß auch beispielsweise für Firmennamen und Titelschutzrechte gelten.

Durch den Wegfall der Markensperre wächst einerseits der Spielraum für Werbung, andererseits müssen sich die Kreativen eindringlicher als bisher Gedanken darüber machen, ob ihre auf ein Schlüsselwort eingeblendete Anzeige rechtlich auch tatsächlich zulässig ist. Eine Marke gewährt nur Schutz für bestimmte Waren- und Dienstleistungsklassen. Ihre Verwendung oder die einer ähnlichen Zeichenfolge ist nur unzulässig, wenn eine Verwechslungsgefahr besteht. So kommt es, dass es manche Marken mehrfach gibt, nur für ganz unterschiedliche Bereiche. Diese Feinheiten des Markenrechts berücksichtigte Googles Markensperre bisher nicht oder kaum. "Turbostar " kann ein Auto oder einen Staubsauger bezeichnen und in diesem Fall besteht keine Verwechslungsgefahr.

Markeninhaber müssen daher selbst im Auge behalten, ob jemand über Keywords Werbung mit ihrer Marke betreibt. Sie können sich darüber bei Google beschweren oder gleich den Rechtsweg beschreiten. Hartnäckige Markenverletzer versuchen natürlich zu verhindern, dass man ihnen auf die Schliche kommt: Sie schalten Anzeigen bevorzugt nachts, nur für kurze Zeitintervalle oder schließen über Geotargeting das Gebiet aus, in dem der Markeninhaber seinen Sitz hat. Schwer zu entdecken sind auch "Ad Hijacking "-Fälle, bei denen der Keyword-Werber sogar den Anzeigentext des Markeninhabers übernimmt.

Auch wer keine Suchmaschine, sondern nur eine eigene Homepage betreibt, kann auf seiner Seite Werbung platzieren. Versandhäuser räumen dies zum Beispiel gerne ein: Sie überlassen dem Seitenbetreiber die Anzeige. Wer darauf klickt, wird zum Versandhaus verlinkt, und der Seitenbetreiber erhält einen Geldbetrag. In der Werbesprache ist er damit zu einem "Affiliate " geworden.

Wer Affiliate-Programme betreibt, sollte seine Affiliates strengen Regeln unterwerfen. In der Vergangenheit kam es immer wieder vor, dass diese fremde Marken verletzt haben, sei es über Keyword-Advertising, sei es über Meta-Tags. Der Werbetreibende ist für die Rechtsverletzungen seiner Affiliates nämlich nach der Rechtsprechung des BGH in der Regel verantwortlich.

Wie das geht, zeigt ein Beispiel: Computerhändler Hubertus Müller zählt auf seiner Seite hubertusmueller.de relativ wenige Besucher. Er wendet sich an Googles Keyword-Advertising, bietet auf das Keyword einer großen Computerfirma und baut deren Namen als Meta-Tag ein. Im schlimmsten Fall übernimmt er als Affiliate sogar für seine Keyword-Anzeige dieselbe Anzeige wie die Computerfirma, sodass der Nutzer, der die Suchmaschine aufruft, die Anzeige liest und meint, er lese eine Anzeige der Computerfirma. Wenn er drauf klickt, landet er erst einmal bei hubertusmueller.de. Dort findet er die Werbung der Computerfirma. Darauf klickt er und sieht nun die Seiten der Computerfirma.

Die hat davon den Nachteil: Die Preise für eigene Keyword-Anzeigen steigen, weil ihn die Firma überbieten muss, um an herausragendem Platz präsent zu sein, und sie zahlt nochmals für den Klick auf das Werbebanner, das auf der Seite des Affiliates Hubertus Müller steht. Eine andere Möglichkeit: Hubertus Müller schaltet bei Google Keyword-Advertising, bietet zum Beispiel auf das Keyword "Think-Pad " und baut ThinkPad als Meta-Tag ein. Auf seiner Seite ist Werbung für die Computerfirma, deren Affiliate er ist. Müller begeht damit eine Markenverletzung gegenüber ThinkPad, für die er verantwortlich ist – aber auch die Computerfirma kann für ihren Affiliate zur Rechenschaft gezogen werden. Daher kann es für Werbetreibende sinnvoll sein, in den Regeln für ihre Affiliate-Programme zu verbieten, Marken Dritter im Rahmen des Keyword-Advertising zu verwenden. Die Verwendung eigener Marken als Keyword sollte sie ebenfalls ausschließen. (fm)

Der Autor ist Rechtsanwalt in Frankfurt am Main im Bereich IT- und Kartellrecht.

Literatur

  1. EuGH, Urteil vom 23. März 2010 – verbundene Rechtssachen C 236/ 08 bis C 238/08 (PDF)

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