"Überprivilegierung" der Unternehmer vor dem Aus?

Der Bundesfinanzhof hält Teile des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes für verfassungswidrig. Stimmt das Bundesverfassungsgericht zu, verlieren Unternehmer steuerliche Privilegien.

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Von
  • Marzena Sicking

Der Bundesfinanzhof (BFH) teilte vor einigen Tagen mit, man habe dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob § 19 Abs. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der im Jahr 2009 geltenden Fassung (ErbStG) in Verbindung mit §§ 13a und 13b ErbStG gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt und damit verfassungswidrig ist (Beschluss vom 27.9. 2012, Az.: II R 9/11). Was nach Paragrafenreiterei klingt, ist eine Frage von hoher Brisanz, zumindest für Unternehmer.

In der Fall ging es um die Besteuerung eines Erbanteils. Geklagt hatte ein Mann, der von seinem Onkel diverse Bankguthaben und einen Steuererstattungsanspruch geerbt hatte. Das Finanzamt setzte dafür Erbschaftssteuer in Höhe von 9.360 Euro fest.

Der Neffe klagte gegen den Beschluss und vertrat vor Gericht die Ansicht, dass die im Jahr 2009 geltende beschränkte Gleichstellung von Personen der Steuerklasse II (u.a. Geschwister, Neffen und Nichten) mit Personen der Steuerklasse III (fremde Dritte) verfassungswidrig sei. Der Bundesfinanzhof wies diese Auffassung zurück und erklärte, der Gesetzgeber sei nicht dazu verpflichtet, Erwerber der Steuerklasse II besser zu stellen als Erwerber der Steuerklasse III. Art. 6 Abs. 1 GG beziehe sich nur auf die Familie als Gemeinschaft von Eltern und Kindern, nicht aber auf Familienmitglieder im weiteren Sinne.

Allerdings war die Sache damit noch nicht ausgestanden. Denn der Bundesfinanzhof stellte nun selbst die Frage, ob dieses Gesetz so mit der Verfassung zu vereinbaren sei. Denn wie die Richter feststellten, könne ein Verstoß durchaus vorliegen, da die in §§ 13a und 13b ErbStG vorgesehenen Steuervergünstigungen in wesentlichen Teilbereichen von großer finanzieller Tragweite über das verfassungsrechtlich gerechtfertigte Maß hinausgingen. Betriebsvermögen ohne Rücksicht auf den Wert und die Leistungsfähigkeit des Erwerbers freizustellen, und zwar auch dann, wenn die für eine Erbschaftssteuerzahlung erforderlichen Mittel vorhanden seien, gehe zu weit.

Das Argument "Arbeitsplatzerhalt" sei dabei nicht tragfähig, weil über 90 Prozent der Betriebe nicht mehr als 20 Beschäftigte hätten und deshalb gar nicht unter die "Arbeitsplatzklausel" fielen. Außerdem lasse das das Gesetz Schlupflöcher zu, so dass die Unternehmen die Vorteile genießen können, ohne das es wirklich auf die Entwicklung der Lohnsummen und somit auf die Erhaltung von Arbeitsplätzen in dem Zeitraum nach dem Erwerb ankomme.

Die Richter führten noch weitere Punkte auf, in denen sie einen Überbevorteilung der Unternehmer sehen. Ihr Fazit: Die zusätzlich zu den Freibeträgen des § 16 ErbStG anwendbaren Steuervergünstigungen nach §§ 13a und 13b ErbStG zusammen mit zahlreichen anderen Verschonungen führen dazu, dass die Steuerbefreiung die Regel und die tatsächliche Besteuerung die Ausnahme sei. Das habe zur Folge, dass diejenigen Steuerpflichtigen, die die Vergünstigungen nicht für sich beanspruchen könnten, in ihrem Recht auf eine gleichmäßige und ihrer Leistungsfähigkeit entsprechende Besteuerung verletzt würden. Es sei eine "Überprivilegierung", dass Unternehmer ihren Betrieb und ihr Vermögen praktisch steuerfrei an den Nachwuchs übergeben können.

Das Gesetz, das ursprünglich dazu dienen sollte, kleine Firmen vor einer Zerschlagung zu schützen, ist zu eine Art Steuergeschenk für reiche Firmenerben mutiert. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts dürfte zwar noch lange auf sich warten lassen, doch wer noch in den Genuss dieser Vorteile kommen will, sollte sich dennoch beeilen. Wie die Zeitschrift "Impulse" schreibt, sei es nicht unwahrscheinlich, dass der Bundestag die ersten Vergünstigungen schon bei der dritten Lesung des Jahressteuergesetzes 2013 kippt. Und die findet noch in diesem Monat statt. (gs)
(masi)