Was Manager können müssen, ihnen aber niemand sagt

In kaum einem Anforderungsprofil für eine Managementposition darf das Wort fehlen: Durchsetzungsvermögen. Dabei kommt es im Alltag auf etwas ganz anderes an: die Fähigkeit, Kompromisse zu schließen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 2 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Damian Sicking

Liebe Headhunter, Personalchefs und sonstige Vorgesetzte,

haben Sie das auch gelesen? Bill Gates hat sein Facebook-Profil gelöscht. Zu viel Stress. Dauernd werde er anplinkt von Leuten, die seine Freunde sein wollen, sagte er. Und er habe sich immer die Mühe gemacht, zu überlegen und zu recherchieren, ob er den Antragsteller vielleicht kenne und woher er ihn kenne, und das alles sei ihm dann endlich über den Kopf gewachsen. Daher nun die Radikalbefreiung.

In der Tat kann man den Tag mit so was gut rumkriegen. Die Pflege seiner Seiten auf Facebook, Xing, LinkedIn, dazu noch der eigene Blog und natürlich Twitter. Da merkt man erst, wie kurz 24 Stunden sind.

Aber gut, diese "Social Network"-Seiten sollen ja so wichtig sein, nicht zuletzt unter karrieretechnischen Aspekten. Neulich las ich in einem Zeitschriftenartikel, dass es gar nicht auf die Qualität oder die Intensität der Kontakte ankommt, sondern schlicht und ergreifend auf die Masse. Motto: Viel hilft viel. Manches klingt absurd. So hat, wie demselben Zeitschriftenartikel zu entnehmen war, Best Buy, also die US-Ausgabe unseres Media-Marktes, die Anforderung an einen neuen Marketingmanager gestellt, dass er wenigstens 250 Kontakte bei Twitter hat.

Und schon bin ich beim eigentlichen Thema dieser Kolumne. Jetzt am Wochenende waren in den Zeitungen wieder jede Menge Stellenanzeigen. Gut, nicht so viele wie früher, aber es waren wenigstens noch welche da. Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass in diesen Anzeigen und generell in Anforderungsprofilen für Managementpositionen als eines der wichtigsten Kriterien die Durchsetzungsfähigkeit der Kandidaten genannt wird? Das ist heute so eine Selbstverständlichkeit geworden, die niemand mehr in Frage stellt. Ein guter Manager muss sich durchsetzen können. Ist doch klar, oder? Ist es das wirklich? Ich habe immer stärker den Verdacht, dass das so nicht stimmt. Ganz davon abgesehen, dass uns niemand so genau sagt, was er sich unter Durchsetzungsvermögen genau vorstellt (Ich verweise an dieser Stelle auf meine Kolumne vom 20. Januar dieses Jahres mit der Überschrift "IT-Firma sucht durchsetzungsstarken Vorstand – aber was heißt das?"), ist in unserem tagtäglichen Tun in Wirtschaft und Unternehmen eine andere Fähigkeit viel wichtiger als ein irgendwie geartetes Durchsetzungsvermögen: ich meine die Fähigkeit, Kompromisse zu finden und zu schließen!

Seien wir ehrlich: Was wir tagein, tagaus machen, sind Kompromisse. Wirtschaft ist zum großen Teil das Finden und Schließen von Kompromissen. Am deutlichsten und öffentlichsten findet das Kompromissschließen in den ritualisierten Tarifverhandlungen zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaftsvertretern statt. Aber auch Zielvereinbarungen zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter, Preisverhandlungen zwischen Kunde und Anbieter sind letztlich nichts anderes als Kompromisse. Natürlich will sich jede Partei mit ihren Vorstellungen durchsetzen, wer aber nicht zu Kompromissen bereit und fähig ist, der rennt am Ende vor eine Wand. Und dann ist´s aus.

Vor diesem Hintergrund wundert es mich schon, dass ich noch in keiner Stellenausschreibung und in keinem Anforderungsprofil für einen Manager das Wort "Kompromissfähigkeit" gefunden haben. So als ob es darauf gar nicht ankommt.

Beste Grüße

Damian Sicking

Weitere Beiträge von Damian Sicking finden Sie im Speakers Corner auf heise resale. ()