Verbotene Nutzung

Wer urheberrechtlich geschützte Werke nutzen möchte, braucht dafür ein Nutzungsrecht. Der Grundsatz „Keine Nutzung ohne Lizenz“ ist klar. Die juristischen Fallstricke stecken aber im Detail.

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Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Georg Schnurer

Aus rechtlicher Sicht besteht das Internet aus einer Unmenge an urheberrechtlich geschützten Werken. Computerprogramme, Softwarebibliotheken, Datenbanken, aber auch Texte, Grafiken, Musikstücke, Sounds, Fotografien und dergleichen unterliegen in der Regel dem Schutz des Urheberrechts. Möchte ein Entwickler oder Ersteller von Webseiten bei der Programmierung oder Gestaltung auf Werke anderer zurückgreifen, muss er das Recht zu deren Nutzung haben. Dabei spielen zwei bedeutende Grundsätze eine Rolle.

Der erste Grundsatz lautet: Es muss zwischen dem Nutzer eines Werkes und dem Urheber eine ununterbrochene Lizenzkette bestehen. Ist diese an einer Stelle unterbrochen, etwa weil ein Lizenzvertrag gekündigt oder gar nicht wirksam abgeschlossen wurde, hat der Verwender kein Nutzungsrecht. Vor diesem Problem steht er, ohne in den meisten Fällen davon zu wissen. Streng genommen kann er sich nicht darauf verlassen, dass er mit dem Abschluss eines Lizenz- oder Nutzungsrechtsvertrages auch wirklich wirksam ein solches Nutzungsrecht erwirbt. Was passiert, wenn der (vermeintliche) Lizenzgeber gar nicht das Recht hat, anderen Nutzungsrechte einzuräumen? Vielleicht hat er diese Rechte selbst niemals erworben, weil er keinen Vertrag mit dem eigentlichen Urheber hat oder weil dieser unwirksam ist.

Häufig weiß auch der Lizenzgeber nichts von diesem Pech, weil er im guten Vertrauen darauf, eine wirksame Lizenz zum Weitervertrieb zu erhalten, gehandelt hat. Wenn man sich nun vorstellt, dass zwischen dem jeweiligen Urheber, beispielsweise einem Entwickler einer Softwarefirma, über dessen Auftraggeber, über verschiedene Zwischenhändler bis zum Letzten in der Kette, etwa einem Webentwickler, etliche Lizenzverträge bestehen müssen, damit Nutzungsrechte am Ende der Kette auch wirklich ankommen, kann man sich vorstellen, dass hier mitunter einiges schiefgehen kann.

Guter Wille reicht nicht

Der zweite Grundsatz lautet: kein gutgläubiger Erwerb eines Nutzungsrecht vom Nichtberechtigten. Konkret bedeutet das: Auch wer alles getan hat, um sich ein Nutzungsrecht zu beschaffen, ist nicht vor Rechtsverletzungen geschützt, wenn in der Lizenzkette eine Lücke ist. Er hat dann kein solches Recht erworben und sieht sich etwaigen Ansprüchen ausgesetzt. Selbstverständlich kann er solchen Ärger in Form von Schadensersatz gegen seinen Lizenzgeber geltend machen. Wenn dieser aber nur schwer oder gar nicht erreichbar ist, etwa weil er seinen Sitz im Ausland hat, kann er diese Ansprüche vielleicht gar nicht durchsetzen.

Wer die Urheberrechte anderer verletzt, ist rechtlich gleich mehreren Ansprüchen ausgesetzt. Zunächst steht der Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch im Raum. § 97 Absatz 1 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) sagt: „Wer das Urheberrecht … widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf Beseitigung der Beeinträchtigung, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.“ Die Voraussetzungen für diesen Anspruch liegen auf der Hand: Es muss ein urheberrechtlich geschütztes Werk ohne Berechtigung genutzt worden sein. Dafür genügt die einmalige Verwendung einer von einem anderen geschaffenen Grafik auf einer Webseite, wenn beispielsweise der Grafiker, also der Urheber, dies zuvor nicht gestattet hat.

Dieser kann nun gegen den Verletzer vorgehen. Häufig bedient sich der Urheber dazu eines Anwalts, der den Verletzer abmahnt und zur Unterlassung auffordert. Darüber hinaus wird der Verletzer aufgefordert, eine sogenannte strafbewehrte Verpflichtungserklärung abzugeben. Strafbewehrt bedeutet, dass der Verletzer sich dazu verpflichtet, in jedem zukünftigen Fall der gleichen Rechtsverletzung dem Urheber eine Vertragsstrafe zu bezahlen. Darauf hat der Verletzte nach der deutschen Rechtsprechung einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch.

Außerdem gilt der Grundsatz, dass sich der Geschädigte in der Regel auch einen Rechtsanwalt zur Durchsetzung seiner Ansprüche nehmen darf und dass der Verletzer die entstehenden Anwaltskosten nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz zu erstatten hat. Die Höhe richtet sich nach dem jeweiligen Gegenstandswert, also der Bedeutung der Sache. Mehrere Tausend Euro sind hier aber schnell fällig.

Um Rechtsmissbrauch bei Abmahnungen einen Riegel vorzuschieben, wurde 2008 eine Begrenzung der Erstattungspflicht für juristischen Beistand in Höhe von Euro 100 eingeführt. Dies gilt aber nur für „einfach gelagerte Fälle“ und nur „außerhalb des geschäftlichen Verkehrs“. Bei Firmenwebseiten oder betrieblich genutzter Software greift diese Ausnahme daher nicht.

Es muss aber nicht bei Ansprüchen auf Beseitigung und Unterlassung bleiben. Wird die Rechtsverletzung vorsätzlich oder fahrlässig vorgenommen, besteht zudem noch ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 97 Absatz 2 UrhG. Vorsätzlich handelt, wer eine Rechtsverletzung wissentlich und willentlich begeht. Diese Voraussetzungen liegen meist nicht vor oder sind nicht nachweisbar. In den meisten Fällen geht es also um die Frage, ob der Nutzer fahrlässig gehandelt hat, also die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Welcher Sorgfaltsmaßstab gilt aber?

Die Rechtsprechung stellt an gewerbliche Nutzer urheberrechtlich geschützter Werke hohe Anforderungen. Sie unterliegen einer Prüfpflicht. Teilweise fordern die Gerichte, dass Nutzer die Lizenzkette bis zurück zum einzelnen Urheber überprüfen. Eine schier unmögliche Aufgabe.

Liegen die Voraussetzungen vor, ist also Schadensersatz zu leisten. Nun ist aber der konkrete Schaden eines Urhebers durch beispielsweise die Verwendung einer Grafik oder einer Software im Einzelfall kaum zu ermitteln. Hier helfen dem Urheber Gesetz und Rechtsprechung weiter. So heißt es in § 97 Absatz 2 Satz 2 UrhG: „Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden.“ In der Praxis bedeutet das, dass der Verletzer den Gewinn herauszugeben hat.

Viel häufiger kommen aber die Grundsätze der Lizenzanalogie zur Anwendung. Hierzu heißt es im Gesetz: „Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechts eingeholt hätte.“ Gibt es für die Nutzung des geschützten Werkes eine Preisliste, ist diese für die Ermittlung der „angemessenen Vergütung“ heranzuziehen. Auch das kann teuer werden, denn Rabatte und Sonderkonditionen bleiben unberücksichtigt.

Vorbeugen, so gut es geht

Wie aber kann ein Verwender von urheberrechtlich geschützten Werken rechtliche Inanspruchnahme vermeiden? Gesetz und Rechtsprechung schützen hier den Urheber. Kann dieser darlegen und beweisen, dass er der Schöpfer eines urheberrechtlich geschützten Werkes ist, muss der Verwender darlegen und beweisen können, dass er ein Recht zur Nutzung hat. Kann er das nicht, stehen seine juristischen Karten schlecht.

Einen hundertprozentigen Schutz gibt es nicht. Es gibt aber etliches, was ein Entwickler zur Risikovermeidung tun kann. Hierzu zählt zunächst eine gewisse Vorsicht bei der Verwendung von urheberrechtlich geschützten Werken anderer. Da das Urheberrecht auch einfache Schöpfungen schützt, solange sie nur individuell und das Produkt geistiger Arbeit sind, muss man im Zweifel selbst bei einfacheren Grafiken und Programmen davon ausgehen, dass diese unter den Urheberrechtsschutz fallen.

Dass ein „Copy & Paste“ in der Regel nicht erlaubt ist, dürfte den meisten einleuchten. Aber auch beim Download von Softwarepaketen unter Open-Source-Lizenzmodellen ist Vorsicht angezeigt. Hier muss man sich insbesondere das vom Lizenzgeber ausgewählte Lizenzmodell genau anschauen. Gilt es für alle Komponenten des jeweiligen Softwarepakets? Welche Lizenzmodelle finden Anwendung?

In der Open-Source-Welt gibt es verschiedene Ansätze, die teils erheblichen Einfluss darauf haben, was ein Nutzer mit den entsprechend lizenzierten Programmen (oder auch Grafiken, Bildern, Sounds und dergleichen) machen darf. Teilweise ist eine kommerzielle Nutzung vollständig ausgeschlossen. Teilweise handelt es sich um Copyleft-Lizenzen, bei denen Änderungen am Code wiederum öffentlich zur Verfügung gestellt werden müssen. Weil dies Nutzer in einigen Fällen unterlassen haben, haben auch hierzulande schon Gerichte Urteile wegen Urheberrechtsverletzungen gefällt.

Der Redaktion ist ein Fall bekannt, in dem zusammen mit einem unter der GPL-Lizenz stehenden Softwarepaket eine Grafikdatei eines Dritten mit zum Download angeboten wurde. Die GPL-Lizenz fand aber nur Anwendung auf das Softwarepaket, nicht auf die Grafikdatei. Der ahnungslose Nutzer der Software erhielt von einer Bildagentur, die nach eigenen Aussagen den Rechteinhaber vertritt, eine Rechnung über die Nutzung der Grafikdatei und wurde auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf (Az. I-20 U 41/09) hatte jüngst über einen ähnlichen Fall zu entscheiden. Ein Unternehmen hatte die Bezeichnung eines Softwareprogramms genutzt, das unter der GPL stand. Für diese Bezeichnung bestand aber Markenschutz für den Entwickler der Software. Die Richter verurteilten den Nutzer zur Unterlassung, denn nach ihrer Auffassung gilt die GPL zwar für das Softwarepaket an sich, nicht aber auch für die Benutzung des „Namens“ dieser Software. Markenrechtliche Bestimmungen enthält die GPL nämlich nicht, heißt es im Urteil. Der Nutzer kann das GPL-lizenzierte Programm unter einem eigenen Namen vertreiben, für Nutzung und Vertrieb ist kein Recht an der ursprünglichen Softwarebezeichnung erforderlich.

Gerade diese Beispiele verdeutlichen, dass man nicht vorsichtig genug sein kann. Abgesehen von den sicher schmerzhaften Kosten einer Abmahnung ist die Entfernung einer Grafik von einer Webseite sicherlich noch harmlos. Denn es kann ebenso gut sein, dass ein für ein Computerprogramm wesentliches Element nicht ordnungsgemäß lizenziert wird. Dann muss man aber unter Umständen eine ganze Webseite „vom Netz“ nehmen oder gar den Vertrieb eines Produkts so lange einstellen, bis die Rechtsverletzung beseitigt ist.

Es spricht nichts gegen den Einsatz von Open-Source-Komponenten, solange man sich an die Nutzungsbestimmungen hält. Ob der Einsatz einer GPL-lizenzierten Komponente im Einzelfall vertretbar ist, muss man prüfen. Hierfür sollte man sich im Zweifelsfall immer kompetenten Rechtsrat einholen. Wichtig ist auf jeden Fall, dass man die Nutzung sämtlicher Komponenten einer Entwicklung beispielsweise sauber und präzise dokumentiert. Hierzu gehören auf jeden Fall die Quelle, die anwendbaren Lizenzbedingungen, die Versionsund Releasestände. Auch muss man überprüfen, ob die jeweiligen Lizenzbedingungen für das ganze Softwarepaket und nicht nur für Einzelkomponenten gelten. Oft ist es etwa so, dass die Nutzung von Softwarepaketen im privaten Bereich oder nur im geringfügigen kommerziellen Einsatz kostenfrei gestattet ist, ab einer gewissen Nutzungsintensität aber eine Vergütung fällig wird. Alle diese Aspekte gilt es im Rahmen eines wirk samen Lizenzmanagements zu berücksichtigen.

Fazit

Kaum eine Softwareentwicklung, kaum ein Unternehmen kommt heute ohne Software oder sonstige urheberrechtlich geschützte Werke aus, die von einem Dritten, einem Urheber, entwickelt wurden. Für jede Form der Nutzung solcher Werke braucht man ein Nutzungsrecht, das den konkreten Verwendungszweck abdeckt. Der Nutzer muss selbst darauf achten, dass er es für alle genutzten Werke auch wirklich besitzt. Der gute Glaube daran, sich rechtlich einwandfrei zu verhalten und ausreichende Nutzungsrechte zu besitzen, schützt ihn im Ernstfall nicht. Wissentlichen und unwissentlichen Verletzern drohen Abmahnungen und Unterlassungserklärungen, die meist kostenpflichtig sind. Bei Fahrlässigkeit oder Vorsatz kann noch Schadensersatz hinzukommen.

Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Wer genau hinschaut, ob er für alle nicht von ihm selbst entwickelten Werke ausreichende Nutzungsrechte hat, wer genau dokumentiert, um im Zweifelsfall auch solche Rechte belegen zu können, hat schon viel erreicht. Genau aus diesem Grund verlangen Auftraggeber im Rahmen einer Auftragsentwicklung zunehmend entsprechende Dokumentationen und Nachweise für diese Aspekte. Das spielt insbesondere im Bereich der Open-Source-lizenzierten Werke eine große Rolle. Denn auch hier schützt Unwissenheit vielleicht vor Strafe, im Zweifel aber nicht vor Ärger, Zeit- und Geldaufwand. (gs)