Tech Data: Ein Händler in der Faktura-Mühle

Auch Händler finden sich immer wieder in der Rolle des Kunden wieder. Jeder Einkauf beim Distributor macht aus dem Widerverkäufer einen kleinen Kunden - mitunter mit nervenaufreibenden Folgen.

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Georg Schnurer

Jochen W. betreibt mit seinem PC-Bringdienst ein recht florierendes Geschäft in Georgsmarienhütte. Ein treuer, langsam wachsender Kundenstamm schätzt seine Dienste und sichert dem Unternehmen so die Existenz. Guter Service, pünktliche und schnelle Lieferung, damit will Jochen W. überzeugen.

Die Komponenten für die in der Regel nach Kundenwunsch gefertigten Systeme seines PC-Bringdienstes kauft der Händler bei verschiedenen kleineren und größeren Distributoren ein. Mitte Dezember letzten Jahres ist er auf der Suche nach Prozessoren. Für einen Kundenauftrag benötigt er schnell fünf AMD Sempron 64 3000+ für den Sockel AM2. Sein üblicher Lieferant konnte ihm die Ware jedoch nicht rechtzeitig liefern.

Also wandte er sich an den Broadliner Tech Data. Als Erstbesteller musste Jochen W. hier zwar per Vorkasse einkaufen, doch das war ihm egal. Hauptsache, er hatte die CPUs noch vor Weihnachten und konnte seine Kunden beliefern. So orderte er am 18. Dezember die fünf AMD-Prozessoren zum Tagespreis von 50,96 Euro im Händler-Online-Shop von Tech Data. Leider konnte auch der Broadliner keine Prozessoren liefern. Das System avisierte dem enttäuschten Kunden eine Lieferung für die zweite Kalenderwoche 2007.

Im neuen Jahr wollte Jochen W. die CPUs jedoch nicht, sondern sofort, noch vor Weihnachten. Also stornierte er die Bestellung noch am 18. Dezember telefonisch und besorgte sich die Prozessoren anderswo.

Überraschung

Die Order bei Tech Data war schon fast vergessen, da spuckte das Faxgerät des Händlers am 5. Februar eine Bestellbestätigung aus. Na, da spinnt bestimmt das System des Distributors, dachte sich Jochen W. und ignorierte das Fax. Ärger befürchtete er nicht, schließlich rechnete er als Neukunde mit Vorkasse-Vertrag nicht ernsthaft mit einer Lieferung.

Am 6. Februar brachte die Post jedoch trotzdem ein Paket. Darin fand der verdutzte Händler fünf Prozessoren, aber keine Rechnung. Sofort rief er beim Distributor an. An der Leitung hatte er Herrn P., der ihm versprach, schnellstmöglich einen Abholschein zu schicken. Jochen W. war erst einmal beruhigt. Allerdings hielt dieser Seelenzustand nicht lange an, denn am nächsten Tag flatterte die Rechnung von Tech Data ins Haus: Zum Tagespreis vom 18. 12. 2007, der satte 15 Prozent über dem aktuellen lag, sollte er die Ware per Vorkasse bezahlen.

Wie, was, Vorkasse? Die Lieferung war doch längst da, zudem unerwünscht und auch noch überteuert. Langsam schwante dem Firmenchef, dass er hier wohl mit noch mehr Ärger rechnen musste. Sofort rief er in der Rechnungsabteilung von Tech Data an. Herr K. wollte sich des Problems annehmen. Die Gute Nachricht: Jochen W. ist jetzt Rechnungskunde – wohl, damit der Distributor die erwartete Zahlung verbuchen kann, so schwant es dem Kunden.

Gut eine Woche lang passiert nichts. Dann kommt die nächste Post von Tech Data: Erste Mahnung steht auf dem Schreiben, datiert auf den 13. Februar 2007. Der Kunde möge die erhaltene Ware unverzüglich bezahlen. Zudem wies das Unternehmen darauf hin, dass inzwischen auch Mahngebühren in Höhe von 10 Euro angefallen und ebenfalls zu begleichen sind. Sofort fragte Jochen W. bei Tech Data nach, was das denn nun solle und wo denn der versprochene Rücksendeschein bleibt. Dafür, so erfährt er von Frau G., sei die Nachforschungsabteilung zuständig. Jochen W. wird weiterverbunden, doch in der Nachforschungsabteilung ist nichts von einem Rücksendeschein bekannt. Da muss wohl eine RMA draus gemacht werden, rät man dem verwirrten Kunden. Also fordert Jochen W. einen RMA-Schein an.

Böse Folgen

Am 20. Februar überschlagen sich die Ereignisse: Zunächst flattert Jochen W. eine "letzte Mahnung" von Tech Data ins Haus. Bedauerlicherweise habe der Kunde die bisherigen Mahnungen nicht beachtet, schreibt der Distributor. Deshalb habe man jetzt sein Kundenkonto gesperrt. Im Übrigen berechne man nun eine Mahngebühr in Höhe von 15 Euro, zuzüglich 1,43 Euro Verzugszinsen, versteht sich. Den Gesamtbetrag in Höhe von 319,57 Euro möge der Kunde doch bis spätestens 27. Februar überweisen, andernfalls werde man gerichtliche Schritte einleiten. Zudem müsse man nun die bestehende Überfälligkeit beim Kreditversicherer anzeigen.

Besonders dieser Satz versetzte Jochen W. in echte Panik. Als Händler ist er auf ein gutes Scoring bei Schufa, Hermes und Co. angewiesen. Schlechte Bewertungen seiner Kreditwürdigkeit, das war das Letzte, was der Firmenchef brauchen konnte. Sofort griff er zum Telefon und Frau M. versprach, sich um die Angelegenheit zu kümmern.

Kurz darauf: Ein Hoffnungsschimmer, die RMA wurde akzeptiert, Jochen W. darf die fünf Prozessoren zurückschicken. Doch was war das? Als Gutschrift sollte er lediglich 44,70 Euro pro Stück erhalten, obwohl er für die ungewollte Lieferung 50,96 Euro pro Prozessor berechnet bekam. Und natürlich akzeptiert Tech Data nur freigemachte Rücksendungen. Auf dem Porto für die Hin- und Rücksendung sollte er also auch noch sitzen bleiben.

Ein weiterer Anruf bei Tech Data war also fällig. Frau M. rät ihm, den Vorgang zu "beenden". Der offen bleibende Differenzbetrag werde dann nach Erhalt der Rechnung ausgebucht. Am 22. Februar schickt Jochen W. die Prozessoren also auf eigene Kosten zurück zu Tech Data. Hoffentlich klappt die versprochene Ausbuchung, und hoffentlich hat der Fehler des Distributors keine negativen Folgen für seine Kreditwürdigkeit, denkt Jochen W. noch. Sein Fazit nach diesem verhinderten Einkauf beim Broadliner: Das Einzige, was bei Tech Data gut funktioniert, scheint die Faktura zu sein.

Nachgefragt

Wie steht es nun also um das Kundenkonto von Herrn W., fragen wir Uwe Thiel, als Vertriebsleiter Sales Backoffice verantwortlich unter anderem für alle Kundenbelange der Tech Data GmbH & Co. OHG mit Sitz in München. Wurde das Konto des Kunden inzwischen bereinigt und freigeschaltet? Und wie steht es um das Damoklesschwert der kreditgefährdenden Meldung bei der Kreditversicherung? Natürlich interessierte uns auch, wie es überhaupt zu solch einer Verkettung von Fehlleistungen kommen konnte.

Uwe Thiel entschuldigte sich zunächst im Namen von Tech Data dafür, dass Jochen W. durch einen Fehler des Unternehmens in Bedrängnis geraten ist. Sein Kundenkonto sei inzwischen bereinigt und wieder freigeschaltet worden. Zu einer Meldung bei den Kreditversicherern – zu der der Distributor vertraglich verpflichtet ist – sei es gar nicht erst gekommen, da der Prozess manuell gestoppt worden sei, versicherte Thiel.

Die Ursache der Verkettung unglücklicher Umstände, so räumte Thiel offen ein, habe bei Tech Data Deutschland gelegen: "Bei näherer Betrachtung des Falles hat sich gezeigt, dass die Lawine direkt am Beginn der Bestellung entstanden ist, wo Tech Data das Storno des Kunden versehentlich nicht gebucht hat. Ein menschlicher Fehler, der in der Folge weitere automatisierte Prozesse ausgelöst hat."

Im Zuge einer Kundengewinnungsaktion Anfang Februar habe der Kunde W. dank seiner guten Bonität dann einen Sofortkredit in Höhe von 2.500 Euro eingeräumt bekommen. Und nun habe das System natürlich automatisch die Freigabe erhalten, die Ware auszuliefern. "Die Ware hat umgehend das Lager verlassen. Alle Folgeprozesse sind dann weitestgehend standardisiert und automatisiert und haben sich seit Langem in der Zusammenarbeit mit unseren Kunden bewährt." Dass diese Standardprozesse in diesem Fall für einige Verwirrung gesorgt hätten, sei aber offensichtlich, räumte Uwe Thiel ein.

Die Preisgestaltung bei der Lieferung der Prozessoren entspräche aber der üblichen Praxis bei Tech Data: Tagespreis-Waren wie Prozessoren und Speicher würden stets zum Preis am Bestelltag abgerechnet. Preisänderungen, die zwischen Order- und Lieferzeitpunkt erfolgen, würden nicht automatisch an den Kunden weitergegeben.

Vorsicht Kunde – die andere Seite

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