Tobit-Chef Groten: Endkunden werden für Software kein Geld mehr bezahlen

Private Endkunden sind zunehmend nicht mehr bereit, für Software zu zahlen, erklärt Tobit-Chef Tobias Groten im Gespräch mit heise-resale-Kolumnist Damian Sicking. Die Softwarehersteller und –händler werden sich andere Erlösquellen suchen müssen.

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Von
  • Damian Sicking

Liebe Softwarehersteller, -distributoren und –händler,

in der vergangenen Woche war ich seit langer Zeit mal wieder bei der Firma Tobit Software in Ahaus. War gar nicht so einfach, dort einen Parkplatz zu finden. Der Grund: Auf dem Firmengelände hat der Software-Hersteller nun schon im sechsten Jahr die "Stattalm“ aufgebaut. Wenn man so will, handelt es sich dabei um ein Wintervergnügen für die Bevölkerung in Ahaus und Umgebung. Im Zentrum der Stattalm steht eine große Eislauffläche, auf der die Kinder und Erwachsenen kostenlos den ganzen Tag Schlittschuhlaufen können. Am vergangenen Wochenende fand sogar ein Wettbewerb im Eisstockschießen mit mehr als 1.000 Teilnehmern statt. Daneben gibt es einen kleinen Weihnachtsmarkt, Gastronomie („Zum Goldenen Hirschen“) und natürlich jede Menge Halligalli. Ein Anziehungspunkt für Leute aus Nah und Fern, sogar die Kicker vom Fußballverein FC Schalke 04 aus Gelsenkirchen waren schon dort.

Wie das so ist, wenn man sich lange nicht gesehen und gesprochen hat, hatten Tobit-Chef Tobias Groten und ich uns jede Menge zu erzählen. Zuerst oben bei ihm in seinem sehr schönen Büro, später dann bei einem sehr süffigen Glas "Hirschgold“ im "Goldenen Hirschen“. Natürlich kamen wir vom Hölzchen aufs Stöckchen, wie das eben so ist nach so langer Zeit. Und vieles ist für die Leser dieser Kolumne vermutlich nicht besonders interessant und manches auch privat. Zwei Dinge aber möchte ich aber kurz erzählen.

Die eine Sache betrifft Grotens Firma Tobit. Ich war ja wie gesagt schon ein paar Jahre nicht mehr dort und ich muss gestehen, ich habe sie sogar ein bisschen aus dem Auge verloren. Umso beeindruckter war ich, was sich in Ahaus seitdem getan hat. Gut, ich muss zugeben, ich bin leicht zu beeindrucken. Aber egal. Nicht nur ist die 1986 von Tobias Groten gegründete Firma auf inzwischen rund 250 Mitarbeiter gewachsen (bei meinem letzten Besuch lag die Zahl noch bei etwa 120), es sind auch ein paar neue Produkte entstanden. Und damit bin ich bei der zweiten Sache, von der ich hier berichten will.

Schon mal was von Chayns gehört? Chayns ist der neueste Hit der Ahauser Softwareschmiede. Chayns ist simpel gesagt, eine Software, um Smartphone-Apps zu erstellen. Andererseits ist Chayns aber eine Dienstleistung, ein Service von Tobit. Denn im Prinzip erstellt sich die App von selbst, kein Kunde braucht irgendein technisches Verständnis. Chayns ist sozusagen App-Erstellung "for dummies“. Mit Chayns können Unternehmen, Vereine, Verbände, Restaurants, Organisationen, Institutionen etc. – bei Tobit nennt man sie "Syndikate“ – schnell und einfach mit ihren Kunden, Mitgliedern oder Fans etc. kommunizieren, Termine organisieren, ja sogar den Zahlungsverkehr abwickeln. Alles super easy und schnell. Und Chayns kommt im Markt an. Schon kurz nach dem Beginn des Services sind mit Chayns mehr als 10.000 Apps hergestellt worden. Ich würde sagen: Nicht schlecht für den Anfang.

Chayns ist, wie gesagt, kostenlos, was für die Anwender toll ist. Stellt sich die Frage, wie Tobit dabei auf seine Kosten kommt. Bei dieser Frage wird Tobias Groten grundsätzlich. "Ich glaube nicht, dass die privaten Endkunden noch lange bereit sein werden, für Software Geld zu bezahlen. Schon heute erleben wir im Bereich der Smartphone-Apps, dass selbst 79-Cent-Angebote nicht oder nur unter größten Protesten akzepiert werden. Im BtB-Bereich sieht die Sache natürlich noch anders aus. Aber auch Office-Pakete werden nicht mehr lange kostenpflichtig sein können. Die Anbieter werden sich andere Erlösquellen suchen müssen“, ist Groten überzeugt.

So auch bei Chayns. Von den Endanwendern bekommt Tobit keinen Cent. Interessant wird das Geschäft auf indirektem Wege, also quasi "über Bande". So gibt es Kooperationen mit großen Unternehmen, Vereinen (Schalke 04) oder auch Organisationen, für die Tobit als Dienstleister agiert. Und hier fließt dann natürlich Geld. Geld beziehungsweise der Geldfluss ist ohnehin eine zentrale Größe in der Chayns-Wertschöpfungskette. Denn Tobit bietet den "Syndikaten“ an, den Zahlungsverkehr über Chayns laufen zu lassen, etwa Rechnungen, Eintrittskarten, Mitgliedgebühren etc. Das funktioniert so, dass die Kunden auf eine virtuelle Guthabenkarte einen bestimmten Betrag einzahlen und von diesem Guthaben dann nach und nach mit ihrem Smartphone über Chayns beispielsweise die Friseurrechnung bezahlen. Tobit fungiert in diesem Fall quasi als Geldhaus oder Bank. Tatsächlich ist Groten derzeit mit den Behörden über die Notwendigkeit einer Banklizenz im Gespräch. "Das machen wir auf jeden Fall, wir prüfen derzeit lediglich, ob es besser ist, eine kleine Bank zu kaufen oder selbst eine zu gründen“, sagt er.

Na, tut sich da was bei Tobit in Ahaus? Ich finde schon. Ach ja, die etalierte Unternehmenssoftware David gibt es natürlich auch noch, jetzt sogar "mit eingebauter Frischzellenkur“.

Beste Grüße!

Damian Sicking

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