c't Fotografie 1/2020
S. 36
Emotionen des Winters: Melancholie
Aufmacherbild
Das Bild zeigt eine nächtliche Szene, die viel Raum für Interpretation lässt. Vielleicht findet der Angler in dieser Nacht keinen Schlaf. Statt zu Hause zu sitzen, geht er lieber raus. Oder sucht er die Einsamkeit des Wassers, will aber nicht auf Beschäftigung verzichten? Jeder Betrachter darf seine eigene Deutung finden. Nikon D4s | 16 mm | ISO 400 | f/8.0 | 1/400 s Nikon D4s | 16 mm | ISO 400 | f/8.0 | 1/400 s

Melancholie erzählen

Wenn es ein Bild schafft, unseren Blick zu fesseln, dann hat es etwas zu erzählen, es berührt unsere Seele. Solche Aufnahmen entstehen selten im Vorbeigehen. Als Fotograf illustrieren Sie Ihre inneren Bilder. Um Sie für Ihre eigenen Werke zu inspirieren, teile ich gern meine Erlebnisse und Erfahrungen mit Ihnen.

Manche Bilder fesseln uns mehr als andere. Gerade Motive, die Geschichten zu erzählen scheinen, entfalten eine besondere Wirkung beim Betrachter. Sie berichten von Menschen in verschiedenen Lebenssituationen, manchmal von Tieren. Diese Aufnahmen wecken Erinnerungen an Vergangenes oder Gefühle wie Fernweh, Melancholie und Sehnsucht. Solche Werke anderer Fotografen haben mich motiviert, eigene Erlebnisse zu Geschichten zusammenzuführen. Dabei ist nicht jedes Bild sofort gelungen, sondern durch „Learning by Doing“ habe ich Bild für Bild und Idee für Idee meine eigene Bildsprache entwickelt.

Bildgeschichten wie die mit dem Angler sind Aufnahmen, die am richtigen Ort zur richtigen Zeit entstehen. Sie zeigen spontane, authentische Momente. Der Winternebel an diesem Tag inspirierte mich, die Boote am See zu fotografieren. Als ich dort ankam, fand ich den Mann mit der Angel auf dem Steg in sein Tun vertieft. Das entsprach nicht ganz meiner Idee, doch anstatt mich über ihn zu ärgern, bezog ich ihn in die Bildgestaltung ein. So entstand aus einem eher grafischen Motiv eine Aufnahme, die etwas zu sagen hat. Am aufwendigsten war die Suche nach der passenden Kameraperspektive. Zum Glück erleichterte der Angler durch seine stille, unbewegte Haltung den Gestaltungsprozess.

Für solche Bilder sollte man sich Zeit nehmen und beobachten, was im Motiv geschieht. Durch den Sucher betrachte ich die Szene, behalte die Kamera am Auge. Die Situation benötigt meine gesamte Aufmerksamkeit, es ist daher notwendig, die Kamera zu beherrschen und den Finger auf dem Auslöser zu lassen. Erst wenn ich verschiedene Eindrücke gesammelt, unterschiedliche Perspektiven und Blickwinkel ausprobiert habe, unterbreche ich das Fotografieren. Während der Aufnahmen führe ich keine Bildkontrollen über das Display der Kamera durch, denn sie lenken eher ab. Außerdem achte ich besonders darauf, dass der Moment erfasst wird und die Körpersprache der abgebildeten Person zum Ausdruck kommt. Dabei sollte die gesamte Komposition ausgewogen wirken.