Gewagte Perspektiven
Architektur- und Panoramafotografie sind nicht gerade Freunde, obwohl enge Stadtstraßen, in denen man nicht sehr weit von den Hausfassaden wegtreten kann, geradezu nach einem Weitwinkel rufen. Doch Weitwinkelaufnahmen und insbesondere Panoramen erzeugen stets Verzerrungen – ein Tabu in der klassischen Architekturfotografie. Machen Sie es einfach andersherum, nutzen Sie mit „Mut zur krummen Linie“ die sowieso unvermeidbaren Verzerrungen als Gestaltungsmittel.
Üblicherweise erwarten wir von einem Objektiv, dass es „verzeichnungsfrei“ abbildet. Eine rechteckige Hausfassade soll auch auf dem Foto exakt rechteckig sein. Jedoch ist das nicht das, was Sie und ich wirklich sehen, wenn wir vor einer Hausfassade stehen. Befinden wir uns mittig vor der Eingangstür, sind die linke und die rechte Seite, aber auch die Dachlinie viel weiter vom Auge entfernt als die Tür. Wir sehen sie also entsprechend perspektivisch verkleinert.
Die 87 Meter breite Fassade des Alten Museums in Berlin habe ich aus etwa 33 Meter Entfernung fotografiert. Die mittleren Säulen sind also 33 Meter entfernt, die äußeren aber fast 50 Meter. Auf der Netzhaut werden diese deshalb nur halb so hoch und dick abgebildet wie die Säulen in der Mitte. Um dieser, mit dem Abstand vom Betrachter wachsenden, perspektivischen Verkürzung der Säulen nach beiden Seiten hin zu folgen, muss die Dachlinie entweder in der Mitte abknicken oder sich über den gesamten Verlauf krümmen – sie kann gar nicht anders. Das gilt auch für alle anderen waagerechten Linien, die nicht exakt durch die Bildmitte verlaufen.