Was ist der Unterschied zwischen HP und einer Galeere?

Viele außenstehende Beobachter sind der Ansicht, HP sei eine tolle Firma und ihr Chef Mark Hurd ein echter Hero. Zu denken gibt, dass immer mehr HP-Mitarbeiter das ganz anders sehen.

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Von
  • Damian Sicking

HP-Chef Mark Hurd

(Bild: HP)

Lieber HP-Chef Mark Hurd,

im vierten Quartal dieses Jahres hat HP einen Gewinn von mehr als 2,4 Milliarden Dollar erzielt. Im gesamten Jahr beläuft sich der Profit auf 7,624 Milliarden Dollar. Damit schlägt sich HP in der Krise besser als andere Unternehmen. Soweit die gute Nachricht. Und jetzt die schlechte: Als Arbeitgeber spielt HP – zumindest in Deutschland – nicht mehr in der ersten Liga. Immer weniger junge Menschen träumen von einer Beschäftigung bei HP. Beide Nachrichten haben unmittelbar miteinander zu tun.

So beeindruckend die aktuellen Ertragszahlen von HP sind, das aktuelle Arbeitgeber-Ranking der Wirtschaftswoche ist aus HP-Sicht ein Desaster. Das Wirtschaftsblatt hat 7800 Akademiker ab 24 Jahren mit mindestens einem Jahr Berufserfahrung gefragt, bei welchem Unternehmen sie am liebsten arbeiten würden. Trauriges Ergebnis für HP: In Punkto Attraktivität für die akademischen Berufsanfänger rangiert das Unternehmen auf den hinteren Plätzen. So gaben etwa bei den jungen Betriebswirten nur 1,3 Prozent der Befragten an, sie würden gerne bei HP arbeiten – Platz 89. Bei den Ingenieuren schaffte es HP mit Platz 98 (0,8 Prozent der Stimmen) gerade noch unter die Top 100; Konkurrent Dell beispielsweise liegt deutlich besser, nämlich auf Platz 81.

Am wichtigsten aber ist natürlich, was die jungen Informatiker sagen. Auch hier sieht es für HP – immerhin der größte IT-Hersteller der Welt – grottenschlecht aus: Platz 33 ist für Sie ein Debakel. Nur 3,8 Prozent der befragten Junginformatiker würden gerne bei HP arbeiten. Dass Google (27,3 Prozent der Antworten), IBM (21 Prozent) und SAP (18,9 Prozent) als die Top-3-Firmen die Hitliste anführen, gut, das ist keine großartige Überraschung. Aber wenn man sich ansieht, welche IT-Firmen die Berufsanfänger als attraktiver bewerten als HP, dann würde ich an Ihrer Stelle wirklich ins Grübeln kommen. Da wären nämlich unter anderem Sun (Platz 13), Adobe (17), Cisco (22), Dell (23), sd&m (24), Oracle (26), Software AG (27) und Sony (29).

Mit anderen Worten: Hier kommt nicht ein riesiges Problem auf Sie zu, lieber Herr Hurd, Sie haben es bereits. Zumindest in Deutschland, aber ich fürchte, in anderen Ländern sieht es nicht viel anders aus. Wesentlicher Grund für die schlechten Ergebnisse: Es spricht sich herum, dass Sie die guten Ertragszahlen sicher nicht nur, aber auch auf Kosten der Mitarbeiter erzielen. Bereits im vergangenen Jahr hatte ich an dieser Stelle von dem großen Frust berichtet, den viele HP-Mitarbeiter hier in Deutschland schieben. Seitdem hat sich die Stimmung sogar noch verschlechtert. Zusätzlich zum enormen Leistungsdruck kommt der "freiwillige Gehaltsverzicht", den Sie seit geraumer Zeit von den Angestellten verlangen. Viele HP-Mitarbeiter haben sich inzwischen erschöpft und deprimiert in die "innere Emigration" zurückgezogen, wie die Kollegen vom Info-Markt kürzlich berichteten. Wenn diese Mitarbeiter, denen Sie an den Geldbeutel gehen, dann auch noch lesen, dass Sie, lieber Herr Hurd, im vergangenen Jahr eine Vergütung von 42 Millionen Dollar erhalten haben – 17,3 Millionen Dollar mehr als im Jahr 2007 –, dann kann man sich eigentlich nur wundern, dass es bei HP bisher noch so ruhig geblieben ist.

Lieber Herr Hurd, haben Sie eigentlich eine Vorstellung davon, was in den Köpfen der HP-Mitarbeiter vorgeht? Vermutlich wäre die Mehrheit zu einem persönlichen Opfer bereit, wenn die Firma in einer existenziellen Notlage wäre. Aber auf Gehalt verzichten, damit Sie sich im Schein von Milliardengewinnen sonnen können und Sie Ihren Millionenbonus bekommen, das empfinden viele als Zumutung. Und so etwas spricht sich halt rum. Wer will in so einem Unternehmen schon arbeiten? Dann landet HP – noch einmal: der größte IT-Hersteller der Welt – im Wirtschaftswoche-Arbeitgeberranking eben abgeschlagen auf Platz 33 und noch weiter hinten.

Lieber Herr Hurd, zuerst wollte ich diesem Text die Headline geben "Was ist der Unterschied zwischen HP und einer Galeere?". Weil die HP-Mitarbeiter mich an Galeerensklaven erinnern. Dann strich ich die Überschrift, weil sie mir zu hart erschien. Jetzt, nachdem ich diesen Text geschrieben habe, habe ich sie wieder oben drüber gesetzt. Und wissen Sie was? Damit sind Sie noch gut weggekommen.

Beste Grüße!

Damian Sicking

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