Übertragbar

Lizenzen oder Nutzungsrechte sind das A und O der Soft wareindustrie. Hinter diesen Begriffen stecken komplizierte juristische Regelungen. Für Entwickler, deren Arbeitgeber oder sonstige Auftraggeber ist es wichtig, den Über blick über die urheberrechtlichen Vorschriften zu behalten und Nutzungsverträge eindeutig zu gestalten.

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Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Georg Schnurer

Computerprogramme sind Sprachwerke – zumindest aus juristischer Sicht. So lapidar steht es gleich zu Beginn in § 2 des deutschen Urheberrechtsgesetzes geschrieben. Alles klar, möchte man meinen. Aber mitnichten. Denn was ein Computerprogramm aus rechtlicher Sicht ist, erklärt das Gesetz selbst nicht eindeutig. Auch ein Blick in § 69a Absatz 1 UrhG hilft zunächst nicht recht weiter. Dort wird geregelt: „Computerprogramme im Sinne dieses Gesetzes sind Programme in jeder Gestalt, einschließlich des Entwurfsmaterials“.

Geschützt sind nur „verkörperte Werke“

Immerhin klärt Absatz 2: „Ideen und Grundsätze, die einem Element eines Computerprogramms zugrunde liegen, einschließlich der den Schnittstellen zugrunde liegenden Ideen und Grundsätze, sind nicht geschützt.“ Hierbei handelt es sich um einen ganz wesentlichen Aspekt des Urheberrechts, der nicht nur für Computerprogramme gilt. Das Urheberrecht schützt nur „verkörperte Werke“, nicht aber Ideen. Ideen und Gedanken sind nach deutschem Recht frei.

Computerprogramme sind rechtlich also nur geschützt, wenn „sie individuelle Werke im dem Sinne darstellen, dass sie das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung des Urhebers sind“ (§ 69b Absatz 3 UrhG). Damit sind weitere wesentliche Grundsätze des Urheberrechts umschrieben: Es muss sich um einen Menschen, den Urheber, handeln, der eine eigene geistige Schöpfung vollbracht hat.

Außerdem muss das Werk individuell sein. Als „Werk“ werden Computerprogramme dann geschützt, wenn sie in einer wahrnehmbaren Ausdrucksform vorliegen. Das kann sich grundsätzlich auf alle Stufen der Entwicklung beziehen und erfasst neben dem Object Code, einschließlich der bloßen Programmdaten des Maschinencodes, und dem reinen Sourcecode auch „die innere Struktur und Organisation des Computerprogramms“. Individualität dürfte danach letztlich nahezu jede Software besitzen, sodass diese Voraussetzung allenfalls noch diskutiert werden kann, wenn man die Frage stellt, ob selbstständig Programmcode generierende Softwaregeneratoren ebenfalls urheberrechtlich geschützte Werke herstellen können. Da aber auch die Vorgaben an den Generator auf einen (oder mehrere) Menschen zurückgehen, dürfte daran meist kein Zweifel bestehen.

Da grundsätzlich nur das geschützt ist, was der einzelne Urheber selbst geschaffen hat, kann er keinen Schutz für nicht von ihm stammende Teile von Computerprogrammen beanspruchen. Ausnahme sind nur Elemente, die nicht schutzfähig sind, etwa weil ihnen die erforderliche Schöpfungshöhe fehlt. Das können zum Beispiel einzelne Programmzeilen sein, die für sich genommen keinen Urheberrechtsschutz besitzen. Da nach der Auffassung des Bundesgerichtshofs aber auch bei Software die sogenannte „kleine Münze“ gilt, sind die Voraussetzungen für Urheberrechtsschutz vergleichsweise gering.

Unter „kleine Münze“ versteht man nach Wikipedia „die unterste Grenze eines gerade eben noch urheberrechtlich geschützten Werkes“. Zur Veranschaulichung dient häufig die nur aus sechs Tönen bestehende Anfangsmelodie der „Tagesschau“. Diese ist urheberrechtlich geschützt. Übertragen auf den Softwarebereich bedeutet das, dass auch simpel zu erstellende, triviale Programme geschützt sind.

Problematisch: Mehrere Urheber

Schwierig wird es bei größeren Entwicklungen, an denen mehrere Entwickler beteiligt sind. Hier gilt § 8 UrhG, der besagt, dass es sich bei ihnen um Miturheber handelt, wenn sie gemeinsam ein Werk geschaffen haben, „ohne dass sich ihre Anteile gesondert verwerten lassen“, also keine in sich jeweils abgeschlossenen Module vorliegen. Das gilt sowohl bei paralleler als auch bei nachgelagerter Entwicklung. An Betriebssystemen beispielsweise sitzen meist Heerscharen von Programmierern, deren einzelner Beitrag zum Endprodukt sich kaum noch feststellen lässt. Und eine Release ist nicht alles, denn es schließt sich in der Regel die Entwicklung der nächsten an. Wenn daran andere Programmierer beteiligt sind, wächst die Zahl der Miturheber zudem über mehrere Generationen hinweg.

Ist erst einmal geklärt, dass „ein Stück Software“ urheberrechtlich geschützt ist, dürfen andere es grundsätzlich nur nutzen, wenn der Urheber es gestattet. Bei Miturhebern müssen alle Beteiligten eine solche Nutzung erlauben. Juristisch liest sich das so: „Der Urheber hat das ausschließliche Recht, sein Werk in körperlicher oder unkörperlicher Form zu verwerten“ . Davon umfasst ist insbesondere das Vervielfältigungsrecht, also das Kopieren, wobei darunter streng genommen auch schon das vorübergehende Laden in den Arbeitsspeicher eines Computers fällt. Denn es kommt nicht darauf an, ob die Vervielfältigung dauerhaft, vorübergehend, einmal oder mehrmals stattfindet. Der Urheber kann bestimmen, ob und wenn ja, unter welchen Rahmenbedingungen, sie erfolgen darf.

Verschiedene Formen von Nutzungsrechten

Will ein Urheber einem anderen ein Recht zur Vervielfältigung seines Computerprogramms einräumen, kann er ihm ein Recht zur Nutzung einräumen. Umgangssprachlich spricht man hier von Lizenz. Wichtig ist aber, dass es nicht „das“ Nutzungsrecht an Computerprogrammen gibt. Vielmehr kann es in Form von einfachen oder ausschließlichen Rechten eingeräumt werden. Bei einfachen Nutzungsrechten kann der Urheber mehreren Nutzern das gleiche Recht zugestehen. Das ist der Fall bei Standardsoftware wie dem Acrobat Reader oder Flash-Plug-ins – jeder berechtigte Nutzer soll diese Softwareprogramme nutzen dürfen. Bei Individualsoftware, also Auftragsentwicklungen et cetera, wird sich der Auftraggeber meist ausschließliche Rechte einräumen lassen. Dann darf nicht einmal mehr der Urheber das Computerprogramm nutzen.

Zudem kann man Nutzungsrechte räumlich, zeitlich und inhaltlich beschränken. Es ist nichts Ungewöhnliches, wenn Computerprogramme durch einen Händler beispielsweise nur in Deutschland oder nur in der Europäischen Union vertrieben werden dürfen. Auch zeitliche Befristungen, etwa bei Software as a Service (SaaS), sind üblich. Inhaltlich kann die Nutzung von Computerprogrammen auf den Einsatz im privaten Bereich beschränkt sein. Diese trivialen Beispiele sollen nur den Grundsatz verdeutlichen.

Bearbeitung muss ausdrücklich gestattet sein

Tatsächlich sind gerade häufig die Lizenz- oder Nutzungsrechtsklauseln und die Beschränkungen des Nutzungsrechts die Vorschriften in Verträgen zu Computerprogrammen, die am härtesten verhandelt werden und am Ende einen bedeutenden Teil des Lizenzvertrages ausmachen. Da es hier häufig um viel Geld geht, sollte man sich auf jeden Fall von versierten Fachleuten beraten lassen.

Neben der Vervielfältigung bedürfen weitere Handlungen der Zustimmung des Urhebers. Zum Beispiel darf nur derjenige eine Software auch verändern – etwa bearbeiten oder in andere (Computer-) Sprachen übersetzen –, der das explizite Recht dazu hat. Nur deswegen ist es im Bereich der Open-Source-Lizenzbedingungen möglich, bei Copyleft-Lizenzen wie der GPL Bearbeitungen unter der Bedingung zu gestatten, dass man diese wiederum allen Interessierten zur Verfügung stellt. So wollen es die Miturheber und daran haben sich die Nutzer zu halten.

Ganz allgemein gilt auch die Regel, dass eine Dekompilierung nur in wenigen Ausnahmefällen zulässig ist. Das ist nur dann der Fall, wenn die Dekompilierung zur Herstellung der Interoperabilität mit einem anderen Computerprogramm erforderlich ist und sie sich auf die dafür nötigen Informationen beschränkt. Durchführen darf sie nur der Lizenznehmer. Auch darf der Hersteller des zu kompilierenden Programms diese Daten nicht herausgeben.

Zum Schutz der Urheber gelten auch für das Reverse Engineering enge Grenzen. Häufig wird ein Reverse Engineering durch die Lizenzbedingungen ausdrücklich untersagt. Das ist aber nach deutschem Recht unwirksam. Nach § 69 d UrhG darf ein Lizenzinhaber „das Funktionieren dieses Programms beobachten, untersuchen oder testen, um die einem Programmelement zugrundeliegenden Ideen und Grundsätze zu ermitteln.“

Für Arbeitgeber und -nehmer bildet § 69b Absatz 1 UrhG eine zentrale Vorschrift und zugleich eine besondere Ausnahme vom dargestellten Grundsatz, dass ein Urheber immer bestimmen darf, wer seine Werke wie nutzt. Danach ist der Arbeitgeber zur Ausübung „aller vermögensrechtlichen Befugnisse“ an einem Computerprogramm berechtigt, wenn der Arbeitnehmer es in Wahrnehmung seiner Pflichten aus dem Arbeitsvertrag oder nach den Weisungen des Arbeitgebers geschaffen hat. Vertraglich darf man von diesem Grundsatz zwar abweichen, in der Praxis geschieht das jedoch äußerst selten.

Aufpassen muss man dennoch beim Gestalten von Arbeitsverträgen. Arbeitgeber dürfen sich nicht einfach auf diese gesetzliche Regelung verlassen, denn sie gilt nur für die Computerprogramme an sich, nicht aber für das schriftliche Konzept, die Beschreibung oder die Nutzungshandbücher und dergleichen. Wer sich dazu die Ideen sichern möchte, kann versuchen, diese über den Patentschutz zu monopolisieren oder Vertraulichkeitsvereinbarungen abzuschließen. Das Urheberrecht hilft an dieser Stelle jedenfalls nicht weiter.

Auch der Nutzer eines geschützten Werkes wie eines Computerprogrammes benötigt laut Urheberrecht ein Nutzungsrecht. Dieses muss sich direkt oder indirekt vom Urheber ableiten. Meistens befindet sich der Nutzer am Ende einer langen Kette von Nutzungsrechtseinräumungen: Der freie Entwickler räumt seinem Auftraggeber das ausschließliche Nutzungsrecht ein, dieser lizenziert es als einfaches Nutzungsrecht an einen Handelskonzern weiter. Der Konzern seinerseits vergibt wiederum Lizenzrechte an seine Landesvertretungen, die die Softwareprogramme an den Handel abgeben, über die der Endkunde schließlich seine Softwarekopie bezieht.

Auch wenn in diesen Fällen der Endkunde meist nach Installation des Programms erst noch einen Lizenzvertrag, meist als End User License Agreement (EULA) bezeichnet, mit dem Hersteller abschließen muss, wird deutlich, dass eine Nutzungsrechtskette vorliegt. Ist diese Kette unterbrochen, etwa weil Lizenzverträge gekündigt wurden, darf der Nutzer das Computerprogramm nicht mehr einsetzen. Dabei spielt es keine Rolle, ob er die Lücke in der Kette kannte oder nicht. Denn jedem Urheber steht das Recht zu, bei rechtswidriger Nutzung den Nutzer zur Unterlassung aufzufordern.

Schadensersatzpflichtig macht sich ein Nutzer allerdings nur, wenn er vom Fehlen seines Nutzungsrechts weiß und das Programm dennoch weiter einsetzt. Da man sich rechtlich nicht darauf verlassen darf, dass man mit einer Sache auch ein Nutzungsrecht erworben hat, ist gerade für Unternehmen bei wesentlichen Lizenzierungen besondere Vorsicht geboten. Denn einen „gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten“ gibt es im Urheberbereich nicht. Diese Grundsätze gelten sowohl online als auch offline.

Fazit

Softwareentwicklungen gleich welcher Art sind urheberrechtlich geschützt. Von diesem Grundsatz gibt es praktisch keine Ausnahmen. Das bedeutet aber auch, dass jeder, der diese Entwicklungen nutzen möchte, ein Nutzungsrecht vom Urheber benötigt. Will ein Arbeitgeber die Entwicklungen seiner Mitarbeiter verwenden, hilft ihm eine Sonderregelung im deutschen Urheberrecht, die ihm die Verwertungsrechte an den Leistungen seiner Mitarbeiter einräumt. Dies gilt aber nur für das Computerprogramm an sich, nicht für andere Leistungen, etwa das Entwicklungskonzept. Zwar kann man auch hier argumentieren, dass eine Rechtseinräumung nach „der Natur des Vertrages“ mit dem Arbeitnehmer gewollt war. Auf der sicheren Seite ist man aber nur, wenn man die Arbeitsverträge entsprechend sauber ausgestaltet. Denn im Zweifel gilt im Urheberrecht der Grundsatz, dass Rechte beim Urheber verbleiben, wenn sie nicht wirksam eingeräumt wurden.

Diese Grundsätze lassen sich nicht auf freie Entwickler oder Unternehmen übertragen. In Verträgen mit ihnen muss unbedingt eine klare und eindeutige Nutzungsrechtsvereinbarung enthalten sein. Ist erst einmal Streit um die Reichweite solcher Rechte ausgebrochen, drohen schnell Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche. Und dann kann es richtig teuer werden.

Tobias Haar, LL.M., ist Syndikusanwalt und Rechtsanwalt mit Schwerpunkt IT-Recht. (gs)