Wie man ein Handelsunternehmen garantiert herunterwirtschaftet

"20 Prozent auf alles!" Wohin eine solche Tiefpreisstrategie ein Unternehmen führen kann, läßt sich am Niedergang und der Insolvenz der Baumarktkette Praktiker ablesen. Aber es war nicht nur die Rabbatitis, welche das Unternehmen heruntergewirtschaftet hat. Dazu kam Missmanagement in großem Stil. Ein Blick über den Branchenzaun.

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Von
  • Damian Sicking

Lieber Euronics-Chef Benedict Kober,

Euronics-Vorstand Benedict-Kober

(Bild: Euronics)

Praktiker. Kennen Sie. Der Baumarkt. Pleite. Schlimm.

Die Zeitschrift Capital hat in ihrer aktuellen Ausgabe einen mehrseitigen und lesenswerten Artikel über die Hintergründe der Praktiker-Pleite veröffentlicht. Schon der Titel hat es in sich: "Praktiker – das Leichenbauhaus". Ich bin eigens zur nächsten Tankstelle gegangen und habe mir das Heft für 7,50 Euro gekauft. Es geht in dem Capital-Artikel um die Frage: Wer hat Schuld am Niedergang der drittgrößten Baumarktkette Deutschlands?

Vor allem die Großaktionärin Isabella de Krassny aus Wien, die zeitweilig mehr als 20 Prozent der Praktiker-Aktien hielt, erhebt schwere Vorwürfe gegen Vorstand und Aufsichtsrat. Dem früheren Praktiker-Chef Thomas Fox wirft sie zum Beispiel vor, schon frühzeitig und insgeheim die Insolvenz des Unternehmens vorbereitet zu haben – zum Nachteil von Gläubigern, Lieferanten und Anteilseignern. Ein weiterer Anklagepunkt: Die Chefetage habe astronomische Summen für externe Berater aus dem Fenster geworfen. Nach Capital-Recherchen gab Praktiker allein in den Jahren 2011 und 2012 rund 70 Millionen Euro für Unternehmensberater, Rechtsanwälte und Finanzdienstleister aus. Im ersten Halbjahr 2013 soll ein weiterer zweistelliger Millionenbetrag hinzugekommen sein. "Es gibt keinen Berater, den wir nicht hatten", schimpft de Krassny in dem Magazin-Artikel. Vor allem die Unternehmensberatungen Roland Berger, Boston Consulting Group und McKinsey sollen an Praktiker gut verdient haben.

Doch nicht nur die Investorin aus Österreich, die durch die Praktiker-Insolvenz nach eigenen Angaben rund 15 Millionen Euro verloren hat, ist auf die ehemalige Führungsmannschaft der Baumarktkette sauer. Auch das frühere Aufsichtsratsmitglied Alexander Eichner stellt dem Kontrollgremium ein vernichtendes Zeugnis aus. "Dieser Aufsichtsrat war geprägt von Eitelkeiten, Seilschaften, Verschleierungen, Claqueuren, Schweigern, Intransparenz und Beißhemmungen. Es gab kein Durchkommen", sagt Eichner, der nach nur drei Monaten den Praktiker-Aufsichtsrat frustriert wieder verließ. Drastisch formuliert es de Krassny: "Diesem Aufsichtsrat ist es zwei Jahre nur darum gegangen, seinen Arsch zu retten."

"Das Leichenbauhaus" - Praktiker-Story in "Capital"

(Bild: sic)

Dazu kommt Inkompetenz, auch im Vorstand. Ein Beispiel dafür ist das Geständnis des ehemaligen Vorstandsmitglieds Michael Arnold (unter diesem Link finden Sie ein interessantes Radio-interview mit Arnold). Zu der Billigstrategie unter dem Slogan "20 Prozent auf alles“ sagte der frühere Praktiker-Manager: "Natürlich haben wir gesehen, dass das nicht gut geht, aber niemand von uns wusste, wie wir da wieder rauskommen."

Was sagen Sie dazu, lieber Herr Kober? Ist das nicht unfassbar? Schon schlimm genug, dass die hochbezahlten Vorstände und Aufsichtsratsmitglieder offensichtlich unter einer chronischen Denkblockade litten. Anscheinend teilten sie dieses bedauernswerte Schicksal mit den vielen Unternehmensberatern, denen sie die vielen Millionen hinterhergeschmissen hatten. Die waren ja offensichtlich auch nicht in der Lage, ein paar vernünftige Wege aus der Krise aufzuzeigen.

Lieber Herr Kober, warum schreibe ich Ihnen das? Zum einen weil es einfach interessant ist, wie hier ein großes Handelsunternehmen von seinen Vorturnern heruntergewirtschaftet wurde. Und zum anderen, weil ich mich frage, ob Praktiker wirklich nur ein Einzelfall ist. Das wäre vermutlich zu schön, um wahr zu sein. Stattdessen sollten wir uns lieber nichts vormachen: Auch in den Chefetagen der Unternehmen im deutschen ITK-Handel sitzen nicht nur Spitzenmanager mit dem Gesetzbuch in der einen und der Bibel in der anderen Hand. Auch hier wird, fürchte ich, gemauschelt, geschummelt, getrickst, getäuscht und in die eigene Tasche gewirtschaftet. Nicht überall, nicht durchgängig, und die Leser dieser Kolumne sind natürlich sowieso ausgenommen.

Lieber Herr Kober, vor kurzem klagte der Handelsverband Deutschland (HDE) öffentlich darüber, dass "die Suche nach geeigneten Auszubildenden für die Einzelhändler immer schwieriger" wird. Bekannt gewordenes Missmanagement wie bei Praktiker macht die Situation auch in dieser Hinsicht nicht einfacher. Das Image des Handels insgesamt nimmt Schaden. Und auch die guten Firmen müssen unter diesem schlechten Image leiden. Sippenhaft, nennt man das.

Beste Grüße und alles Gute!

Damian Sicking

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