Antivirushersteller ĂĽber Stiftung Warentest verstimmt
In einem offenen Brief kritisieren acht Hersteller von Antivirusprodukten die aktuelle Titelgeschichte von Stiftung Warentest. Die Hersteller stellen das Testkonzept in Frage, bei dem nur vier von 18 Sicherheitsprogrammen als "Gut" bewertet wurden.
- Gerald Himmelein
In einem beispiellosen offenen Brief nehmen acht Hersteller von Antivirus-Produkten Stellung gegenüber der aktuellen Titelgeschichte von Stiftung Warentest. Für Heft 4/2012 hat der Hersteller vierzehn Sicherheits-Suiten und vier Gratisscanner auf den Prüfstand gestellt. Avira schnitt mit der Note "Gut (2,1)" in beiden Kategorien am besten ab. Die Produkte von McAfee, Symantec und Trend Micro landeten weit abgeschlagen im hinteren Testfeld. Das Schlusslicht war Panda Internet Security.
In ihrem Schreiben kritisieren die Antivirenhersteller scharf die Prüfmethoden von Stiftung Warentest. Da ist von veralteten Testmethoden die Rede, die "unzureichend beschrieben" seien. Mit teilweise ohne Internet-Verbindung durchgeführten Tests trage der Waren-Test der tatsächlichen Gefährdungslage auf aktuellen PCs keine Rechnung. Auch seien offenbar die Empfehlungen der Anti Malware Testings Standards Organization (AMTSO) nicht berücksichtigt worden. Die Mehrzahl der AMTSO-Mitglieder stellen Antivirenprodukte her.
Konkret wird in dem offenen Brief kritisiert, dass der Schwerpunkt des Tests auf der Erkennung inaktiver Malware gelegen habe. Zusätzliche Schutzmechanismen wie die Verhaltenserkennung seien dadurch nicht zum Zuge gekommen. Durch die Trennung vom Internet sei den Programmen zusätzlich die Möglichkeit der cloud-gestützten Malware-Erkennung genommen worden.
Tatsächlich hat Stiftung Warentest bei seinem "internationalen Gemeinschaftstests" mehrere ungewöhnliche Methoden eingesetzt. So fanden alle Tests in virtuellen Maschinen statt; zur Bewertung der Wächter wurde "eine Festplatte voll neuester Schadsoftware" auf den virtuellen Rechner kopiert. Die Malware-Erkennung durch den Dateiscanner wurde vor allem anhand von Signaturdatenbanken durchgeführt. Insgesamt trug der Virenschutz nur zu 40 Prozent zur Gesamtbewertung bei; die Handhabung und die Rechnerbelastung wurden mit 30 beziehungsweise 20 Prozent bewertet.
Die Unterzeichnenden des Schreibens bieten Stiftung Warentest eine "offene Diskussion über Ihre Testmethoden an" und hoffen, für künftige Tests "einige Anregungen geben zu können, um zukünftig realitätsnähere Testergebnisse erzielen zu können". Mit der Motivation für ihren Brief halten die Hersteller nicht hinter dem Berg: "Derzeit haben wir den Eindruck, dass Ihre Veröffentlichung bei Verbrauchern und Nutzern unserer Produkte zu einer gewissen Verunsicherung führt, die aus unserer Sicht nicht notwendig ist."
Die im Schreiben mitschwingende Nervosität lässt sich unter anderem damit erklären, dass die kritisierten Testergebnisse nicht nur in Deutschland, sondern international veröffentlicht werden. In Frankreich wurden dieselben Ergebnisse bereits Anfang März veröffentlicht; andere europäische Mitglieder des ICRT, dem internationalen Dachverband der Verbrauchertestinstitute, dürften in den kommenden Wochen nachziehen.
In den Online-Kommentaren zum Test nimmt Stiftung Warentest bereits Stellung zur Kritik. Die Tester verteidigen ihr Vorgehen: In die Beurteilung des Virenschutzes seien "sämtliche Schutzfunktionen vor Malware" eingeflossen; die Ergebnisse in den virtuellen Maschinen seien durch umfangreiche "Stichproben auf realen Maschinen" verifiziert worden. Die Malwaretests seien "selbstverständlich auch online geprüft und bewertet" worden. Aber: "Wir verlangen von einem guten Virenprogramm, dass es sowohl online als auch offline gut funktioniert. Schließlich sind auch heute längst nicht alle Rechner immer online." Am 18. April lädt Stiftung Warentest zu einem Online-Chat zum Thema Antivirenprogramme.
Der offene Brief an die Stiftung Warentest wurde durch Vertreter von acht Antivirenherstellern unterzeichnet: Check Point (ZoneAlarm), F-Secure, Ikarus, Kaspersky, McAfee, Panda Security, Symantec und Trend Micro. Neunter Unterzeichner ist der Geschäftsführer des deutschen Virenschutztestlabors AV-Test. Die Hersteller der beiden am besten bewerteten Programme, Avira und G Data, gehören nicht zu den Unterzeichnern – Kaspersky Internet Security wurde jedoch mit "Gut (2,4)" bewertet und belegt damit im umstrittenen Test immerhin den dritten Platz. Bitdefender, Bullguard und Eset haben sich dem offenen Brief nicht angeschlossen (alle bekamen ein "Befriedigend"). Ikarus hat unterzeichnet, obwohl ihr Produkt nicht Teil des Testfelds war.
Zum Abschluss wird der öffentliche Brief sehr deutlich. Mit Nachdruck fordern die Unterzeichnenden die Stiftung Warentest dazu auf, in der nächsten Ausgabe ihres Hefts "an hervorgehobener Stelle darauf hinzuweisen, dass sie mit uns diese Punkte diskutieren, und ihre Leser zu informieren, dass die verwendeten Testszenarien, die bei vielen Produkten zu schwachen Ergebnissen geführt haben, in Alltagssituationen nicht auftreten." (ghi)