„X“ as a Service-Ebene entscheidet über Vermarktung

Der Ruf der Endanwender nach integrierten Geschäftslösungen, flexibel nutzbare, abrufbar als Online Service über das Internet, wird immer lauter. Aus volkswirtschaftlicher Sicht treiben die Verbraucher mit dieser Erwartungshaltung das traditionelle Software Lizenzgeschäft in die Enge.

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Von
  • Georg Schnurer

Es sind Anwender und Verbraucher, die die volkswirtschaftliche Veränderung im Cloud Services Markt treiben. Der Ruf der Endanwender nach integrierten Geschäftslösungen, flexibel nutzbare, abrufbar als Online Service über das Internet, wird immer lauter. Aus volkswirtschaftlicher Sicht treiben die Verbraucher mit dieser Erwartungshaltung das traditionelle Software Lizenzgeschäft in die Enge.

Wandel von Geschäftsmodellen

Die Globalisierung der Märkte und Produkte, die immer ähnlicher werden, zwingen auch traditionelle Unternehmen zum Handeln. Um künftig im globalen Wettbewerb bestehen zu können, reicht alleine die Weiterentwicklung ihrer bestehenden Waren, Produkte und Dienstleistung nicht mehr aus. Was zählt, sind Geschwindigkeit und Wandlungsfähigkeit, denn nur wer schnell auf Kundenwünsche und veränderte Marktsituationen in globalen Wertschöpfungsnetzen reagieren kann, wird im Wettbewerb den entscheidenden Schritt voraus sein und im Wandel der Wirtschaft wachsen können.

Endanwender fordern immer lauter einfache integrierte Geschäftslösungen als flexibel nutzbare Software Leistungen, abrufbar als Online Service über das Internet, ohne riskante IT Investition mit unkalkulierbaren Folgekosten, wie Administration und Wartung. Aus volkswirtschaftlicher Sicht treiben die Verbraucher mit dieser Erwartungshaltung zunehmend das traditionelle Software Lizenzgeschäft in die Enge. Dem Wunsch der Anwender kommt hier vor allem das „Software as a Service“ (SaaS)-Geschäftsmodell entgegen, welches primär Geschäftslösungen als Software Leistung auf dynamischen Infrastrukturen online bereitstellt, wobei es hier erhebliche Unterschiede in Fertigungstiefe und Reifegrad im Markt gibt, die sich für den Kunden primär in Preismodellen und Skalierung niederschlagen können.

(Bild: Sondermann)

Karin Sondermann unterstützt seit 2012 als Beraterin Unternehmen, IT-Anbieter und Anwenderunternehmen in der erfolgreichen Umsetzung cloudbasierter Geschäftsmodelle (SaaS) und ist Mitglied des Advisory Board im Cloud Counsel.
Frau Sondermann hat seit 2003 zu SOA/BPM und SaaS/Cloud Computing diverse Fachbeiträge publiziert. Sie ist Co-Autorin des in 2011 erschienenen Buches „Cloud Computing - Neue Optionen für Unternehmen“. Parallel begleitete sie Management Positionen bei Software Herstellern wie Nemetschek AG, Microsoft, Bea Systems, PeopleSoft.

Bereits Ender der 90er Jahre gab es mit dem Application Service Providing Modell erste Ansätze von SaaS 1.0. Der IT Dienstleister bot für jeden Mandanten eine eigene physikalische Installationsumgebung gebündelt mit kundenspezifischer Anwendungssoftware an. Im Vordergrund stand hier der Gedanke des Mietmodells von physikalischen Servern. Zum damaligen Zeitpunkt waren die technischen Voraussetzungen nicht genügend erfüllt, denn aufgrund mangelnder Bandbreiten war der Reifegrad des Internets noch nicht gegeben und die Virtualisierungstechnologien waren auch noch nicht so ausgereift wie heute, so dass am Ende des Tages der Nutzen für die Kunden nicht groß genug war um flächendeckend auf das ASP-Geschäftsmodell (auch oft SaaS 1.0 genannt) zu schwenken.

Ein Jahrzehnt später haben wir eine andere Situation, das Internet ist reifer geworden, Web Technologien nicht mehr wegzudenken und Cloud Computing sowie SaaS ist in aller Munde.

„X“ as a Service Geschäftsmodelle

Im Gegensatz zum alten ASP-Modell bezieht der Anwender beim modernen Software as a Service (SaaS)-Modell, einer Ausprägung von Cloud Computing, eine Software Leistung über das Internet. Aus Anwendersicht werden hoch virtualisierte, multimandantenfähige Infrastruktur Ressourcen, virtuelle Maschinen, mit teilweise kunden- oder multimandantenspezifischen Anwendungen zu einer logischen Einheit kombiniert und dem Anwender als Software Leistung (SaaS2.0) angeboten. Da der Anwender diese Leistung situativ nutzt und user- oder nutzungsabhängig bezahlt, wird SaaS leider noch häufig als Mietsoftware bezeichnet, was allerdings bei näherer Betrachtung nicht zutreffend ist.

Grundsätzlich wird bei einem modern und innovativ ausgeprägten SaaS-Modell vom Nutzer keine Leistung angemietet, vielmehr bezieht er über das Internet eine Software Leistung als Online Service mit all seinen Eigenschaften, die ein solcher Service bietet:

  • die Abnahme der Leistung erfolgt nach Bedarf, die Abrechnung nach Abnahmemenge der zu messenden Einheit
  • der Service beinhaltet alle für die Nutzung notwendigen Komponenten Hardware, SW/ IT-Infrastruktur, Software-Lizenzen, Pflege, Wartung und Betrieb
  • für die Nutzung der Leistung wird ein Endgerät mit Internetanschluss benötigt, der Zugriff auf die Leistung selbst erfolgt im Normalfall mittels eines Web-Browsers.

Derzeit bilden je nach Zielgruppe und Technologie die folgenden drei Wertschöpfungsebenen SaaS, PaaS und IaaS den Ausgangspunkt für neue Geschäftsmodelle:

(Bild: Sondermann)

  • SaaS – umfasst die Leistungsangebote verschiedenster Softwarelösungen im Markt, die sich an den Anwender von Geschäftslösungen richtet, wobei die zu nutzende Anwendungssoftware selbst in Abhängigkeit ihrer Fertigungstiefe sehr unterschiedlich ausgeprägt sein kann, SaaS auf IaaS oder SaaS auf PaaS.
  • PaaS – steht für Leistungsangebote der Anwendungsinfrastruktur auf Basis serviceorientierter standardisierter Frameworks, die sich, primär an SW-Architekten und Entwickler des Software produzierenden Gewerbes, die Gruppe der traditionellen ISVs oder auch System Integratoren (SIs) richten. Neue Startups im Software produzierenden Gewerbe setzen mit der Fertigung ihrer Ideen oft direkt auf dieser Wertschöpfungsebene an. Diese Ebene ist von der Basis- Infrastruktur nahezu vollständig abstrahiert und wird automatisiert gemanagt.
  • IaaS – sind die bekannten Leistungsangebote der Basis-Infrastruktur in Form von virtuellen Maschinen und teilweise höherwertigen Management Services, die sich an IT-Architekten und Betrieb richten und von IT-Providern multimandantenfähig bereitgestellt werden.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass bereits eine vierte Ebene diskutiert wird, die als Business Process as a Service (BPaaS) bezeichnet wird. Diese neue Ebene geht aus Veränderungen auf der SaaS-Ebene hervor, sie ist durch eine stärkere Nähe zum Geschäftsprozess charakterisiert und verwendet oftmals Cloud Services standardisierter serviceorientierter Frameworks der Platform as a Service (PaaS)-Ebene. Diese Wertschöpfungsebenen sollten nicht isoliert betrachtet werden, denn es bestehen wechselseitige Integrationsbeziehungen und unterschiedliche Ausprägungen in Service Level Agreements.

SaaS-Ausprägung und Vermarktung

SaaS 2.0, auch Red Cloud genannt, versteht das SaaS-Geschäftsmodell primär noch als Delivery-Konzept. Der Software Hersteller (ISV) bündelt seine Anwendungssoftware dabei mit einer oft von regionalen IT-Providern stammenden, multimandantenfähigen Basis-Infrastruktur (IaaS) zu einem neuen SaaS-Paket, das zusätzlich über den Marktplatz des IT-Providers angeboten wird. Bei SaaS 3.0, auch Blue Cloud genannt, geht der Software Hersteller einen großen Schritt weiter und wird gleichsam zum ICSV, zum Independent Cloud Services Vendor. Durch diese Software Herseller entstehen neue Software Lösungen, die bereits im Kern modular, serviceorientiert und multimandantenfähig angelegt und einen höheren Grad der Abstraktion von den zugrundeliegenden Ressourcen aufweisen und auf der PaaS-Ebene aufsetzen.

Beide modernen SaaS-Varianten haben ihre spezifischen Vor- und Nachteile. Ein ISV, der heute den Schritt in die Red Cloud erwägt, um sein Delivery-Modell zu modernisieren und Marktanteile zu sichern, mag morgen schon mit dem Gedanken an die Blue Cloud spielen und sich zum Independent Cloud Services Vendor (ICSV) transformieren, um neue Märkte zu erobern und langfristig zu bestehen.

Speziell für Software Hersteller, ob traditionelle ISVs oder neue unabhängige Cloud Services Vendors (ICSVs) ist die Wahl der richtigen Going-to-Market–Strategie von existenzieller Bedeutung. Es ist abzusehen, dass sich zukünftig zwei unterschiedliche Vermarktungskanäle etablierenwerde: der digitale Marktplatz, systemgleich das Cloud Services Brokerage und die qualifizierte cloudbasierte Business-Solution Vermarktung.

Welches Modell für den jeweiligen Software Hersteller, das strategisch sinnvollste ist und der Marktbehauptung oder -erschließung am meisten nutzt, muss jeder Hersteller in Abhängigkeit seiner Unternehmensstrategie individuell prüfen, wobei sie wie Ying und Yang in einem Unternehmen koexistieren können. Denn sowohl die Red Cloud, das Delivery-orientierte SaaS 2.0, als auch die Blue Cloud, das an längerfristigem Wachstum orientierte SaaS 3.0, haben ihre Berechtigung. Ein generelles Vernachlässigen hinsichtlich der Bereitstellung und Vermarktung cloudbasierter Lösungsansätze die dem SaaS–Geschäftsmodell folgen kann in den kommenden Jahren in vielen Fällen dem „Going-out-of-Business“ gleichkommen. (Karin Sondermann) / (gs)

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