Wie Unternehmen sich vor Zahlungsausfällen schützen können

Europäische Unternehmen verlieren jährlich 300 Milliarden Euro durch nicht bezahlte Forderungen. Dies ergab eine Umfrage von Intrum Justitia. Thomas Hutter, Geschäftsführer des Kreditmanagement-Instituts, über Zahlungsmoral und Vorsorgemaßnahmen des Handels.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Marzena Sicking
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Thomas Hutter, Geschäftsführer der Intrum Justitia

(Bild: Intrum Justitia)

Aktuelle Studien von Intrum Justitia und EOS zeigen: Europäische Firmen müssen täglich Zahlungsausfälle in Millionenhöhe verkraften. Besonders hart trifft die schlechte Zahlungsmoral kleine und mittelständische Unternehmen, sie geraten durch Zahlungsverzug der Kundschaft schnell selbst in finanzielle Turbulenzen. Thomas Hutter, Geschäftsführer des Kreditmanagement-Unternehmens Intrum Justitia für die Region Deutschland, Österreich und Schweiz (DACH) spricht im Interview mit heise resale über Zahlungsmoral, Schutzmöglichkeiten des Handels und die Bedeutung von professionellem Forderungsmanagement.

Thomas Hutter: "Im europäischen Vergleich liegen die Deutschen genau auf Durchschnitts-Niveau. In Deutschland müssen 2,6 Prozent des Gesamtumsatzes als Forderungsverluste abgeschrieben werden. In Finnland und Österreich als beste Länder im europäischen Vergleich sind es jeweils 2,0 Prozent. Das Schlusslicht bildet Litauen mit 3,6 Prozent Forderungsverlusten vom Gesamtumsatz. Die Zahlen hören sich im ersten Moment vielleicht nicht erschreckend an. Berücksichtigt man aber, dass sich dahinter Abschreibungen von über 63 Milliarden Euro allein in Deutschland verbergen, sieht die Sache schon anders aus. Um diese Verluste oder die für das Eintreiben der geschuldeten Beträge verursachten Kosten auszugleichen, müssen Unternehmen einen erheblichen zusätzlichen Vertriebsaufwand erbringen. Abschreibungen auf offene Forderungen in dieser Höhe lähmen das Geschäft und verzögern Investitionen."

Thomas Hutter: "Je nach Kundensegment dauert es bis zu 36 Tage, bis die Unternehmer ihr Geld erhalten. Berücksichtigt man die unterschiedlichen Zahlungsziele, ergibt sich daraus ein durchschnittlicher Zahlungsverzug von 10 Tagen in Deutschland."

Thomas Hutter: "Waren es 2009 noch die Geschäftskunden, die mit 19 Tagen Verspätung deutlich langsamer gezahlt haben als die Privatkunden, liegen in diesem Jahr bisher beide Segmente mit 10 Tagen Verspätung gleichauf. Eine im Grunde erfreuliche Entwicklung, die aber durch die stark angestiegene Zahl der Forderungsausfälle getrübt wird."

Thomas Hutter: "Eine seriöse Schätzung mit einer konkreten Zahl liegt uns hierzu nicht vor. Bedenkt man aber, dass die Zahl der Forderungsausfälle im Vergleich zum Vorjahr um 24 Prozent angestiegen ist – von durchschnittlich 2,1 Prozent des Gesamtumsatzes 2009 auf 2,6 Prozent 2010 – und die Zahl der Insolvenzen im gleichen Zeitraum sprunghaft um 11 Prozent ebenso angestiegen ist, dann lassen diese Daten doch eine recht naheliegende Schlussfolgerung zu: es gibt definitiv einen starken Zusammenhang zwischen Forderungsausfällen und Insolvenzen. Es ist eben ein Teufelskreis: verspätete oder ausgefallene Zahlungen führen zu mangelnder Liquidität und diese wiederum zu weiteren Zahlungsausfällen oder -verspätungen sowie zu fehlenden Investitionen."

Thomas Hutter: "Die Möglichkeiten sind ebenso vielfältig wie die individuellen Geschäftsmodelle der Unternehmen. Um nur einige zu nennen, sollten Unternehmer folgendes tun: konsequentes Einholen von Wirtschaftsauskünften zur Bonitätsprüfung vor Lieferentscheid gegen Rechnung, routinemäßige Überprüfung der Bonität von Stammkunden, da diese erfahrungsgemäß für einen Großteil der Forderungsverluste verantwortlich sind, Einrichten von Kreditlinien je Kunde zur Beobachtung der Entwicklung der Außenstände, frühzeitiges Nachfassen beziehungsweise Mahnen nach Ablauf der Zahlungsfrist und vieles mehr.
Grundsätzlich empfehle ich natürlich die Zusammenarbeit mit einem professionellen Kreditmanagement-Unternehmen. Nach eingehender Analyse des Geschäftsmodells lassen sich so individuell auf das Unternehmen, die Kunden und die Zielsetzungen zugeschnittene Maßnahmen realisieren und das ist einfach effizienter als Einzelmaßnahmen einzukaufen und zu hoffen, damit insgesamt das Richtige getan zu haben."

Thomas Hutter: "Die Finanzkrise hat zumindest dafür gesorgt, dass die meisten Unternehmer das Thema weitaus ernster nehmen als vor der Krise. Dennoch merken wir, dass viele Unternehmen das Thema Kreditmanagement noch nicht als Ganzes erfassen. Untersuchungen zeigen, dass es über die gesamte finanzielle Wertschöpfungskette von Unternehmen hinweg immer noch große Einnahme- und Einsparpotenziale gibt, wenn im Schnittstellenbereich zwischen den verschiedenen Abteilungen für mehr Effizienz und Integration gesorgt wird. Alternativ dazu besteht eben die Möglichkeit, das gesamte Kreditmanagement oder Teile davon an einen Dienstleister auszulagern. Diese Option sollte jeder Unternehmer zumindest prüfen und das in regelmäßigen Abständen." (Marzena Sicking) / (map)

Siehe hierzu auch:

(masi)