Unter der Social-Media-Lupe

Persönliches Material in sozialen Netzwerken kann peinlich werden, wenn man sich bei einer Firma bewerben will. Eine geplante Neuerung des Datenschutzrechts soll Arbeitgebern die Auswertung fremde Quellen über Bewerber erschweren – ist aber umstritten.

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Matthias Parbel
Inhaltsverzeichnis

Wann dürfen Unternehmen Online-Suchmaschinen auf ihre Bewerber loslassen? Darf ein Personalmanager, der sich ein Bild von einem Mitarbeiter machen möchte, dazu auch soziale Netzwerke durchstöbern? Bisher gibt kein deutsches Gesetz auf diese Fragen ausdrücklich Antwort. Das soll sich ändern: Der Entwurf des Gesetzes zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes [1] sieht in § 32 eine ausdrückliche Grenzziehung vor. Das Gesetzesvorhaben ist komplex. Der erste Entwurf stammt von Mai 2010. Es folgten weitere Referentenentwürfe, ein Hintergrundpapier, Gegenentwürfe, Stellungnahmen und Gegenäußerungen. Im Grunde hatte der Gesetzgeber schon zum 1. September 2009 eine eher platzhalterartige Regelung erlassen und damit gewissermaßen einen Merkposten für eine spätere, umfangreiche Regelung gesetzt. Diese steht jetzt an.

Im Wesentlichen soll die Gesetzesnovelle das zentrale Gesetz zum Datenschutz, nämlich das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) [2], um einen neuen Unterabschnitt ergänzen. Zukünftig soll die "Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses" detailliert geregelt sein. Das betrifft alle personenbezogenen Informationen, für die jemand sich im Zusammenhang mit einem (bestehenden oder anzubahnenden) Arbeitsverhältnis interessiert, und dazu gehört auch bereits die Bewerbungssituation. Arbeitgeber möchten berechtigtermaßen möglichst viel über ihre aktuellen und möglicherweise künftigen Arbeitnehmer wissen.

Dieses legitime Interesse kollidiert mit dem ebenso legitimen Verlangen der Betroffenen, ihre Privatsphäre geschützt zu wissen. Eine solche Interessenkollision findet nicht nur statt, wenn es um Hintergrundrecherche zu Bewerbern geht, sondern auch bei Videoüberwachungsmaßnahmen und anderen datenschutzrelevanten Versuchen des Informationsgewinns. Für dieses Spannungsverhältnis bietet das BDSG bisher nur rudimentäre Regelungen. Antworten auf konkrete Fragen müssen Gerichte oder Rechtsgelehrte liefern. Erst in der Gesamtschau von Gesetz, Urteilen und Expertenmeinungen zeigt sich dann ein fertiges Bild. Deshalb ist der Gesetzestext allein bislang keine gute Orientierungsbasis. Das soll sich ändern.

Der Gesetzgeber will zahlreiche neue Vorschriften erlassen, die datenschutzrechtliche Einzelaspekte des Beschäftigungsverhältnisses regeln. Eine dieser Vorschriften ist für Möglichkeiten und Grenzen der Datenerhebung in Bezug auf Beschäftigte und Bewerber zuständig. Ein Arbeitgeber soll grundsätzlich nur solche Daten nutzen dürfen, die er direkt vom Betroffenen erhalten hat. Wenn aber der Arbeitgeber ihn zuvor darauf hingewiesen hat, darf er sich zusätzlich solche Daten über ihn verschaffen, die "allgemein zugänglich" sind, auch wenn er sie nicht von ihm selbst erhält. Als allgemein zugänglich sieht das Gesetz solche Daten an, die man ohne eine besondere Anmeldung, Zulassung oder Zahlung bekommt.

Viele Daten aus sozialen Netzwerken werden schon deshalb nicht unter die Erlaubnis fallen, weil sie nicht im beschriebenen Sinne frei zugänglich sind. Denn häufig sind Daten anderer Teilnehmer nur für denjenigen sichtbar, der selbst registrierter Nutzer des entsprechenden Netzwerks ist. Xing etwa verrät Kontaktdaten und Arbeitgeber nur an angemeldete Nutzer. Zum Abruf von Profilfotos und ersten Infos sind aber auch dort keine Hürden zu überwinden. Auf verschiedenen sozialen Plattformen ist es zudem ausgesprochen üblich, Inhalte öffentlich zu posten. Hinzu kommen diejenigen frei durch Google & Co. zugänglichen Informationen, die mehr oder weniger gute Freunde aus den zugriffsbeschränkten Bereichen von Plattformen nach draußen getratscht oder kopiert haben.

Für jemanden, der eine simple Websuche startet, kann es schwer sein, dergleichen nicht zur Kenntnis zu nehmen. Dennoch darf ein Arbeitgeber solche Inhalte nicht automatisch vollständig auswerten. Vielmehr macht der Gesetzgeber das Recht zur Hintergrundrecherche künftig von einer ausdrücklichen Interessensabwägung abhängig: Nur dann, wenn "das schutzwürdige Interesse" des Beschäftigten oder Bewerbers nicht gegenüber dem "berechtigten Interesse des Arbeitgebers" überwiegt, darf letzterer im Netz nachschauen.

Offensichtlich unzulässig ist es dabei etwa, wenn ein potenzieller neuer Arbeitgeber herauszufinden versucht, ob sich eine Bewerberin online über eine geplante Schwangerschaft ausgelassen hat. Danach dürfte er auch im Vorstellungsgespräch nicht fragen. Wie bei jeder so abstrakten Regelung werden erst Gerichte Klarheit über die genauen Grenzen schaffen müssen.

Trotzdem versucht der Gesetzgeber, mit einem Beispiel zu helfen: Bei Daten aus sozialen Netzwerken soll die genannte Interessensabwägung normalerweise zugunsten des Betroffenen ausfallen. Hier überwiegt der Schutz von dessen Privatsphäre. Das gilt nur dann nicht, wenn es um Netzwerke geht, die "zur Darstellung der beruflichen Qualifikation ihrer Mitglieder bestimmt sind". Der Sinn dieser Regelung ist klar: Einem Bewerber, der online seine berufliche Kompetenz darstellen möchte, kommt es gerade darauf an, dass auch potenzielle neue Arbeitgeber die Einträge dort zur Kenntnis nehmen dürfen.

Abgrenzungsschwierigkeiten: Ist Google+ nun ein Netzwerk mit berufsbezogenem oder privatem Charakter?

Klar ist die Situation bei den Business-Plattformen Xing und LinkedIn: Hier steht die Beziehung zum Beruf sicherlich im Vordergrund. Auf der anderen Seite dürften etwa Facebook und die VZ-Netzwerke primär aufs Privatleben abzielen. Aber was gilt beispielsweise für Google+? Der Dienst ist bewusst sehr flexibel angelegt und erlaubt es, in verschiedenen "Circles" soziale Kontakte nach ganz unterschiedlichen Kriterien zu ordnen: Berufliche und private Darstellung sind gleichzeitig möglich, aber eben voneinander getrennt – sogar mit unterschiedlichen Profilbildern.

Offen bleibt auch, wer oder was über die rechtlich relevante Zweckbestimmung eines Netzwerks entscheidet. Kommt es auf die Absicht des jeweiligen Anbieters an? Oder soll die faktische Verwendung durch die Nutzer entscheidend sein? Und schließlich: Wer bestimmt überhaupt, was ein soziales Netzwerk ist? Dieser deutsche Begriff ist nicht unbedingt deckungsgleich mit dem englischen "Social Media". YouTube wird wohl nicht dazugehören, denn dieser Dienst dürfte nicht "der elektronischen Kommunikation" dienen, wie es der Gesetzentwurf fordert.

Anders sieht es bei Twitter aus: Nach Tweets eines Bewerbers wird man also nicht suchen dürfen. Ansonsten wird ein Arbeitgeber künftig, nachdem er einen Hinweis darauf gegeben hat, per Suchmaschine sowie bei Xing und LinkedIn, außerdem wohl bei YouTube, Flickr und auf sonstigen Kreativ-Plattformen Einträge bezüglich seiner Bewerber recherchieren dürfen. Wollen Arbeitgeber Daten von Dritten erlangen, müssen sie dafür den Bewerber um sein Einverständnis bitten.

Auch wenn das derzeit gültige Bundesdatenschutzgesetz keine ausdrücklichen Regelungen zur Interessenkollision beim Sammeln von Informationen über Beschäftigte oder Bewerber trifft, ändert das Gesetzesvorhaben die Rechtslage nicht grundsätzlich. Auch heute schon verlangt das BDSG in § 4 Abs. 2 im Zweifel eine Erhebung von Daten direkt beim Betroffenen. Als Ausnahme erlaubt dann ebenfalls schon heute eine Vorschrift die Beschaffung von Daten aus öffentlich zugänglichen Quellen; und auch hierbei verlangt schon heute der § 28 Abs. 1 Nr. 3 eine Interessensabwägung.

Will ein Unternehmen sich ansonsten Daten von Dritten verschaffen, ist dafür im Zweifelsfall eine Einwilligung des Betroffenen nach § 4 Abs. 1 des BDSG erforderlich. Der Gesetzgeber will diese abstrakten und verstreuten Vorschriften zusammenfassen und bezieht sie deutlich auch bereits auf die Anbahnungsphase eines Beschäftigungsverhältnisses. Was sich dabei tatsächlich ändert, sind nur Nuancen: Die Hinweispflicht ist neu.

Und während Arbeitgeber bislang die Interessensabwägung bei der Recherche im Netz pauschal vornehmen dürfen, kommt es zukünftig auf den konkreten Einzelfall an. Die gute Nachricht für Arbeitgeber besteht also darin, dass sich weniger ändert, als es die teilweise aufgeregte Diskussion um das Gesetzesvorhaben vermuten lässt. Für Nutzer sozialer Netzwerke ist das Fazit ebenfalls klar: Egal, ob altes oder neues Gesetz – bevor man insbesondere private Inhalte ins Netz stellt, sollte man besser dreimal überlegen, ob diese auch tatsächlich für jedermanns Augen geeignet sind. Schließlich kann niemand zuverlässig verhindern, dass das Material bei unerwünschten Betrachtern landet. (psz)

Der Autor, Dr. Marc Störing, berät als Rechtsanwalt zu Fragen des Datenschutzes und des IT-Rechts in einer Wirtschaftskanzlei (marc.stoering@osborneclarke.com).

Literatur

  1. Regierungsentwurf: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/042/1704230.pdf
  2. BDSG: www.gesetze-im-internet.de/bdsg_1990/

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