TDMi-Gruppe: Die Karre steckt mit dem rechten Vorderrad im Dreck

Noch Mitte Mai sagte TDMi-Chef Detelf Linde hier auf Heise-resale, "dass es wenige Unternehmen im Markt gibt, wo sich im positiven Sinne so viel bewegt hat und bewegen wird" wie bei der TDMi. Jetzt zeigt sich, was dieses Statement wert ist.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Damian Sicking

Liebe Leser,

die Insolvenz von TDMi ist ein Schock. Okay, dass bei einem der größten Systemhäuser nicht alles in Ordnung war und nicht alles nach Plan lief, war ein offenes Geheimnis. Wir selbst hatten an dieser Stelle im Zusammenhang mit dem großen Management-Revirement im Mai dieses Jahres darüber berichtet. Und als nur wenige Wochen nach seinem Dienstantritt die neue Nummer 2 im Unternehmen, Ex-Magirus-Vorstand Axel Feldhoff, wieder von Bord ging – angeblich wegen "unterschiedlicher Auffassungen bezüglich der künftigen Ausrichtung der Firmengruppe" –, da erhielten Gerüchte über gravierende Schwierigkeiten im Hause TDMi zusätzliche Nahrung.

Warum war die Nachricht von der TDMi-Insolvenz trotzdem ein Schock? Nun, vor allem wohl deshalb, weil TDMi-CEO Detelf Linde hier bei uns noch vor Kurzem öffentlich behauptet hatte, alles sei gut und entwickle sich in die richtige Richtung. Mitte Mai schickte Linde mir einen Text als Antwort auf meine Kolumne wenige Tage zuvor und zählte einige Erfolge der TDMi auf. Sein Schreiben beendete Linde mit der Bemerkung, "dass es wenige Unternehmen im Markt gibt, wo sich im positiven Sinne so viel bewegt hat und bewegen wird" wie bei der TDMi-Gruppe. Kommentar aus heutiger Sicht? Überflüssig.

Zunächst sind von der Insolvenz unmittelbar nur die TDMi-Einheiten TDMi AG, TDMi Deutschland Holding GmbH, Comparex Hiolding GmbH und Comparex Services GmbH betroffen. Doch die Gefahr ist groß, dass weitere Töchter mit in den Abgrund gerissen werden. Der TDMi-Vorstand spricht selbst von einer "sehr angespannten Liquiditätslage" dieser Unternehmen. Und wenn man weiß, wie Lieferanten und Kunden auf derartige Meldungen reagieren, dann kann man sich ausrechnen, was in den kommenden Tagen und Wochen passieren wird.

Ich frage mich, ob wir mit der TDMi-Gruppe nicht eine zweite Taskarena haben. Sie erinnern sich: Im Jahr 2000 hatten sich sieben Systemhäuser und IT-Dienstleister zur Taskarena zusammengeschlossen, und nach einer kurzen Aufschwungphase endete dieses Experiment in einem grandiosen Desaster. Wesentlicher Unterschied zur TDMi-Gruppe: Die Ausgangsvoraussetzungen bei Taskarena damals waren ungleich günstiger, handelte es sich bei den beteiligten Unternehmen doch um kerngesunde Firmen.

Man muss schon eine sehr optimistische Veranlagung haben, um zu glauben, dass sich bei der TDMi-Gruppe in den kommenden Wochen und Monaten "im positiven Sinne viel bewegen wird", wie Firmenchef Linde im Mai angekündigt hatte. Jetzt geht es darum, schnellstmöglich frisches Kapital aufzutreiben, am besten in Gestalt eines Investors. Aufgrund der sehr guten Beziehungen Lindes zur IBM – seine Ursprungsfirma Becom ist ein großer IBM-Partner – bringen einige Marktbeobachter Big Blue als möglichen Retter ins Spiel. Man wird sehen, ich halte diese Lösung eher für unwahrscheinlich. Sicher aber ist eins: Selbst wenn die TDMi-Gruppe aus dem Insolvenzverfahren wieder herauskommt, wird sie anders aussehen (müssen) als zuvor. Vor allem kann es nicht angehen, dass die einzelnen Töchter völlig unabgestimmt den Markt bearbeiten und sich zum Teil gegenseitig Knüppel zwischen die Beine werfen. Auch ist die Frage zu stellen, ob das Management mit der Führung des Konzerns nicht überfordert ist.

Folgendes Bild drängt sich mir zur Beschreibung der Lage bei der TDMi-Gruppe auf. Die Karre steckt mit dem rechten Vorderrad im Dreck fest. Die Gefahr ist groß, dass das Fahrzeug weiter abrutscht, zumal das Wetter schlecht ist und starker Regen den Boden weiter aufweicht. Fahrer und Beifahrer haben keine Erfahrung mit solchen Situationen und hoffen, dass ein Traktor sie aus dem Schlamassel wieder herauszieht. Dass die Fahrzeugführer sich mitsamt ihrem Gefährt selbst wieder befreien können, ist sehr zweifelhaft.

Beste Grüße

Damian Sicking

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