c't Fotografie 1/2017
S. 174
Fotostadt

FOTOSTADT Berlin

Berlin bricht alle Besucherrekorde, auch weil es hier so viel zu fotografieren und so viele Fotos zu sehen gibt. Es ist schließlich leichter, Museen zu bauen als Flughäfen. Die, die immer hier wohnen, freuen sich derweil an den einzigartigen Produktions- und Ausbildungsmöglichkeiten in Sachen Fotografie.

Berlin versucht gerade das Arm-aber-sexy-Image hinter sich zu lassen, aber arm an Museen war die Stadt nie. Darin finden sich natürlich zahlreiche Fotosammlungen, wie etwa in der Berlinischen Galerie. Während die Auseinandersetzung mit dem Medium und die Ankäufe dort regelmäßig sichtbar gemacht werden, blüht in der Kunstbibliothek die Sammlung der Kunstfotografie um 1900 im Verborgenen. Das Publikum strömt derweil in die – wechselhaft kuratierten – Großgastspiele im Martin-Gropius-Bau.

Der vor gut zehn Jahren groß angegangene Versuch, die in der Stadt zerstreuten Fotobestände zu bündeln, hat zwar zum Museum für Fotografie geführt, jedoch nicht zum großen Wurf. Dazu wachen die anderen Direktoren zu eifersüchtig über ihre Schätze. Immerhin hat die Fotografie so ein eigenes Haus bekommen, oben sitzen die staatlichen Museen, darunter die Helmut Newton Foundation, die das Werk eines der größten Fotosöhne dieser Stadt und seiner Frau Alice Springs pflegt. Newton hat einst um die Ecke bei der grandiosen Yva sein Handwerk gelernt, die wie so manch anderer Fotograf der Weimarer Republik im Konzentrationslager ermordet wurde.

Auf ein historisches Fotomuseum, das das ganze Berliner Erbe sichtbar pflegt, müssen wir wohl weiter warten. Dabei sind die Voraussetzungen ideal, schließlich trafen 1839 schon kurz nach der Vorstellung der Fotografie aus Paris die ersten Kameras ein. Alexander von Humboldt hat sich allerdings sehr über die zerbrochenen Chemikalienflaschen geärgert.